Redensarten Lexikon
Wurst
Wurst wider Wurst!: Gleiches mit Gleichem vergelten. Der Realbereich der Redensart ist die Sitte, sich beim Schweineschlachten gegenseitig mit Wurst oder Fleisch zu beschenken. Schon Erasmus Alberus führt 1540 in seinem ›Dictionarium‹ die Redensart auf diesen Brauch zurück: »sicut fecerunt mihi, sic feci eis, würst vmb wieder würst dicunt nostrates enim vincini tempore, quo mactantus sues, farcimina invicem mittere. Si quis primus mactarit, vicino nihil mittit, si postea a vicino mactante nihil mittitur«. In einem Volkslied aus dem Dreißigjährigen Krieg (1631, bei F.W.v. Ditfurth, Historische Volkslieder [1882], Nr. 86) heißt es:
Gleich wie wir sie vor kauzten (prügelten),
Wenn sie uns jetzt auch dauzten (schmähten),
Das wäre Wurst um Wurst.
Der Redensart stehen zahlreiche Sprichwörter zur Seite, die ebenfalls eine solche Gegenseitigkeit ausdrücken: ›Wie du mir, so ich dir‹ (vgl. Spr 24, 29); ›Brätst du mir eine Wurst, so lösche ich dir den Durst‹ (Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ Kapitel 81); ›Ein Eisen macht das andere scharf‹; ›Eine Hand wäscht die andere‹.
Mit der Wurst nach der Speckseite werfen: mit Kleinem Großes erreichen wollen; durch ein kleines Geschenk ein größeres, durch eine kleine Gefälligkeit einen großen Vorteil zu erhalten suchen. Schon der römische Dichter Martial sagt: »Quisquis magna dedit, voluit sibi magna remitti« (= Wer Großes schenkte, wollte, daß ihm Großes wieder geschenkt würde).
Das heute noch gebräuchliche Bild unserer Redensart ist schon mittelhochdeutsch bei Konrad von Würzburg bezeugt, und zwar noch in durchaus wörtlicher Anwendung:
Wer wâget, der gewinnet vil:
wirf die wurst an bachen (Schinken),
vil lîht so wirt er krachen,
daz in diu wurst erschellet (klingen macht)
und daz er mit ir vellet.
1529 findet sich bei Johannes Agricola das Sprichwort, ›Schenken heißt angeln‹ mit der Erklärung: »Wer einem andern etwas schenket, der wirft ihn mit einer Bratwurst um ein Seiten Speck. Man schenkt gar selten aus lauter Lieb, ohn ein Schalksaug, sondern man handelt, angelt, jagt und fischt mit den Gaben, daß man mehr sehe und mit Gewinn wieder nehme ... Man schickt keinem keine Wurst, man verhoffe dann, er werde auch ein Sau schlachten und des Sprichworts gedenken: Wurst wider Wurst, Korn umb Salz!« 1649 bei Gerlingius (Nr. 233): »Tribus minis insumptis duodecim imputat. Er wirfft wurst nach einer Seiten speck«. Jeremias Gotthelf sagt 1837 im ›Bauernspiegel‹ von einem pfiffigen Bauern: »Er wußte wie keiner Würste nach Speckseiten zu werfen, und selten mißlang ihm ein Wurf«; kurz darauf: »Das war auch so eine Wurst, die er nach der Speckseite bengelte«. Auch im Niederdeutschen, z.B. bei Fritz Reuter: »He smitt mit de Wust na'n Schinken«; sogar gereimt: »He smitt mit de Pink (kleinen Wurst) na de Schink«. Schwäbisch ›die Wurst nach einer Blunze (›Speckseite‹) werfen‹; ⇨ Speck.
Heute wird diese Redensart meist mit umgekehrter Bedeutung gebraucht, wobei auch noch die Wurst als das Wertvollere gesehen wird: ›Das heißt ja mit der Wurst nach der Speckseite werfen‹: einen Verlust durch erhöhten Einsatz wiederzugewinnen suchen, wobei am Ende alles verloren ist.
Er will immer eine besondere Wurst (oder eine Extrawurst) gebraten haben: er beansprucht eine besondere, ihn bevorzugende Behandlung. Ähnlich schon bei Abraham a Sancta Clara (›Lauber-Hütt‹ I, 314): »Man bratet keinem eine Wurst, man macht keinem etwas besonders«.
Es geht um die Wurst: es geht um die Entscheidung. Die Redensart leitet sich wahrscheinlich von volkstümlichen Wettkämpfen her, bei denen der Sieger eine Wurst erhielt oder, wie beim Wurstklettern, Wurstschnappen, Wurstangeln usw., sich eine Wurst erringen mußte (1881 für Leipzig belegt).
