Redensarten Lexikon
zeitlich
Das Zeitliche segnen: sterben; eine seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts belegte redensartliche Umschreibung, die von der alten Sitte ausgeht, daß der Sterbende sich auf den Tod vorbereitete und von der irdischen Welt, der ›Zeitlichkeit‹, Abschied nahm, indem er Gottes Segen auf sie herabwünschte. Der eigentlich Segnende ist also Gott, der dabei den für besonders wirksam gehaltenen letzten Wunsch des Sterbenden erfüllt. So heißt es etwa in Jakob Ayrers (gest. 1625) Drama ›Melusine‹ (S. 25ff. Keller):
   Nun sieht mich kein Mensch nimmermehr,
   Gott gesegn euch alle, wo ihr seyt!
   Gott gesegn mir alle Wollustbarkeit!
   Gott gesegn mein Herren und Gemahl!
   Gott gesegn euch, Berg und tiefe Thal!

Ähnliche Segensformeln der Sterbenden sind mehrfach in frühen Volksballaden und Abschiedsliedern bezeugt. In der Ballade von ›Peter Unverdorben‹ (Erk-Böhme: Deutscher Liederhort I, Nr. 60), die in einer Handschrift des 15. Jahrhunderts aus dem Kloster St. Georgen zu Villingen überliefert ist, spricht der Gefangene vor seiner Hinrichtung:

   Gott gseg'n dich Laub,
   Gott gseg'n dich Gras,
   Gott gsegen alles, das da was!
   Ich muß von hinnen scheiden.
   (Strophe 10)

   Gott gsegn dich Sonn,
   Gott gsegn dich Mond!
   Gott gsegn dich schöns Lieb, wo ich dich han,
   Ich muß mich von dir scheiden.
   (Strophe 12)

Auch in der niederdeutschen Fassung des ›Tannhäuserliedes‹ (Erk-Böhme: Deutscher Liederhort I, Nr. 17c), das auf einem fliegenden Blatt um 1550 Verbreitung fand, steht die bekannte Abschiedsformel von der Welt, als Tannhäuser in den Venusberg zurückkehrt:

   Got gesegen di, Sünne unde Maen,
   Darto mine leven Fründe! (Strophe 24)

Durch die Zusammenfügung der Segensstrophen aus der Ballade ›Peter Unverdorben‹ zu einem selbständigen Lied sind die Verse in Deutschland bis zur Gegenwart in der Erinnerung bewahrt geblieben. Ähnliche Wendungen wie ›das Zeitliche segnen‹ sind: Das Zeitliche verlassen, Den Weg alles Zeitlichen gehen; vgl. französisch (literarisch) ›suivre le chemin de toute chair‹; und Das Zeitliche mit dem Ewigen verwechseln.
   Außerdem kennt die deutsche Sprache für ›Tod‹ und ›Sterben‹ eine Fülle von verhüllenden oder umschreibenden Ausdrücken (Euphemismen). Man vermeidet das Wort ›sterben‹ ursprünglich aus derselben Furcht, aus der man es vermied, den Namen des Toten auszusprechen, außer mit dem Zusatz ›selig‹ (›de mortuis nil nisi bene‹).
   Eine Gliederung des großen sprachlichen Materials ergibt sich bei dem Versuch, die interessante Frage zu beantworten, welche kulturhistorische Vorstellung jeweils hinter den einzelnen Ausdrücken steht. Antike Ausdrücke leben fort in den Wendungen: ›Entschlafen‹, ›Den Geist aufgeben‹, ›Das Feuer der Augen verbleicht (erlischt)‹, ›Die Augen schließen‹, ›Den Lebensfaden abschneiden‹, ›Sein Leben aushauchen‹ (›animam efflare‹) und ›Die Asche ruht‹. Die Euphemismen, die Lessing anführt: ›Er hat gelebt‹, ›Er ist gewesen‹, sind nur in der Art ihrer Rhetorik und Stimmung den antiken Schriftstellern nachgeahmt, aber in der Umgangssprache nicht gebräuchlich (Wilhelm, S. 80). Dichterisch und erst der neuhochdeutschen Sprache zugehörig sind Wendungen wie ›Sein letztes Stündlein hat geschlagen‹ und ›Seine Uhr ist abgelaufen‹. Inwieweit die Totentänze (vgl. auch die Sanduhr in der Hand des Todes auf Dürers Kupferstich ›Ritter, Tod und Teufel‹) einwirkten, wird sich schwer entscheiden lassen.
