Redensarten Lexikon
Zeug
Einem (etwas) am Zeuge flicken: ihn kleinlich tadeln, schulmeistern; wörtlich genommen: an seinem Zeuge, seiner Kleidung, etwas flicken, d.h. in Ordnung bringen. In bildlicher Übertragung findet sich die Redensart seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, so z.B. in G.A. Bürgers Gedicht ›Der Kaiser und der Abt‹ von 1785:    Der Kaiser will gern mir am Zeuge was flicken
   Und hat mir drei Nüss' auf die Zähne gepackt.
   Auch mundartlich ist die Redensart, vor allem mit Betonung des gesuchten Tadels, geläufig; z.B. niederdeutsch ›enem wat an dem Tüge flicken‹, einem Ungelegenheiten machen, Verdruß und Händel erwecken, sich an einem reiben. Auch literarisch bei Reuter: »(sie klagten) dat en jeder ehr (der Judenschaft) an't Tüg wat flickt« (Läuschen und Rimels, ›Dat kümmt mal anders‹). Ebenfalls zu Zeug = Kleidung gehört: Gut im Zeug sein: anständig, gut gekleidet sein, über einen ausreichenden Kleidervorrat verfügen.
   Sich ins Zeug legen; Tüchtig ins Zeug gehen: sich anstrengen, sich kräftig bemühen, sich für etwas einsetzen; ähnlich: ›Ins Geschirr gehen‹ ( Geschirr), ›Sich in die Stränge legen‹. Zeug bedeutet hier das Geschirr der Zugtiere (die gleiche Vorstellung liegt dem gegensätzlichen Ausdruck ›ausspannen‹ = ausruhen, sich erholen zugrunde). Auch in den Mundarten reich belegt, z.B. in Basel ›ins Züg haue‹; obersächsisch-erzgebirgisch ›sich ins Zeug werfen‹, tüchtig an die Arbeit gehen. Vergleiche französisch ›s'atteler à quelque chose‹.
   Scharf ins Zeug gehen: scharf vorgehen, rücksichtslos sein. In etwas anderer Form literarisch bei Goethe: »nun fuhren sie ... mit einem leidenschaftlichen Monolog ins Zeug« (Weimarer Ausgabe 24, 168). Auch die sehr geläufige Redensart Was das Zeug hält (oder halten will): mit äußerster Anspannung, aus Leibeskräften (z.B. arbeiten, rennen), bezieht sich ursprünglich wohl auf das Geschirr der Zugtiere, vor allem der Pferde (vgl. obersächsisch ›Er arbeitet drauflos, was das Leder hält‹, Leder), kaum auf das Gerät des Landwirts oder das Werkzeug des Handwerkers. Literarisch belegt ist die Redensart z.B. 1778 bei Lessing (›Eine Parabel‹): »Schreiben Sie, Herr Pastor, und lassen Sie schreiben, so viel das Zeug halten will: ich schreibe auch«. Auch in den Mundarten sehr häufig belegt, z.B. niederdeutsch ›lopen, wat dat Tüg holen weil‹; vgl. in der Gegenwart: ›Was der Motor hergibt‹.
   Das Werkzeug dagegen ist ursprünglich gemeint in Wendungen wie Das Zeug zu etwas haben: zu etwas befähigt, begabt sein; literarisch z.B. bei Gottfr. Keller (›Nachgelassene Schriften und Dichtungen‹, 1893, S. 136): »Ein dem Herrn gefälliges Kunstwerk zu schaffen ..., da er das Zeug dazu empfangen hat«. Vergleiche französisch ›avoir l'étoffe de quelque chose‹ (wörtlich: dazu hat er das richtige Tuch, das richtige Gewebe).
   Beim (im) Zeug sein; Auf dem Zeuge sein: leistungsfähig, tüchtig, energisch sein. Literarisch z.B. bei Brentano (Ges. Schriften 8, 26): »Beständig im Zeug und voll Begeisterung«. Verwandte Redensarten sind in den Mundarten noch vielfach verbreitet, z.B. bairisch ›bam Zuig sein‹, einer Sache gewachsen sein; ›nit recht bam Zuig sein‹, nicht recht bei Troste sein; ›etwas zem Zeug bringen‹, zustande bringen; schwäbisch ›er isch nit im Zeug‹, er geht nicht seinem Geschäft nach; ›im Zeug sein‹, etwas besitzen, reich sein; sächsisch ›auf dem Zeuge sein‹, sich wohlbefinden, gesund sein; ›aus dem Zeuge gehen‹, flott arbeiten; ostfriesisch ›sük fast upt Tüg setten‹, sich gut vorbereiten, auf alles gefaßt machen.

• K. KRÜGER: ›Einem etwas am Zeuge flicken‹, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 5 (1891), S. 278; H. D.: Etwas am Zeuge flicken, in: Zeitschrift des allgemeinen deutschen Sprachvereins 24 (1909), Spalte 89-90; E. MEYER: Jemandem etwas am Zeuge flicken, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 25 (1911), S. 572.}

Einem etwas am Zeug flicken. Schneiderspottbild:
   ›Der Flickschneider‹, kolorierte Lithographie, um 1830. Aus: Kohlmann, Theodor: Neuruppiner Bilderbogen, Katalog (Schriften des Museums für Deutsche Volkskunde Berlin, Bd. 7), Berlin 1981, S. 100, Abbildung 121.
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