Redensarten Lexikon
Zeuge
›Ein Zeuge, kein Zeuge‹ ist ein altes Rechtssprichwort. In Goethes ›Faust‹ sagt Mephisto zu Frau Marthe: »... durch zweier Zeugen Mund wird allerwegs die Wahrheit kund«. In dieser Form ist das Zitat dann auch geläufig geworden und hat sprichwörtlichen Charakter angenommen. Doch sind generell viele Ausdrücke desselben Inhalts nachweisbar: negativ formulierte, verbreitete Sprichwörter sind folgende: ›Ein Mann kein Mann‹; ›Ein Zeuge ist einäuge‹ (sieht soviel wie ein Auge); ›Eines Mannes Rede ist eine halbe Rede‹; ›Eines Mannes Zeugnis taugt nicht und wäre es ein Bischof‹. Positiv formuliert: ›In zweier oder dreier Zeugnis liegt alle Wahrheit‹; ›Zwei sind besser als einer‹; ›Zwei sehen mehr als einer‹.    In der Regel des Zweizeugenerfordernisses laufen mehrere Texttraditionen zusammen, von denen auf das mittelalterliche Recht die stärksten Anstöße ausgegangen sind. Einmal ist die rechtliche Ausgangslage im Grundsatz die Zeugenmehrheit, die es nach unten zu begrenzen gilt. Mit der Zweizahl ist diese Grenze dann erreicht. Ein anderes Mal wird das Genügen eines einzigen Zeugen prinzipiell in Frage gestellt und eine Heraufsetzung auf die Zweizahl vorgenommen.
   Älteste Textzeugnisse finden sich im Alten Testament, wo die Aussage eines einzigen Zeugen als untauglich angesehen wird: »Non stabit testis unus contra aliquem, quidquid illud peccati et facinoris fuerit: sed in ore duorum aut trium testium stabit omne verbum« (Dtn 19, 15; Vulgata).
   Etliche Belege finden sich auch im Neuen Testament (Joh 8, 17; 2 Kor 13, 1; Mt 18, 16). Die Zweizeugenregel wurde im römischen Recht übernommen und kam so in die Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts.

• C. SCHOTT: Ein Zeuge, kein Zeuge. Zu Entstehung und Inhalt eines Rechtssprichwortes, in: Festschrift für F. Elsener (Sigmaringen 1977), S. 222-232.
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