Redensarten Lexikon
Welt
Von alter Welt sein: altmodisch sein, einer vergangenen Zeit angehören (auch von lebenden Zeitgenossen gesagt). Oft wird diese Wendung auch im positiven Sinne gebraucht: ›Das ist noch einer von der alten Welt‹, er ist ohne Falsch; auf ihn kann man sich verlassen; er ist bieder und treu; er lebt noch nach den alten moralischen Grundsätzen. Sich in die Welt zu schicken wissen und In die Welt passen: im Leben zurechtkommen, sich gut anpassen können; ähnlich: Sich durch die Welt schlagen: Hindernisse überwinden, auch: mühsam seinen Weg suchen, ihn bahnen müssen. ›Man muß sich krümmen, wenn man durch die Welt kommen will‹, man muß sich redlich abmühen, auch: man muß sich untertänig, devot und unauffällig verhalten. Dagegen heißt Weder für diese noch jene Welt passen: lebensuntüchtig, weltfremd sein; ähnlich: zu Gut für diese Welt sein: verkannt, verspottet und ausgenutzt werden.
Nicht von dieser Welt sein: dem Jenseits (Paradies) angehören; überirdisch schön sein. Die Wendung bezieht sich auf Joh 8, 23, wo es heißt: »Ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt«.
In einer anderen Welt leben: im Reich des Geistes, der Kunst leben, sich über das Alltägliche erheben;
aber auch in mehr tadelndem Sinne: in einer Traumwelt leben und die Wirklichkeit nicht wahrnehmen oder wahrhaben wollen, im Irrealen beheimatet sein, ›Über den Wolken schweben‹ ⇨ Wolke; vgl. französisch ›vivre dans un autre monde‹.
Wie in einer anderen Welt sein: sich wie verzaubert vorkommen.
Die Welt nicht mehr verstehen: die Ereignisse, die bestehenden Zustände nicht mit seinen alten Vorstellungen in Zusammenhang und Einklang bringen können. Friedrich Hebbel läßt am Schluß seines bürgerlichen Trauerspiels ›Maria Magdalena‹ (1843/44) den Meister Anton sagen: »Ich verstehe die Welt nicht mehr«.
Die Welt hat sich umgedreht sagt man, wenn man sich darüber wundert, daß jemand gegen sein gewohntes früheres Betragen handelt. Ähnlich wird die Wendung Die Welt ist rund (und muß sich drehn) oft als sprichwörtliche Erklärung für allerlei Wechsel gebraucht. Sie ist eigentlich ein Zitat aus der Oper ›Der Templer und die Jüdin‹ von Wilh. August Wohlbrück, zu der Heinrich Marschner die Musik schrieb (1829).
Die Sorgen der Welt auf sich nehmen: sich mit Problemen belasten, die außerhalb des eigenen Lebensbereiches liegen.
Die Welt aus den Angeln heben wollen: sich sehr stark fühlen, das Leben vieler Menschen grundlegend verändern wollen, noch nie Dagewesenes vollbringen. Die Redensart bezieht sich auf einen Ausspruch des Mathematikers und Physikers Archimedes (285-212 v. Chr.): »Dos moi poy sto kai kino thn ghn« (= Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege die Erde!). Vergleiche Büchmann.
Die ganze Welt mit Blindheit strafen: sich einbilden, gescheiter als alle übrigen Menschen zu sein. Vergleiche lateinisch ›cornicum oculos configere‹.
Etwas aus der Welt schaffen: es endgültig beseitigen.
Etwas ist (nicht) aus der Welt: es ist (nicht) unwiederbringlich verloren, es ist (nicht) allzu weit entfernt.
Es ist ja nicht die Welt! sagt man tröstend, wenn etwas nicht so bedeutend ist, wenn sein Verlust leicht zu verschmerzen ist, auch: wenn es keine übermäßige Zumutung ist; vgl. französisch ›Ce n'est pas un monde (pas le diable)‹.
Das wird die Welt nicht kosten: es wird nicht zu teuer sein. Die Welt auf seinem Daumen tanzen lassen: sich selbst als Mittelpunkt der Welt verstehen, alles leicht nehmen und die Sorgen anderen überlassen, verantwortungslos handeln.
