Redensarten Lexikon
Zweig
Auf keinen grünen Zweig (Ast) kommen: keinen Erfolg, kein Glück haben; es zu nichts bringen; ebenso in den Mundarten, z.B. rheinisch ›op keine jröne Zwich kumme‹; schleswig-holsteinisch ›he kümmt ni op'n grönen Twieg‹; niederdeutsch sogar mit einem drastischen Vorsatz: ›Mancher kann sich einen Tannenbaum in den Hintern stecken, er kommt doch auf keinen grünen Zweig‹. Die Redensart ist seit Ende des 15. Jahrhunderts belegt, z.B. in Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ (80):
   Erberkeyt muosz verr hynden (ganz hinten) stan
   und kumbt gar kum (kaum) uff grünen zwig.

Bei dem Prediger Geiler von Kaysersberg heißt es: »Sie mögent niemer begrünen oder vff grienen Zweig komen«; bei Abraham a Sancta Clara (›Judas‹ IV, 375): »Auf kein grünes Zweig kommen können«. Auch in der neueren Literatur finden sich zahlreiche Belege, z.B. bei Goethe (›Maximen und Reflexionen‹): »Es ist traurig anzusehen, wie ein außerordentlicher Mensch sich gar oft mit sich, seinen Umständen, seiner Zeit herumwürgt, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen, Trauriges Beispiel Bürger«.
   Man hat zur Erklärung der Redensart an einen alten Rechtsbrauch erinnert, wonach der Verkäufer eines Grundstücks dem Käufer eine Rasenscholle mit einem hineingesteckten Zweig von einem Baum des Gutes übergab; man hat die Redensart gar gedeutet als gegensätzliche Bildung zu der Wendung ›Den dürren Baum reiten‹, gehängt werden. Auch an den grünen Zweig als Siegeszeichen und Kampfpreis beim Turnier ist gedacht worden (dann müßte es aber vom Erfolglosen heißen: ›er kommt zu keinem grünen Zweig‹). Aber der ›grüne Zweig‹ ist wohl nur das Sinnbild des Wachsens und Gedeihens überhaupt, wie grün ja auch sonst in bildlichen Redensarten auftritt; vgl. auch Grimmelshausen im ›Simplicissimus‹ (Bd. IV, S. 22): »Nach diesem bedachte ich, was ich thun und wie ich meine Händel anstellen wollte, damit ich wieder recht grüne würde«. Noch wahrscheinlicher ist ein Bezug zu Hiob 15, 32, wo es – ebenfalls negativ gewendet wie in unserer Redensart – heißt: »Er wird ein Ende nehmen vor der Zeit; und sein Zweig wird nicht grünen«.
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