   Viele der Ausdrücke entstammen der christlichen kirchlichen Sprache. Da die Kirche dem Menschen den ersten und den letzten Gruß gibt und die Trauernden am Grabe mit Trost und Hoffnung zu erfüllen versucht, gehen gerade von ihr viele Euphemismen und bildliche Ausdrücke über Sterben und Totsein aus, wobei die sprachlichen Bilder den jeweiligen theologischen Anschauungen der Zeit entsprechen, in der sie entstanden. Verhältnismäßig früh haben sich Euphemismen in unserer Sprache eingebürgert, die auf scholastischen Anschauungen beruhen. Eine besonders fruchtbare Zeit dafür war die Mystik. Die Wendung ›Jemand ist abgeschieden‹ stammt zweifellos daher, denn sie besagt, daß sich die Trennung zwischen Körper und Seele vollzogen habe. Der Idealzustand, den alle Mystiker erstrebten, war die ›Abgeschiedenheit‹, die sich erst nach dem Tod ganz erfüllen konnte (Wilhelm, S. 75f.).
   Scholastisch-mystische Wendungen wie ›Seine Seele fliegt zum Himmel‹, ›zur Engelschar‹ leben z.T. in der Volkssprache weiter; ›Es spielt mit dem Englein‹ (beim Tode eines Kindes) ›Himmeln‹, ›Einhimmeln‹, ›zum Jesulein schappern‹ (schlesisch); ›der liebe Gott ist bei uns eingekehrt‹ (Schwaben, 18. Jahrhundert). Auf die lateinische Kirchensprache geht zurück der kölnische Ausdruck ›Er ist ripsch‹ (von R.i.p., eine oft auf Grabinschriften zu findende Abkürzung von ›Requiescat in pace‹).
   Verschiedene Wendungen sind aus der Übersetzung des ›Vocare in vitam aeternam (in coelum)‹ u.ä. entstanden, wie ›Gott ruft jemanden in die Ewigkeit‹, ›zu seinen Engeln‹, ›in ein besseres Jenseits‹, ›in die ewige Heimat‹, ›Unter die Engel aufgenommen werden‹, ›Ein Engel sein‹, ›Zum Herrn eingehen‹ und ›Gott hat ihn zu sich genommen‹.
   Im Mittelalter sind die Euphemismen, die die Bibel in großer Zahl aufweist, kaum verwendet worden, sie werden erst durch philologische Bibelstudien und die Einwirkung von Luthers Bibelübersetzung in die deutsche Sprache aufgenommen. Auch die Blüte des evangelischen Kirchenliedes hat dazu beigetragen, daß viele Wendungen aus dem A.T. und N.T. umgangssprachlich geläufig geworden sind. Auf Gen 3, 19 bezieht sich die Wendung ›Zu Staub, zu Erde werden‹. Die Redensart ›In den Himmel eingehen‹ läßt sich wohl auf ›intrare in regnum coelorum‹ zurückführen. ›Den Kampf der Leiden auskämpfen‹, ›Den Geist aufgeben‹ beziehen sich auf die Leidensgeschichte Christi. ›Sein Stündlein ist nahe‹ ist aus Mt 26, 18 genommen: ›tempus meum prope est‹. Die Wendung ›In das Reich seiner Väter‹ oder auch bloß ›zu seinen Vätern versammelt werden‹ findet sich im Buch der Ri 2, 10: »omnisque illa generatio congregata est ad patres suos«; ›Zu seinem Volke versammelt werden‹ steht Gen 25, 8; 49, 29.
   Genannt seien noch: ›In die Grube fahren‹, ›In Abrahams Schoß eingehen‹, ›Den Weg alles Irdischen, allen Fleisches gehen‹.