Der Ausdruck übermütigen Glücksgefühls Was kost' die Welt? und die Beteuerungsformel Um alles in der Welt sind seit 1749 häufig in der Studentensprache bezeugt. Dagegen: Um nichts in der Welt: unter keinen Umständen; vgl. französisch ›Pour rien au monde‹.
›Das ist der Lauf der Welt‹: sagt man resigniert, wenn man sich mit etwas abgefunden hat.
Ebenso sagt man: ›Das ist der Welt Lohn‹ und macht damit seiner Enttäuschung Luft, daß man einen Dank erwartet hat, aber nichts bekommen hat. Einer mittelhochdeutschen Dichtung von Konrad von Würzburg wurde der Titel ›Der Welt Lohn‹ gegeben.
Die verkehrte Welt wurde vor allem in früheren Jahrhunderten sinnbildhaft für die Narrheiten und Dummheiten der Menschen gebraucht. Pieter Bruegel d.Ä. hat die ›verkehrte Welt‹ auf seinem großen Redensartenbild von 1559 an ein Narrenwirtshaus als Aushängeschild gemalt. In die letzten Schaffensjahre Grimmelshausens fällt seine Dichtung: ›Die verkehrte Welt‹. Vergleiche auch französisch ›Le monde à l'envers‹.
Die Welt geht auf Stelzen ⇨ Stelzen.
Die Welt ist mit Brettern vernagelt ⇨ Brett.
Moderne Wendungen sind: Für einen bricht die Welt zusammen: alles, was er bisher für wert und teuer hielt, woran er geglaubt hatte, zerbricht; er verliert seine Freunde, jeden Halt, jede Hoffnung und Orientierungsmöglichkeit; vgl. französisch ›Son monde s'effondre‹ oder ›Son univers s'effondre‹.
Es liegen Welten zwischen ihnen: sie sind durch größte Unterschiede (Lebensauffassung, Charakter, geistiges Niveau) getrennt; vgl. französisch ›Des mondes les séparent‹.
Nur in einer heilen Welt leben wollen: die Augen vor Unangenehmem, Belastendem, vor Problemen und Konflikten verschließen und so tun, als sei alles in bester Ordnung. Diese negative Besetzung des Begriffes ›heile Welt‹ hat sich erst in neuester Zeit herausgebildet. 1755 ist ›heile Welt‹ (›de heele Welt‹) noch positiv belegt im Sinne von integer, richtig. (So in Michael Richeys ›Idioticon Hambvrgense‹). Der Schwabe findet sich mit den Gegebenheiten dank seiner ihm eigenen Logik problemlos ab: ›D'Welt is scho recht, wenn nur d'Leut net wäret‹.
Sich in der Weltgeschichte herumtreiben: unstet von Ort zu Ort reisen, seinen Arbeitsplatz oft wechseln; die Redensart ist erst in unserem Jahrhundert aufgekommen. Ebenso der Ausruf des Erstaunens oder Unwillens: Da hört (ja) die Weltgeschichte auf; seit etwa 1900 belegt; auch: Da hört sich doch die Weltgeschichte auf!
• J. BELKIN: Zur Wortgeschichte von ›Welt‹, in: Zeitschrift für deutsche Sprache 24 (1968), Heft 1/2, S. 16-59; H. KENNER: Das Phänomen der verkehrten Welt in der klassischen Antike (Bonn 1970); H.F. GRANT: El mundo al revès, in: Hispanic Studies in Honour of Joseph Manson (Ox-
ford 1972), S. 119-137; ANONYM: Die heile Welt, in: Der Sprachdienst 23 (1979), Heft 2, S. 26-27; G. COCCHIARA: Il mondo alla revescia (Torino 1981); N.A. BRINGÉUS: Volkstümliche Bilderkunde (München 1982); DERS.: Der Durchgang durch die Welt. Ein Beitrag zur Ikonographie der Lebensalter, in: R.W. Brednich und A. Hartmann (Hrsg.): Populäre Bildmedien (Göttingen 1989), S. 91-104.
Wer durch die Welt kommen will, muß sich krümmen. Niederländische Redensartenmalerei, 16. Jahrhundert.
Die Sorgen der Welt auf sich laden. Holzschnitt, Brant: Narrenschiff von 1494, zum Kapitel ›Von zu vil sorg‹.
