Redensarten Lexikon
Wolke
Wie aus den (allen) Wolken gefallen sein: Höchst überrascht sein, ernüchtert werden, einer Sache verständnislos gegenüberstehen, als wäre man eben aus einer anderen Welt in diese ›hereingeschneit‹, wie auch 1793 Hippel im Roman ›Kreuz- und Querzüge des Ritters A- bis Z–‹ (Bd. I, S. 128) sagt: »Dies brachte ihn aus den Wolken auf die Erde«.    Die Redensart ist seit dem 18. Jahrhundert häufig bezeugt. Goethe (Weimarer Ausgabe I, 51, 67): »Und wenn sie nun gar wieder allein war, und aus den Wolken, in denen seine Leidenschaft sie emportrug, herab in die Erkenntnis ihres Zustandes fiel, dann war sie zu bedauern«. Auch im Französischen ist in gleichem Sinne üblich: ›tomber des nues‹.
   Zum gleichen Bildbereich gehören: Auf Wolken schreiten: in einem Zustand der freudigen Entrücktheit sich befinden; In den (über) Wolken leben (schweben): entrückt, weltfremd, zerstreut sein. Diese Redensart wurde zuerst aber als Bild der Überheblichkeit gebraucht; Sebastian Franck sagt 1511 in seinen ›Sprichwörtern‹ (2, 163b): »Die hochtrabenden gelerten ... schweben in wolcken«. Vergleiche französisch ›vivre dans les nuages‹. Ähnlich: In einem Wolkenkuckucksheim leben: phantastische, völlig welt- und wirklichkeitsfremde Vorstellungen haben. ›Wolkenkuckucksheim‹ ist der Name des in den ›Vögeln‹ von Aristophanes gegründeten Vogelstaates in den Lüften (›nepelokokkygia‹). Das deutsche Wort findet sich erstmals 1814 bei Schopenhauer (Sämtl. Werke, herausgegeben von Deussen und Hochstetter, Bd. XI, S. 153). Andere Übersetzer sprachen von ›Wolkengukguksburg‹ (Wieland 1805), ›Kukukswolkenheim‹ (Voss 1821).
   Die Vorstellung, daß Engel und Selige auf Wolken sitzen und Gottes Herrlichkeit preisen, wurde parodiert in Ludwig Thomas ›Ein Münchner im Himmel‹.
   Von keinem Wölkchen getrübt sein: ganz heiter sein, gut abgelaufen; vgl. das Lied von Reinhard Mey:

   Über den Wolken
   muß die Freiheit
   wohl grenzenlos sein.

Dagegen: Dunkle Wolken ziehen herauf: Gefahr, Krieg, Not und Trübsal deuten sich an. Im deutschen Volkslied wird dieses sprachliche Bild ebenfalls verwendet mit dem ursprünglichen Bezug auf das Scheiden der Liebenden, das Kummer bringen muß:

   Es geht ein dunkle Wolken 'rein,
   mich deuchts, es werd ein Regen sein,
   ein Regen aus den Wolken,
   wol in das grüne Gras.
   (Erk-Böhme: Deutscher Liederhort II, Nr. 769b: ›Dunkle Wolken‹, 1646).

Für jemanden ein bißchen Wolken schieben: auf gutes Wetter hoffen, es ihm wünschen.
   ›Es heitert (klärt sich) auf zum Wolkenbruch‹ sagt man bei einer Schlechtwetterperiode, wenn es den Anschein hat, daß das Wetter sich noch verschlimmert.
   Das ist eine Wolke: das ist toll, großartig, geht auf die berlinerische Redensart ›Det is 'ne Wolke‹ als Ausdruck für Bewunderung und Anerkennung zurück.

• F.E. HIRSCH: ›Aristophanische‹ Wortfügungen in der Sprache des 19. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für deutsche Wortforschung 12 (1910), S. 241-248; V. STEGEMANN: Artikel ›Wolke‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens IX, Spalte 803-814; K. BADT: Wolkenbilder und Wolkengedichte der Romantik (Berlin 1960).}

In einem Wolkenkuckucksheim leben. Politische Karikatur von Hanel. Aus: DER SPIEGEL, vom 23. April 1984.
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