   In mehreren Redensarten für ›sterben‹ wird auf Petrus als Himmelspförtner angespielt: ›bei Petrussan eis Ausgedinge gegangn‹ (schlesisch); ›de möt bi Petrus ankloppen‹; ›de geiht na Petrussen‹; ›de möt nu ok Petrus de Piep stoppen‹; ›de ward ok Petrus sin Handlanger‹ (mecklenburgisch).
   Die oft phrasenhaften Wendungen in Todesanzeigen, auf Grabmälern und Gedenktafeln stehen z.T. in bewußtem Gegensatz zur Volkssprache. Man sucht sich dabei möglichst gewählt, vornehm und feierlich auszudrücken. Insbesonders die älteren Formeln dieser Art sind uns heute kaum mehr verständlich: ›Das Ableben‹, ›Seine Ableibung erfolgte‹ (18. Jahrhundert), ›Zur großen Armee abberufen werden‹, ›Das Zeitliche mit dem Ewigen verwechseln‹ (häufig im 18. Jahrhundert); ›Im Lande der Vollendung wandeln‹, ›Seinen Lauf vollenden‹, ›In die Gruft steigen‹. Heute noch kann man häufig lesen: ›Er ist für immer von uns gegangen‹, ›Aus unserer Mitte geschieden‹, ›Er ist uns (in eine bessere Welt) vorangegangen‹.
   Eine Reihe älterer und heute völlig vergessener Wendungen für ›sterben‹ hat Johannes Agricola in seiner Sammlung deutscher Sprichwörter (1534) zusammengetragen: ›mit der hawt bezalen‹, ›er ist zum Fuchß worden‹ (mit Bezug auf die unterirdische Wohnung), ›er hat sich verkrochen‹, ›er lest sich nymmer sehen‹, ›er ist auff dem rucken zur kirchen gangen‹, ›es ist vmb eyn böse stund zu thun‹.
   Das Mittelhochdeutsche ist reich an solchen Wendungen; sie sind oft aus der Kriegs- oder Rechtssprache genommen: ›in wârn diu strîtes muoder mit swerten alze wît gesniten‹ (Wolfram, ›Willehalm‹ 52, 6f.); aber auch außer solchen ganzen euphemistischen Sätzen wird ›sterben‹ im Mittelhochdeutschen meist umschrieben: ›den lîp lân, verliesen‹, ›daz leben verliesen‹, ›hinnen varn‹, ›dô schiet er und die sêle sich‹, ›daz du wort nimmer mê gesprichest‹, ›ze suone geben das leben‹, ›ein phant lazen‹, ›dannoch sol er mir sîn leben vür mîn guot ze gelte geben‹ etc.
   Gegenüber den oberschichtlichen Formulierungen kennt die heutige Volkssprache (Umgangssprache und Mundarten) u.a. die folgenden redensartlichen Umschreibungen für ›sterben‹: ›Den letzten Tag sehen‹, ›Den letzten Seufzer tun‹, ›Ein stiller Mann werden‹, ›Mit dem ist's vorbei‹, ›Er hat's Brotessen vergessen‹, ›Er hat's Atemholen vergessen‹ (schlesisch), ›de het sik utlacht‹, ›de het sik up't Uhr leggt‹, ›de hürt den Kuckuck ok nich weder rupen‹ (mecklenburgisch), ›ihm ist die Pfeife ausgegangen‹, ›er hat den Eimer umgestoßen‹, ›sich zur Ruhe begeben‹, ›de slöppt den langen Slap‹, ›de is sin Last los‹, ›seine Rechnung abschließen‹, ›de brukt nix mihr‹, ›die Finger werden gleich lang‹, ›er hat sich fortgemacht‹, ›Er geht den Weg, den schon viele gegangen sind‹, ›Um die Ecke gehen‹, ›he is'n Barg oawer‹, ›ein paar Schuh tiefer steigen‹ (»Jetzt gehts Erden zu! Jetzt steig i a paar Schuh tiefer«, Karl Schönherr, Erde), ›Einen hinaustragen, die Beine voraus‹, ›auf'n Schragn kumma‹ (bairisch), ›Den grasigen Weg gehen‹, ›Der grüne Rasen deckt ihn‹, ›Er hat ein grünes Kleid angezogen‹, ›In die Nüsse gehen‹ (›Hä es ii de Nesse gegange‹), ›Der Welt Lebewohl sagen‹. In Schlesien sagte man: ›Die schwarze Kuh hat ihn getreten‹ ( Kuh), ›die Schuhe drücken ihn nicht mehr‹, schon bei Fischart, Luther, Agricola, Sebastian Franck und Grimmelshausen.
