Redensarten Lexikon
Zwirn
Der Zwirn geht ihm aus: er ist fertig, hat keinen Redestoff mehr; mundartlich auch: sein Geld geht zur Neige; vgl. ›Den Faden verlieren‹, Faden. Literarisch schon in den Versen aus Joh. Val. Andreas ›Geistlicher Kurtzweil‹ von 1619 (S. 170):
   Bis du (Kritiker)... zwickst, strickst im Hirn,
   Ist mir schon abgehaspt die Zwirn.

Zwirn spinnen (abwinden, abhaspeln): erzählen, reden. Auch ›Zwirn spinnen‹, Gedankenarbeit leisten; in diesem Sinne z.B. bei Goethe (Weimarer Ausgabe IV, 3, 46): »Habe die Nacht durch manches Knäulgen Gedancken Zwirn auf- und abgewickelt«.
   Zwirn kann auch ›Gedanken‹ überhaupt umschreiben; Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm 34 (›Die kluge Else‹): »O, sprach der Vater, die hat Zwirn im Kopf«, sie ist gescheit. Campe (5, 972b) verzeichnet ›blauen Zwirn‹, lustige Einfälle. Außerdem wurde Zwirn früher als Tabuwort für Sexuelles und in obszönem Sinne gebraucht. Im 57. Fastnachtsspiel (Keller) heißt es:

   Si ist sicher ain guote Dirn
   Und spint dar zu gar guoten zwirn;

im 58.:
   Die Adelheid ist fürwar ein schöne Dirn
   Die spint auß der maßen guten zwirn;

und im 34. Fastnachtsspiel findet sich die Redensart ›vil Zwirns mit Einer abwinden‹. Solange die beiden miteinander Zwirnenden einig sind, sind sie eben ›verzwirnt‹, entzweien sie sich, so tritt eine ›Verunzwirnung‹ (= Streit, Hader) ein. So erklärt sich die Redensart Sich mit jemandem verunzwirnen: sich entzweien, in Uneinigkeit geraten (Söhns, 695f.).
   Mundartlich sind die Redensarten mit Zwirn schier unerschöpflich: thüringisch ›Zwirn machen‹, böse Streiche ausführen; ›schlimmen Zwirn haben‹, Verdacht schöpfen, Argwohn haben; ›Zwirn wickeln‹, auf einem Ball sitzenbleiben; schleswig-holsteinisch ›he spinnt Twern‹, er schnarcht; ›die Katze spinnt Zwirn (zwirnt)‹, sie schnurrt; ›er spinnt blauen Twern‹, er redet Gewäsch; obersächsisch ›Schulmeisterzwirn‹, langes Orgelvorspiel. ›Blauer Zwirn‹ ist auch eine Umschreibung für Alkohol, besonders Schnaps, Grabbe (3, 155): »Schlesier, da hast du zwei Münzgroschen. Hole mich von jene Marketenderin einen blauen Zwirn und vor dir einen halben«.
   Über einen Zwirnsfaden stolpern: wegen einer Kleinigkeit zu Fall kommen. So sagt in Schillers ›Verschwörung des Fiesko‹ 1783 (II, 5) Fiesko vom Volke: »Der blinde, unbeholfene Koloß, der ... Hohes und Niederes, Nahes und Fernes mit gähnendem Rachen zu verschlingen droht und zuletzt über Zwirnsfäden stolpert«.
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