Redensarten Lexikon
wissen
Das wissen die Götter!: das ist völlig ungewiß, das liegt noch im Dunkel der Zukunft, das kann niemand voraussagen. Der gebräuchliche Ausruf geht auf Homers ›Ilias‹ (XVII, 514) zurück: Das liegt [ruht] im Schoße der Götter. Heinrich v. Kleist hat den Ausdruck ähnlich im ›Prinz Friedrich von Homburg‹ (I, 1) wiederverwendet: »Das mögen die gerechten Götter wissen«. Vergleiche französisch ›Dieu seul le sait‹ (Gott allein weiß es). Umgangssprachlich hört man häufig dafür auch: Weiß Gott!; vgl. französisch ›Dieu le sait‹ oder ›Dieu sait si.‹ (Gott weiß es, bzw. Gott weiß, ob.); Weiß der Himmel!, aber auch: Weiß der Teufel (Kuckuck, Henker)!    Das weiß doch alle Welt!: das ist kein Geheimnis, das ist allgemein bekannt. Derjenige, dem eine altbekannte Tatsache mitgeteilt wird, der von einem Jüngeren belehrt werden soll, sagt scherzhaft oder abweisend: Das habe ich gewußt, ehe an dich gedacht worden ist oder Das habe ich seit Menschengedenken gewußt; Das habe ich schon gewußt, als du noch die ersten Hosen trugst. Vergleiche lateinisch ›Hoc noveram, priusquam Theognis natus est‹. Luther gebraucht die Wendung in seinen ›Tischreden‹ (302b): »Das wußte er schon, eh' er auf den Strohwisch gethan hat«. Mundartlich heißt es in Hamburg: ›Dat heff ik all wêten, as min Scho nog drê Sösling kosten‹, das wußte ich schon als kleines Kind, als ich noch billige Schuhe tragen konnte.
   Selbst am besten wissen, wo einen der Schuh drückt: seine eigenen Probleme am besten beurteilen können. Die Redensart erscheint auch in negativer Form als: Nicht wissen können, wo einen anderen der Schuh drückt. Sie beruht auf einer Erzählung Plutarchs; Schuh.
   Wer sich nicht von seiner vorgefaßten Meinung abbringen lassen möchte, sagt: Ich weiß, was ich weiß! In Norddeutschland hört man dazu noch den scherzhaften Zusatz: ›kalte Erbsen sind nicht heiß‹. Vergleiche französisch ›Je sais ce que je sais‹.
   Wissen wollen, was die Semmeln kosten: erfahren wollen, wie die Sachen wirklich stehen, sich genau informieren. Von einem Lebenstüchtigen, von einem, der Bescheid weiß, sagt man: Er weiß, was die Elle kostet: Er ist durch Schaden klug geworden, er weiß, was dabei herauskommt; Er weiß die Seide zu spinnen; Er weiß die Feder nach der Schrift zu schneiden: er findet geeignete Mittel und Werkzeuge; Er weiß, woher der Wind weht (kommt), vgl. niederländisch ›Hij weet wol, van welchen kant de wind waait‹; vgl. französisch ›Il sait d'ou vient le vent‹; Er weiß, wie der Hase läuft, wo der Hund begraben liegt, was die Uhr geschlagen hat. Viele mundartlichen Wendungen umschreiben den gleichen Sachverhalt, z.B. heißt es in Bedburg: ›Dä wêss, wo Has höpp‹, und im Siebenbürgisch-Sächsischen: ›Er wasst, äm wevel et wôr‹.
   Der Überkluge dagegen Weiß sogar, wieviel Sprossen Jakobs Himmelsleiter hatte, wo das Gold im Rhein liegt, oder es heißt von ihm: Er weiß alles, er hört's Gras wachsen und die Flöhe husten; vgl. französisch ›Il entend péter le loup‹ (wörtlich: Er hört den Wolf furzen).
   Die Wendung Er weiß wohl, was er für Fleisch in der Tonne hat, die sich auf das Pökelfleisch bezieht, wird meist von Älteren in bezug auf die Kinder gebraucht, deren Charakter und Temperament ihren Eltern nur allzu gut bekannt sind.
   Wissen, was man will: seine Ziele genau kennen und konsequent verfolgen; vgl. französisch ›savoir ce que l'on veut‹.
   Jemanden etwas wissen lassen: ihm etwas mitteilen. Oft heißt es auch im nachgeahmten Kanzleideutsch: Jemandem etwas kund und zu wissen tun.
   Weder aus noch ein wissen: in einer verzweifelten Lage sein, sich selbst nicht mehr helfen können. Diese Wendung ist biblischer Herkunft und beruht auf einem Ausspruch Salomos (1 Kön 3, 7): »So bin ich ein junger Knabe, weiß nicht weder meinen Ausgang noch Eingang«. Auch im Liederbuch der Clara Hätzlerin (I, 112, 10) ist diese sprichwörtlich gewordene Wendung bezeugt: »Ich waiss weder ein noch ûss«.