   In einigen Redensarten wird auf den Gedanken der Jenseitsreise angespielt: ›Die große Reise antreten‹, ›Den Reiserock anhaben‹, ›Die Reisegamaschen anhaben‹, ›Die Reisestiefel anziehen‹. Wenn einem Kranken die Füße schwellen, sagt man: ›Er hat schon die Reisestiefel an‹. Auffallend ist der mecklenburgische Ausdruck für einen moribundus: ›De schickt sin Seel ok bald na Kopenhagen‹.
   Vor allem aus der Seemannssprache stammen solche Ausdrücke für ›sterben‹, wie z.B. ›Über Bord gehen‹, ›Die letzte Fahrt antreten‹, ›Absegeln‹, ›Abrudern‹, ›Sich einschiffen‹, ›In den Hafen einlaufen‹. Altertümlicher als diese allgemeinen Bilder sind einige redensartliche Umschreibungen, die an den Gedanken der Seelenüberfahrt erinnern, wie z.B. ›Über die Wupper gehen‹, ›An den Rhein gehen‹. Diese Ausdrücke sind alt; schon Caesarius von Heisterbach (um 1250) bezeichnet in seinen Dialogen (XI, 33) das Sterben mit dieser Wendung. Andererseits ist im Niederländischen ›over de Rijn gevaren zijn‹ ein Ausdruck der erotischen Bildersprache für ein Mädchen, das Geschlechtsverkehr gehabt hat, doch ist der Übergang von einem Tabu-Bereich in den anderen durchaus denkbar.
   Aus der alemannischen Redensart ›in die Holzbirnen gehen‹, sterben, will Rochholz auf den Wald als Aufenthaltsort des Todes schließen; doch werden die Holzbirnen lediglich auf den frostigen Spätherbst hinweisen, eine kritische Zeit für die Greise, auf die bereits im ›Renner‹ (V. 24344) des Hugo von Trimberg hingewiesen wird:

   seht als müzzen wir von hinnen alle
   scheiden nach der birn valle.

Die Strelitzer Redensart ›De is up Nobelskrog (Nowerskrog), sett Kegel up‹ bezieht sich auf den Nobiskrug, das sagenhafte Totenwirtshaus.
   Eine Reihe von Redensarten bezieht sich auf ältere Totenbräuche: ›Et gäit met em bald tor Niendür herut‹ sagt man in Westfalen von einem Todeskandidaten, weil der Sarg stets zur Niendür hinausgetragen wird. An die ›Doodenkringel‹, die es beim Leichenschmaus gab, erinnert noch die Redensart ›De günnt uns woll'n Kringel‹. Früher wurden die Toten auf Stroh aufgebahrt. Die Erinnerung an diesen Brauch lebt noch in rheinischen Redensarten wie ›et laid Schoof‹, ›op et Schoof läute‹ (= das Glockenzeichen, das von einem Todesfall Kenntnis gibt). In Hessen sagt man von einem Sterbenden: ›Der läuft auch auf de Kirchhofschlappe‹. Die Redensart bezieht sich vielleicht auf die besonderen Totenschuhe, die dem Toten mitgegeben wurden. Die bairischen Wendungen ›Brettl rutschen‹, ›aufs Brett kommen‹, sterben, spielen an auf die alte, sarglose Begräbnisart, wobei die Leiche auf dem Totenbrett zum Grab getragen und vom Brett hinuntergelassen wurde. Auch das Wort Sarg bleibt in den Redensarten unausgesprochen, obwohl er der Sache nach zu zahlreichen redensartlichen Paraphrasen des Sterbens gehört, z.B. ›Nach Holzhausen kommen‹, ›Sich den Holzrock machen lassen‹, ›Er hat einen hölzernen Rock angezogen‹, ›Er riecht nach Tannenholz‹ (Mainz), schwäbisch: ›er dannelet scho‹ (im Gedanken an die Tannenbretter des Sarges).