Vom Dorfschullehrer, der bei keiner Festlichkeit fehlte, wo er sich einmal sattessen konnte, hieß es im Spottlied:
Die größte Wurst ist immer sein,
Dem armen Dorfschulmeisterlein.
Das kannst du in die Wurst hacken: das taugt nichts.
Schwäbisch ›jemandem eine hölzerne Wurst aufs Kraut legen‹, ihn prügeln.
Das ist mir Wurs(ch)t: das ist mir gleichgültig; die Redensart ist wohl nicht als verkürzte Form aus der Wendung ›Das ist Wurst wie Schale‹ entstanden (vgl. ›Jacke wie Hose‹); vielleicht ist nur an die Gleichartigkeit gedacht, die sich bei der Wurst an beiden Enden zeigt (vgl. die Sprichwort-Parodie: ›Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei‹). Es ist gleichgültig, an welchem Ende die Wurst angeschnitten wird. Möglicherweise ist auch an Wurst als Werktagsessen in geringschätzigem Sinne gedacht, im Gegensatz zum Sonntagsbraten. Bismarck schrieb am 22. Dezember 1853 seiner Schwester vom Frankfurter Bundestag: »Ich gewöhne mich daran im Gefühle gähnender Unschuld alle Symptome von Kälte zu ertragen und die Stimmung gänzlicher Wurschtigkeit in mir vorherrschend werden zu lassen ...« M. Busch (›Graf Bismarck und seine Leute‹ [Leipzig 1878], I, 255) berichtet unter dem 21. Jan. 1871 bei Gelegenheit einer Erörterung über die Titulaturen ›deutscher Kaiser‹, ›Kaiser von Deutschland‹, ›Kaiser der Deutschen‹: »Als ein Weilchen darüber verhandelt worden war, fragte der Chef, der bisher zu der Debatte geschwiegen: Weiß einer der Herren, was auf lateinisch ›Wurscht‹ heißt? ›Farcimentum‹ erwiderte Abeken. -›Farcimen‹, sagte ich. – Chef, lächelnd: ›Farcimentum‹ oder ›farcimen‹, einerlei: Nescio quid mihi magis farcimentum esset, d.h. ich weiß nicht, was mir mehr Wurst wäre« (Büchmann). Vergleiche französisch ›Je m'en fiche ...‹ oder ›Je m'en fous (comme de l'an quarante)‹ (wörtlich: Es ist mir so egal wie das Jahr vierzig).
In der Gegenwart findet sich die Redensart auch pleonastisch verstärkt: ›Das ist mir piepwurst‹ oder ›Das ist mir wurstepiep‹ und ›Das ist mir schnurzwurstpiepe‹, ›Wurstegal‹, ⇨ Pfeife.
Die gekränkte Leberwurst spielen ⇨ Leber.
• ANONYM: Men werpe eenen Schelvis uit, om eenen Kabeljaauw te vangen (Die Wurst nach der Speckseite werfen), in: Allgemeene Konst- en Letterkunde (1816), S. 409-410; R. SPREYER: Mit der Wurst nach der Speckseite werfen, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 7 (1893), S. 143; O. GLÖDE: Mit der Wurst nach dem Schinken werfen, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 7 (1893), S. 633; O. BEHAGEL: Das ist mir wurst, das ist mir pipe, in: Zeitschrift für deutsche Wortforschung 1 (1900), S. 279-280; O.D. POTTHOFF: Illustrierte Geschichte des deutschen Fleischerhandwerks vom 12. Jahrhundert bis zur Gegenwart (Berlin 1927); R. WISSELL: Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit (Berlin 1929), S. 584; F. ECKSTEIN: Artikel ›Wurst‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens IX, Spalte 865-874; E. JOHANN: Das Jahr des Metzgers. Der Lissnerschen Wurstologia anderer Band (Frankfurt/M. 1957).
Jemand mit einer Wurst fangen. Karikatur von Haitzinger, vom 7.II.83. Aus: DER SPIEGEL, Nr. 7, 1983.
Mit der Wurst nach der Speckseite werfen. Illustration von Gert Köppe, Neumünster, zu: Hans-Heinrich Rottgardt: Läver'n Dickkopp as'n Dööskopp, Neumünster 31979, S. 59.
Er will eine Extrawurst gebraten haben. Politische Karikatur von Chris. Aus: DIE ZEIT, Nr. 45, vom 30. Oktober 1981.