   Nicht mehr wissen, wo man her ist: vornehm tun, seine frühere Armut und niedere Abstammung vergessen haben und nichts mehr mit den ehemaligen Freunden zu tun haben wollen. Die Wendung gilt als Tadel für die Neureichen.
   Nichts mehr von jemandem (etwas) wissen wollen: jemanden ablehnen, seinen Umgang meiden, von einer Sache nichts mehr hören wollen; vgl. französisch ›ne plus vouloir entendre parler de quelqu'un (quelque chose)‹.
   Von einem, den man noch für sehr unerfahren, unschuldig oder einfältig hält, heißt es: Er weiß noch nicht, daß es zweierlei Menschen gibt, und von einem, der keine Ahnung von der aufgewendeten Mühe hat: Er weiß nicht, was der Elefant gefressen hat, bis er so groß geworden ist.
   Er soll nicht wissen, ob er ein Bub oder ein Mädel (Männchen oder Weibchen) ist: gilt als Drohung vor einer beabsichtigten derben Züchtigung. Bereits Johann Fischart kennt diese Wendung und schreibt in der ›Geschichtklitterung‹: »Der Mönch versatzt jhm mit dem Creutzstock ein, dass er nichts vmb sich selbst wust, ob er ein Knäblein oder ein Meydlin wer«. Von Betrunkenen und Menschen mit verworrenen Ansichten sagt man ähnlich in Oberösterreich: ›A weiss nöt, ob er en Mandl oder en Weibel ist‹.
   Einer, der nicht recht weiß, was er will, der unentschlossen ist, Weiß nicht, ob er's will gebraten oder gesotten haben, ob's gehauen oder gestochen ist. Im Siebenbürgisch-Sächsischen sagt der Unschlüssige von sich selbst: ›Ch wîss net, bän ich gekôcht âwer gebrôden‹ oder ›äs et der Pêter âwer der pâl‹.
   Ist jemand über die Mittel in Verlegenheit, umschreibt man dies mit folgenden Wendungen: Er weiß nicht, wie er der Hacke einen Stiel, der Flasche einen Zapfen, dem Hafen einen Deckel finden soll.
   Nicht wissen, wo einem der Kopf steht: mit Arbeit überlastet, mit Geschäften überhäuft sein; vgl. französisch ›ne plus savoir où donner de la tête‹.
   Mitleidig oder ironisch heißt es von einem sehr dummen Menschen: Er weiß weder Gix noch Gax, niederländisch ›Hij weet van Feeuwes noch Meeuwes‹, oder: Er weiß soviel davon wie der Blinde von der Farbe, wie die Kuh von der Muskatnuß, wie eine Katze vom Siebengestirn, vgl. niederländisch ›Hij weet er zooveel van als het kalf van de hoogmis‹, und scherzhaft: Er weiß auch nicht, warum die Frösche keine Schwänze haben; vgl. schweizerisch ›Er weiss au nid, worum d' Chrotte keini Schwänz händ‹.
   Sehr häufig zu hören ist die sprichwörtliche Wendung Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Sebastian Franck (I, 67b) verzeichnet einen ähnlichen Wortlaut: ›Was einer nit weyss, das thut jm nit wee‹. Vergleiche lateinisch ›Dimissum quod nescitur, non amittitur‹ und französisch ›Ce qu'on ignore ne fait pas de mal‹.
   Auch in Grimmelshausens ›Simplicissimus‹ (VI, 531) findet sich ein literarischer Beleg: »Wer ein Ding nicht weiss, dem macht's auch nicht heiss«.
   ›Nichts Gewisses weiß man nicht‹, sagt man und meint, daß über eine Sache oder über eine Person viel geredet wird, man den wirklichen Sachverhalt aber nicht kennt; schwäbisch ›Nix G'wisses weiß mr net‹.
   ›Gewußt, wo!‹, ›Gewußt, wie!‹: anerkennender Ausruf für einen Fachmann, der schnell das Richtige zur Hand hat. Ein Mechaniker, der einen Fehler mit einem Handgriff behob und dafür 21 Mark verlangte, sagte, als ihm vorgeworfen wurde, der eine Handgriff sei doch arg teuer: »Die Reparatur kostet eine Mark, das ›gewußt, wo‹ zwanzig!«
   Wissen, wo's langgeht: sich auskennen, Bescheid wissen.

• I. ABRAHAMS: Knowledge is Power, in: American Notes and Queries 6, 8 (1883), S. 364; ANONYM: He who knows not, in: National Educational Association Journal 35 (1946), S. 145; R. PINON: Et cetera, que sais-je encore, in: Proverbium 15 (1970), S. 514-515; F. SCHALK: Nochmals zum ›Je ne sais quoi‹, in: Romanische Forschungen 86 (1974), S. 131-138.
Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. P.e.R., Plate XIX.
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