   Vielfach spielen die Redensarten auf den Kirchhof an. Der Verstorbene ›Muß dem Pfarrer die Hühner hüten‹, ›er ist dem Mesner sei Hennehirt‹ (schwäbisch; der Mesner als Anwohner des Kirchhofes). ›Willst du St. Michaels Hennen hüten?‹ sagt man zu einem Kind, das sich leichtsinnig in Lebensgefahr begibt. ›He mutt na Kösters Kamp‹ (Schleswig). Meist wird der Friedhof irgendwie umschrieben, besonders durch die Richtung seiner Lage, oder der traditionelle Weg des Leichenzuges bildet den Grundstoff zu lokal verschiedenen, aber strukturell gleichen Redensarten, in denen oft nur der Name ausgewechselt wird: ›nach Melaten tragen‹ (Köln), ›Auf den Schellenberg kommen‹ (Erbach/Ehingen), ›do geht's bald de Herschbrunn nuff‹ (Künzelsau), ›mit dem goht's de Krommschenkel na‹ (Tübingen), ›uff dr Pitterschwäldr Seite lieja‹ (schlesisch, der Friedhof liegt in Richtung Peterswalde), ›dai giit hurdich am Hänjer vorbei‹ (am Hansjörg vorbei; Ulfa/Wetterau), ›er muß in die Pappelallee‹ (sächsisch), ›Unter der Trauerweide liegen‹, ›de is bi'n leiwen Gott in'n Ellerbrock‹ (mecklenburgisch), ›de kümmt achter'n Tun‹, ›achter de Muer‹, ›na de lang Reihg‹ (mecklenburgisch), ›er muß nach Philippsgrün‹ (Pommern; der Teufel stellt sich als ›Jan Kräuger aus Philippsgrün‹ vor). In Stuttgart kannte man beispielsweise die Redensart ›Er sitzt auf dem Törle‹, weil sich über dem Neuen Tor seit dem Jahr 1547 ein Gemach befand, in welches zum Tod verdammte Verbrecher nach der Urteilssprechung gebracht wurden; gleichbedeutend wurde mit Hilfe einer Flurbezeichnung gesagt: ›Mit dem geht's bald dem Krauchen zu‹. In Augsburg ging es entsprechend zum ›Hennadone‹, anscheinend nach einem viele Hühner haltenden Friedhofsküster namens Anton. In München geht's ›zum St. Steffej‹.