Die Welt auf dem Daumen tanzen lassen. Detail aus dem Sprichwörter-Bild von P. Bruegel, 1559.
Verkehrte Welt. Details aus Bilderbogen. Image de chez Leloup. Au Mans, Ende des 18. Jahrhunderts, aus: Pierre Louis Duchartre et René Saulnier: L'imagerie populaire, Paris 1925, S. 299.
Verkehrte Welt. Holzschnitt, aus: John Ashton: Chap-Books of the eighteenth Century, New York 1970, S. 266.
Nicht von dieser Welt sein: dem Jenseits (Paradies) angehören; überirdisch schön sein. Die Wendung bezieht sich auf Joh 8, 23, wo es heißt: »Ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt«.
In einer anderen Welt leben: im Reich des Geistes, der Kunst leben, sich über das Alltägliche erheben;
aber auch in mehr tadelndem Sinne: in einer Traumwelt leben und die Wirklichkeit nicht wahrnehmen oder wahrhaben wollen, im Irrealen beheimatet sein, ›Über den Wolken schweben‹ ⇨ Wolke; vgl. französisch ›vivre dans un autre monde‹.
Wie in einer anderen Welt sein: sich wie verzaubert vorkommen.
Die Welt nicht mehr verstehen: die Ereignisse, die bestehenden Zustände nicht mit seinen alten Vorstellungen in Zusammenhang und Einklang bringen können. Friedrich Hebbel läßt am Schluß seines bürgerlichen Trauerspiels ›Maria Magdalena‹ (1843/44) den Meister Anton sagen: »Ich verstehe die Welt nicht mehr«.
Die Welt hat sich umgedreht sagt man, wenn man sich darüber wundert, daß jemand gegen sein gewohntes früheres Betragen handelt. Ähnlich wird die Wendung Die Welt ist rund (und muß sich drehn) oft als sprichwörtliche Erklärung für allerlei Wechsel gebraucht. Sie ist eigentlich ein Zitat aus der Oper ›Der Templer und die Jüdin‹ von Wilh. August Wohlbrück, zu der Heinrich Marschner die Musik schrieb (1829).
Die Sorgen der Welt auf sich nehmen: sich mit Problemen belasten, die außerhalb des eigenen Lebensbereiches liegen.
Die Welt aus den Angeln heben wollen: sich sehr stark fühlen, das Leben vieler Menschen grundlegend verändern wollen, noch nie Dagewesenes vollbringen. Die Redensart bezieht sich auf einen Ausspruch des Mathematikers und Physikers Archimedes (285-212 v. Chr.): »Dos moi poy sto kai kino thn ghn« (= Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege die Erde!). Vergleiche Büchmann.
Die ganze Welt mit Blindheit strafen: sich einbilden, gescheiter als alle übrigen Menschen zu sein. Vergleiche lateinisch ›cornicum oculos configere‹.
Etwas aus der Welt schaffen: es endgültig beseitigen.
Etwas ist (nicht) aus der Welt: es ist (nicht) unwiederbringlich verloren, es ist (nicht) allzu weit entfernt.
Es ist ja nicht die Welt! sagt man tröstend, wenn etwas nicht so bedeutend ist, wenn sein Verlust leicht zu verschmerzen ist, auch: wenn es keine übermäßige Zumutung ist; vgl. französisch ›Ce n'est pas un monde (pas le diable)‹.
Das wird die Welt nicht kosten: es wird nicht zu teuer sein. Die Welt auf seinem Daumen tanzen lassen: sich selbst als Mittelpunkt der Welt verstehen, alles leicht nehmen und die Sorgen anderen überlassen, verantwortungslos handeln.
Der Ausdruck übermütigen Glücksgefühls Was kost' die Welt? und die Beteuerungsformel Um alles in der Welt sind seit 1749 häufig in der Studentensprache bezeugt. Dagegen: Um nichts in der Welt: unter keinen Umständen; vgl. französisch ›Pour rien au monde‹.
›Das ist der Lauf der Welt‹: sagt man resigniert, wenn man sich mit etwas abgefunden hat.
