Redensarten Lexikon
Wespennest
In ein Wespennest greifen (stechen): eine heikle, gefährliche Sache anfassen, aufgreifen, die Leute gegen sich aufbringen, sie herausfordern. In der Wormser Ausgabe von 1538 des um 1230 entstandenen Lehrgedichts ›Bescheidenheit‹ von Freidank steht vor dem Kapitel ›Von neid vnd haß‹ ein Teufel, der sich mit einem Wespenschwarm herumschlägt; dazu heißt es 146, 1ff.:
   Fliegen, floehe, des tuivels nît,
   die müent die liute z'aller zît.

Adelung bucht: ›in ein Wespennest stören‹ (IV, 1509); so noch bei Goethe (Weimarer Ausgabe I, 15, 1, 12):

   Verbiete wer, was alle wollten,
   Der hat ins Wespennest gestört.

Aber auch schon im Lateinischen war sprichwörtlich ›irritare crabrones‹ = die Hornissen reizen (Plautus, Amphitruo II, 2). Unserer Redensart kommt nahe 1561: »In ein hurnussen näst stächen, das ist, ein vnrüwigen menschen reitzen, crabrones irritare« (Maaler, Die Teutsch Spraach). Die Redensart scheint also zunächst tatsächlich eine Lehnübersetzung aus dem Lateinischen zu sein, bis sie 1586 bei Mathesius in der heutigen Form erscheint. Auch in den Mundarten ist sie reich bezeugt. Im ›Wandsbecker Bothen‹ des Matthias Claudius (Bd. VII [Hamburg 1803]) heißt es:

   Greif nicht leicht in ein Wespen-Nest;
   Doch, wenn Du greifst, so stehe fest.

Das Zitat ist in leicht abgewandelter Form zu einem volkstümlichen Spruch geworden:

   Greif nicht in ein Wespennest,
   Doch, wenn du greifst, so greife fest.

Vergleiche niederländisch ›Hij heeft het wespennest verstoord‹ und französisch ›tomber dans un guêpier‹ (wörtlich: in ein Wespennest geraten) im Sinne von: durch Leichtsinn in eine heikle Situation geraten.

• R. RIEGLER: Artikel ›Wespe‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens IX, Spalte 503-507.
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