   Im Gegensatz zu all diesen umschreibenden Wendungen stehen einige Ausdrücke, die keine Milderung, sondern eine drastische Realistik zeigen, die sich bis zur Frivolität steigern kann. Sie sind nicht Zeichen einer Gemütsroheit, sondern der kräftige Ausdruck enthält sozusagen eine Gegenkraft zu dem Begriffsinhalt ›sterben‹. Auch hier wird das Wort selbst vermieden, aber durch naturalistische Derbheit übertrumpft oder durch Humor bewältigt. Hierher gehören die Wendungen ›Abflattern‹, ›Abzwitschern‹, ›Abschnappen‹, ›Abkratzen‹, ›Verrecken‹, ›Krepieren‹, ›Hops gehen‹, ›Flöten gehen‹, ›Vor die Hunde gehen‹, ›abnibbeln‹ (sächsisch), ›aufamseln‹ (schwäbisch), ›de is afschrammt, afschurrt‹, ›de het sik dorvon afmakt‹ (mecklenburgisch) ›jetzt hat er a ausgschnauft‹, ›Es hat ihn verschnellt‹ (studentensprachlich in den zwanziger Jahren), ›s macht Feirobd mid m‹, ›Er hat sich den Rest geholt‹, ›Er hat die Hosen heruntergemacht‹, ›nen Deckel auf die Nas kriegen‹ (rheinisch), ›den halt de Deuwel ok uppe Schinnerkarr‹, ›Eine Schaufel Erde auf den Kopf bekommen‹, ›Erde kauen‹, ›Sand äten‹, ›Unter die Mehlwürmer gehen‹, ›den hebben se henbröcht, wo de Mullworms em uppe Näs danzen‹, ›de kümmt na Madnhof‹, ›sich die Radieschen von unten bekieken‹ (berlinerisch), ›de is de Juden los‹, ›Dem tut der Kopf nicht mehr weh‹, ›Ihm tut kein Zahn mehr weh‹, ›er hat's letzte Brötche gefresse‹, ›Die Augen auf Null gestellt‹, ›Den letzten Dreck geschissen‹, ›Den letzten Kringel gekackt‹, ›de het sin mihrsten Gesäng sungen‹, ›Jetzt hat der Arsch Feierabend‹, ›Den Arsch zukneifen‹, ›Dem ist der Arsch zugschnappt‹, ›Er hat einen kalten Arsch‹ ›jetzt schlägt ma ihm d'Schaufel aufs Loch‹. Eine ganze Reihe dieser schnodderigen Redensarten stammt aus der Soldatensprache; ihr grimmiger Humor ist gerade in dieser Sphäre psychologisch leicht erklärbar aus dem Bestreben, sich in widrigen Lagen nichts anmerken zu lassen. Hierzu gehört auch: ›ins Gras beißen‹ (to bite the dust), ›auf die Verlustliste kommen‹, ›Grüß mir meine Witwe!‹ (vor einem gefährlichen Unternehmen), ›sich beim alten Fritzen im großen Hauptquartier melden‹, ›sich von der Verpflegung abmelden‹.
   Vergleiche ferner: ›zur großen Armee abberufen werden‹ ( Armee), ›Das Fell versaufen‹ ( Fell), ›Daran glauben müssen‹ ( glauben), ›Sich im Grab umdrehen‹ ( Grab), ›Freund Hein‹ ( Hein), ›In die ewigen Jagdgründe eingehen‹ ( Jagd), ›Die schwarze Kuh hat ihn getreten‹ ( Kuh), ›Einen auf die Lampe gießen‹ ( Lampe), ›Das Leben kosten‹ ( Leben), ›Das Lebenslicht ausblasen‹ ( Lebenslicht), ›Den Löffel aufstecken (wegwerfen)‹ ( Löffel), ›Matthäi am letzten‹ ( Matthäus), ›Mit des Seilers Tochter Hochzeit machen‹ ( Seiler); Seele, Tod.
   Von den vielen französischen Umschreibungen seien nur die folgenden erwähnt: ›rendre l'âme‹ (die Seele aushauchen); ›fermer les yeux‹ (die Augen schließen); ›Sa cendre repose‹ (seine Asche ruht); ›Son heure a sonné‹ (seine Stunde hat geschlagen); ›Son âme est (montée) au ciel‹ (seine Seele ist im Himmel bzw. zum Himmel aufgefahren); ›Il a été appelé à l'éternité‹ (Er ist zur Ewigkeit gerufen worden); ›Dieu l'a rappelé à lui‹ (Gott hat ihn zu sich gerufen); ›Dieu l'a rappelé au séjour éternel‹ (Gott hat ihn zum ewigen Aufenthalt gerufen); ›Dieu l'a rappelé dans son paradis‹ (Gott hat ihn in sein Paradies aufgenommen); ›envoyer ad patres‹ (zu seinen Vätern schicken); ›entrer dans le sein d'Abraham‹ (in Abrahams Schoß eingehen); ›Il nous a quitté pour l'éternité‹ (Er hat uns für die Ewigkeit verlassen); ›dire adieu au monde‹ (der Welt Lebewohl sagen).