Ebenso sagt man: ›Das ist der Welt Lohn‹ und macht damit seiner Enttäuschung Luft, daß man einen Dank erwartet hat, aber nichts bekommen hat. Einer mittelhochdeutschen Dichtung von Konrad von Würzburg wurde der Titel ›Der Welt Lohn‹ gegeben.
Die verkehrte Welt wurde vor allem in früheren Jahrhunderten sinnbildhaft für die Narrheiten und Dummheiten der Menschen gebraucht. Pieter Bruegel d.Ä. hat die ›verkehrte Welt‹ auf seinem großen Redensartenbild von 1559 an ein Narrenwirtshaus als Aushängeschild gemalt. In die letzten Schaffensjahre Grimmelshausens fällt seine Dichtung: ›Die verkehrte Welt‹. Vergleiche auch französisch ›Le monde à l'envers‹.
Die Welt geht auf Stelzen ⇨ Stelzen.
Die Welt ist mit Brettern vernagelt ⇨ Brett.
Moderne Wendungen sind: Für einen bricht die Welt zusammen: alles, was er bisher für wert und teuer hielt, woran er geglaubt hatte, zerbricht; er verliert seine Freunde, jeden Halt, jede Hoffnung und Orientierungsmöglichkeit; vgl. französisch ›Son monde s'effondre‹ oder ›Son univers s'effondre‹.
Es liegen Welten zwischen ihnen: sie sind durch größte Unterschiede (Lebensauffassung, Charakter, geistiges Niveau) getrennt; vgl. französisch ›Des mondes les séparent‹.
Nur in einer heilen Welt leben wollen: die Augen vor Unangenehmem, Belastendem, vor Problemen und Konflikten verschließen und so tun, als sei alles in bester Ordnung. Diese negative Besetzung des Begriffes ›heile Welt‹ hat sich erst in neuester Zeit herausgebildet. 1755 ist ›heile Welt‹ (›de heele Welt‹) noch positiv belegt im Sinne von integer, richtig. (So in Michael Richeys ›Idioticon Hambvrgense‹). Der Schwabe findet sich mit den Gegebenheiten dank seiner ihm eigenen Logik problemlos ab: ›D'Welt is scho recht, wenn nur d'Leut net wäret‹.
Sich in der Weltgeschichte herumtreiben: unstet von Ort zu Ort reisen, seinen Arbeitsplatz oft wechseln; die Redensart ist erst in unserem Jahrhundert aufgekommen. Ebenso der Ausruf des Erstaunens oder Unwillens: Da hört (ja) die Weltgeschichte auf; seit etwa 1900 belegt; auch: Da hört sich doch die Weltgeschichte auf!
• J. BELKIN: Zur Wortgeschichte von ›Welt‹, in: Zeitschrift für deutsche Sprache 24 (1968), Heft 1/2, S. 16-59; H. KENNER: Das Phänomen der verkehrten Welt in der klassischen Antike (Bonn 1970); H.F. GRANT: El mundo al revès, in: Hispanic Studies in Honour of Joseph Manson (Ox-
ford 1972), S. 119-137; ANONYM: Die heile Welt, in: Der Sprachdienst 23 (1979), Heft 2, S. 26-27; G. COCCHIARA: Il mondo alla revescia (Torino 1981); N.A. BRINGÉUS: Volkstümliche Bilderkunde (München 1982); DERS.: Der Durchgang durch die Welt. Ein Beitrag zur Ikonographie der Lebensalter, in: R.W. Brednich und A. Hartmann (Hrsg.): Populäre Bildmedien (Göttingen 1989), S. 91-104.
Wer durch die Welt kommen will, muß sich krümmen. Niederländische Redensartenmalerei, 16. Jahrhundert.
Die Sorgen der Welt auf sich laden. Holzschnitt, Brant: Narrenschiff von 1494, zum Kapitel ›Von zu vil sorg‹.
Die Welt auf dem Daumen tanzen lassen. Detail aus dem Sprichwörter-Bild von P. Bruegel, 1559.
Verkehrte Welt. Details aus Bilderbogen. Image de chez Leloup. Au Mans, Ende des 18. Jahrhunderts, aus: Pierre Louis Duchartre et René Saulnier: L'imagerie populaire, Paris 1925, S. 299.
Verkehrte Welt. Holzschnitt, aus: John Ashton: Chap-Books of the eighteenth Century, New York 1970, S. 266.