Es geht um die Wurst. Lithographie von 1848: ›Die größte Wurst ist immer sein, dem armen Dorfschulmeisterlein‹, aus: Ernst Johann: Das Jahr
des Metzgers. Der Lissnerschen Wurstologia anderer Band, Frankfurt 1957.
Es geht um die Wurst. Karikatur von Haitzinger, vom 22.X.82. Aus: DER SPIEGEL, Nr. 49, 1982.
Gleich wie wir sie vor kauzten (prügelten),
Wenn sie uns jetzt auch dauzten (schmähten),
Das wäre Wurst um Wurst.
Der Redensart stehen zahlreiche Sprichwörter zur Seite, die ebenfalls eine solche Gegenseitigkeit ausdrücken: ›Wie du mir, so ich dir‹ (vgl. Spr 24, 29); ›Brätst du mir eine Wurst, so lösche ich dir den Durst‹ (Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ Kapitel 81); ›Ein Eisen macht das andere scharf‹; ›Eine Hand wäscht die andere‹.
Mit der Wurst nach der Speckseite werfen: mit Kleinem Großes erreichen wollen; durch ein kleines Geschenk ein größeres, durch eine kleine Gefälligkeit einen großen Vorteil zu erhalten suchen. Schon der römische Dichter Martial sagt: »Quisquis magna dedit, voluit sibi magna remitti« (= Wer Großes schenkte, wollte, daß ihm Großes wieder geschenkt würde).
Das heute noch gebräuchliche Bild unserer Redensart ist schon mittelhochdeutsch bei Konrad von Würzburg bezeugt, und zwar noch in durchaus wörtlicher Anwendung:
Wer wâget, der gewinnet vil:
wirf die wurst an bachen (Schinken),
vil lîht so wirt er krachen,
daz in diu wurst erschellet (klingen macht)
und daz er mit ir vellet.
1529 findet sich bei Johannes Agricola das Sprichwort, ›Schenken heißt angeln‹ mit der Erklärung: »Wer einem andern etwas schenket, der wirft ihn mit einer Bratwurst um ein Seiten Speck. Man schenkt gar selten aus lauter Lieb, ohn ein Schalksaug, sondern man handelt, angelt, jagt und fischt mit den Gaben, daß man mehr sehe und mit Gewinn wieder nehme ... Man schickt keinem keine Wurst, man verhoffe dann, er werde auch ein Sau schlachten und des Sprichworts gedenken: Wurst wider Wurst, Korn umb Salz!« 1649 bei Gerlingius (Nr. 233): »Tribus minis insumptis duodecim imputat. Er wirfft wurst nach einer Seiten speck«. Jeremias Gotthelf sagt 1837 im ›Bauernspiegel‹ von einem pfiffigen Bauern: »Er wußte wie keiner Würste nach Speckseiten zu werfen, und selten mißlang ihm ein Wurf«; kurz darauf: »Das war auch so eine Wurst, die er nach der Speckseite bengelte«. Auch im Niederdeutschen, z.B. bei Fritz Reuter: »He smitt mit de Wust na'n Schinken«; sogar gereimt: »He smitt mit de Pink (kleinen Wurst) na de Schink«. Schwäbisch ›die Wurst nach einer Blunze (›Speckseite‹) werfen‹; ⇨ Speck.
Heute wird diese Redensart meist mit umgekehrter Bedeutung gebraucht, wobei auch noch die Wurst als das Wertvollere gesehen wird: ›Das heißt ja mit der Wurst nach der Speckseite werfen‹: einen Verlust durch erhöhten Einsatz wiederzugewinnen suchen, wobei am Ende alles verloren ist.
Er will immer eine besondere Wurst (oder eine Extrawurst) gebraten haben: er beansprucht eine besondere, ihn bevorzugende Behandlung. Ähnlich schon bei Abraham a Sancta Clara (›Lauber-Hütt‹ I, 314): »Man bratet keinem eine Wurst, man macht keinem etwas besonders«.
Es geht um die Wurst: es geht um die Entscheidung. Die Redensart leitet sich wahrscheinlich von volkstümlichen Wettkämpfen her, bei denen der Sieger eine Wurst erhielt oder, wie beim Wurstklettern, Wurstschnappen, Wurstangeln usw., sich eine Wurst erringen mußte (1881 für Leipzig belegt).
Vom Dorfschullehrer, der bei keiner Festlichkeit fehlte, wo er sich einmal sattessen konnte, hieß es im Spottlied:
Die größte Wurst ist immer sein,
Dem armen Dorfschulmeisterlein.