• N. BECKMANN: Über gewisse geringer oder schwächer gemachte Ausdrücke und Vorstellungen im gemeinen Leben, in: Deutsches Museum 2
(1783), S. 519ff.; J. GRIMM: Deutsche Mythologie, Nachdruck der 4. Ausgabe (Tübingen 1953), II, 700-713; E.L. ROCHHOLZ: Deutscher Unsterblichkeitsglaube (Berlin 1867), S. 140-143; FRISCHBIER: Nach Nobiskrug reisen = sterben, in: Preußisches Wörterbuch 2 (1883), S. 101; R. WOSSIDLO: Der Tod im Munde des mecklenburgischen Volkes, in: Zeitschrift für Volkskunde 4 (1894), S. 184-195; F. WILHELM: Die Euphemismen ... über Sterben und Totsein, in: Alemannia 27 (1900), S. 73ff.; R. NEUBAUER: »Er ist zur großen Armee abgegangen«, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 14 (1904), S. 313-316; J. FORD: To bite the dust and synbolic lay communion, in: Publications of the Modern Language Association of America 20 (1905), S. 197-230; H. SCHULZ: Frühneuhochdeutsche Euphemismen (Diss. Straßburg 1908); H. HÖHN: Sitte und Brauch bei Tod und Begräbnis (Mitteilungen über volkstümliche Überlieferungen in Württemberg, Nr. 7) (Stuttgart 1913), S. 326; F. SEILER: Deutsche Sprichwortkunde (München 1922), S. 171 und S. 409-413; E. BENSLEY: To go the way of all Flesh, in: American Notes and Queries 12, 12 (1923); K. ROTHER: Die schlesischen Sprichwörter und Redensarten (Breslau 1928), S. 117-123; L. POUND: American Euphemisms for Dying, Death and Burial, in: American Speech 11 (1936), S. 190-202; repr. in: Dies.: Nebrasca Folklore: Selected Writings of Louise Pound (Lincoln 1959), S. 139-147; Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VIII, Spalte 439f.; M.B. OGLE: The way of all flesh, in: Harvard Theological Review (1938), S. 41-51; A. SCHMIDT: He es rips gohn, in: Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 55 (1942), S. 116; ANONYM: Karel es naar Meskoé (gestorben), in: Biekorf 47 (1946), S. 81; F. DORNSEIFF: Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen (Berlin 4. Auflage 1954), S. 147ff.; D. NARR: Zum Euphemismus in der Volkssprache. Redensarten und Wendungen um ›tot‹, ›Tod‹ und ›sterben‹, -in: Württembergisches Jahrbuch für Volkskunde 2 (1956), S. 112-119; C.T. ONIONS: Die and Live, in: Review of English Studies 7 (1956), S. 174-176; G. CROSS: The way of all flesh, in: American Notes and Queries 203 (1958), S. 257; L. RÖHRICH: Gebärde – Metapher – Parodie (Düsseldorf 1967), S. 43ff.; H.L. COX: Die Bezeichnung des Sarges im Kontinental-Westgermanischen. Eine wortgeographisch-volkskundliche Untersuchung (Atlas der Deutschen Volkskunde, NF., Beiheft 2) (Marburg 1967); M. WILLBERG: Es geht ums Sterben. Eine Wortbetrachtung, in: Muttersprache78 (1968), S. 44-50; W. FUCHS: Todesbilder in der modernen Gesellschaft (Frankfurt/M. 1969); Y. RUDOLPH: Grabinschriften (Staatsexamensarbeit Freiburg 1972); P. LÖFFLER: Studien zum Totenbrauchtum (Münster 1975); S. BAUM: Plötzlich und unerwartet. Todesanzeigen (Düsseldorf 1980); M. VOVELLE: La Mort et l'Occident. De 1300à nos jours (Paris 1983); E. OINAS: To bite the dust, in: Proverbium 1 (1984), S. 191-194; S. METGEN (Hrsg.): Die letzte Reise. Sterben, Tod und Trauersitten in Oberbayern. Katalog zur Ausstellung des Münchener Stadtmuseums (München 1984); Vom Kirchhof zum Friedhof: Wandlungsprozesse zwischen 1750 und 1850 (Kassel 1984).
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