Das kannst du in die Wurst hacken: das taugt nichts.
Schwäbisch ›jemandem eine hölzerne Wurst aufs Kraut legen‹, ihn prügeln.
Das ist mir Wurs(ch)t: das ist mir gleichgültig; die Redensart ist wohl nicht als verkürzte Form aus der Wendung ›Das ist Wurst wie Schale‹ entstanden (vgl. ›Jacke wie Hose‹); vielleicht ist nur an die Gleichartigkeit gedacht, die sich bei der Wurst an beiden Enden zeigt (vgl. die Sprichwort-Parodie: ›Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei‹). Es ist gleichgültig, an welchem Ende die Wurst angeschnitten wird. Möglicherweise ist auch an Wurst als Werktagsessen in geringschätzigem Sinne gedacht, im Gegensatz zum Sonntagsbraten. Bismarck schrieb am 22. Dezember 1853 seiner Schwester vom Frankfurter Bundestag: »Ich gewöhne mich daran im Gefühle gähnender Unschuld alle Symptome von Kälte zu ertragen und die Stimmung gänzlicher Wurschtigkeit in mir vorherrschend werden zu lassen ...« M. Busch (›Graf Bismarck und seine Leute‹ [Leipzig 1878], I, 255) berichtet unter dem 21. Jan. 1871 bei Gelegenheit einer Erörterung über die Titulaturen ›deutscher Kaiser‹, ›Kaiser von Deutschland‹, ›Kaiser der Deutschen‹: »Als ein Weilchen darüber verhandelt worden war, fragte der Chef, der bisher zu der Debatte geschwiegen: Weiß einer der Herren, was auf lateinisch ›Wurscht‹ heißt? ›Farcimentum‹ erwiderte Abeken. -›Farcimen‹, sagte ich. – Chef, lächelnd: ›Farcimentum‹ oder ›farcimen‹, einerlei: Nescio quid mihi magis farcimentum esset, d.h. ich weiß nicht, was mir mehr Wurst wäre« (Büchmann). Vergleiche französisch ›Je m'en fiche ...‹ oder ›Je m'en fous (comme de l'an quarante)‹ (wörtlich: Es ist mir so egal wie das Jahr vierzig).
In der Gegenwart findet sich die Redensart auch pleonastisch verstärkt: ›Das ist mir piepwurst‹ oder ›Das ist mir wurstepiep‹ und ›Das ist mir schnurzwurstpiepe‹, ›Wurstegal‹, ⇨ Pfeife.
Die gekränkte Leberwurst spielen ⇨ Leber.
• ANONYM: Men werpe eenen Schelvis uit, om eenen Kabeljaauw te vangen (Die Wurst nach der Speckseite werfen), in: Allgemeene Konst- en Letterkunde (1816), S. 409-410; R. SPREYER: Mit der Wurst nach der Speckseite werfen, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 7 (1893), S. 143; O. GLÖDE: Mit der Wurst nach dem Schinken werfen, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 7 (1893), S. 633; O. BEHAGEL: Das ist mir wurst, das ist mir pipe, in: Zeitschrift für deutsche Wortforschung 1 (1900), S. 279-280; O.D. POTTHOFF: Illustrierte Geschichte des deutschen Fleischerhandwerks vom 12. Jahrhundert bis zur Gegenwart (Berlin 1927); R. WISSELL: Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit (Berlin 1929), S. 584; F. ECKSTEIN: Artikel ›Wurst‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens IX, Spalte 865-874; E. JOHANN: Das Jahr des Metzgers. Der Lissnerschen Wurstologia anderer Band (Frankfurt/M. 1957).
Jemand mit einer Wurst fangen. Karikatur von Haitzinger, vom 7.II.83. Aus: DER SPIEGEL, Nr. 7, 1983.
Mit der Wurst nach der Speckseite werfen. Illustration von Gert Köppe, Neumünster, zu: Hans-Heinrich Rottgardt: Läver'n Dickkopp as'n Dööskopp, Neumünster 31979, S. 59.
Er will eine Extrawurst gebraten haben. Politische Karikatur von Chris. Aus: DIE ZEIT, Nr. 45, vom 30. Oktober 1981.
Es geht um die Wurst. Lithographie von 1848: ›Die größte Wurst ist immer sein, dem armen Dorfschulmeisterlein‹, aus: Ernst Johann: Das Jahr
des Metzgers. Der Lissnerschen Wurstologia anderer Band, Frankfurt 1957.
Es geht um die Wurst. Karikatur von Haitzinger, vom 22.X.82. Aus: DER SPIEGEL, Nr. 49, 1982.