Redensarten Lexikon
Wand
Die vier Wände: Haus, Wohnung; stammt aus der mittelalterlichen Rechtssprache und wurde besonders seit dem 18. Jahrhundert üblich; vgl. französisch ›entre ses quatre murs‹.    Es ist, um an der Wand (oder die Wände) in die Höhe zu laufen (oder hinaufzuklettern): es ist nicht mehr auszuhalten, es ist empörend. Die Redensart ist schon im 16. Jahrhundert literarisch bezeugt: »Lauff die wend auff weil du so fuchswild bist« (Scheit, Grobianus [1551], V. 3890). Doch heißt es auch gegensätzlich: Die Wände hochspringen vor Freude.
   Jemanden an die Wand drücken: ihn ausschalten. Schon 1605 sagten die bairischen Landstände zu ihrem Herzog: »Würde uns Gott behütten und verwahren, das wir Ew. Fürstl. Durchlaucht gleichsamb an die Wandt trukhen oder zu einer Ungebürlichkeit Bewegnus geben wolten«. Bismarck wird der Ausspruch zugeschoben, er werde die Nationalliberalen »an die Wand drücken, daß sie quietschen«. Er soll ihn 1878 gebraucht haben, als sich die Verhandlungen mit Bennigsen über dessen und seiner Parteigenossen Stauffenberg und Forckenbeck Eintritt in das Ministerium zerschlagen hatten. Bismarck hat es allerdings auf das entschiedenste abgelehnt, den Ausspruch getan zu haben. So äußerte er sich am 11. Juli 1890 in Friedrichsruh gegenüber dem Herausgeber des ›Frankfurter Journals‹, Julius Rittershaus: »Mit den Nationalliberalen habe ich mich meist gut vertragen. Es ist mir das Wort in den Mund gelegt worden: ich hätte sie einmal an die Wand gedrückt, bis sie quietschten. Dieser Satz ist mir niemals in den Mund gekommen; nie habe ich einen derartigen Ausdruck gebraucht. Er ist mir gar nicht geläufig; entspricht so wenig meinem Fühlen und Denken, daß er mir unsympathisch, ja geradezu ekelhaft ist. Dem Sinne nach aber haben die Nationalliberalen seinerzeit mit mir so verfahren wollen: mich wollten sie an die Wand drücken, mir wollten sie die Macht aus den Händen winden‹ (Büchmann).
   Einen an die Wand werfen: ihn in grober Weise ausschalten. Die Wendung kommt in mancherlei redensartlichen Drohungen und auch in mannigfachen modernen Variationen vor, z.B. ›Du fliegst gleich an die Wand, daß du hängenbleibst; dann kann dich deine Alte mit dem Spachtel abkratzen!‹; ›Er bleibt an der Wand kleben‹, er ist gleichgültig, interesselos; ›Wenn man ihn an die Wand wirft (haut), bleibt er kleben‹, er ist überaus unreinlich. Im Niederdeutschen bezeichnet man damit auch einen kriecherischen Menschen und verweist damit voller Abscheu besonders treffend auf sein aalglattes, schleimiges Wesen.
   Wie an die Wand gepißt: völlig unbrauchbar, elend.
   Scheiß (Pfeif) die Wand an! Ausdruck der Verzweiflung, der Gleichgültigkeit.
   Mit dem Rücken an die Wand kommen: zusehen, daß man im Vorteil ist; die Redensart stammt aus der Fechtersprache: der Angegriffene sucht an der Wand Deckung. Aber auch in umgekehrtem Sinne: Mit dem Rücken zur Wand kämpfen: in aussichtsloser Lage sein und: Jemanden an die Wand spielen: seinen Einfluß geschickt ausschalten.
   Weiß werden wie eine (gekalkte oder frischgekalkte) Wand: kreidebleich werden; obersächsisch ›weiß wie 'ne Kalchwand‹.
   Die Wand mitnehmen: sich die Kleidung an getünchter Wand weiß machen.
   Mit dem kann man Wände einrennen (oder einstoßen): er begreift schwer, er nimmt keine Belehrung an, solch einen harten Kopf hat er; der harte Schädel meint sinnbildlich die schwere Auffassungsgabe. Die Redensart erscheint vorgebildet in Hans Sachs' Fastnachtsspiel vom ›Eulenspiegel mit dem Pelzwaschen‹ (22): »man sties mit im ain thür auf wol«. Mit dem Kopf durch die Wand wollen: starrköpfig sein, Kopf.
   Für (gegen) die Wände reden: umsonst reden, keine Aufmerksamkeit finden; vgl. französisch ›parler aux murs‹
   Singen, daß die Wände wackeln: laut singen, schreien. Das Bild der wackelnden Wand veranschaulicht den Begriff der kräftigen Wirkung; wird in Anlehnung an den biblischen Bericht vom Fall der Mauern Jerichos durch Posaunenklang genommen.
   Eine junge Redensart ist: Da wackelt die Wand! (oft mit dem Zusatz: ›da muß was los sein‹): da ist etwas Außerordentliches los, das ist sehr erstaunlich; berlinerisch ›I, da muß doch jleich 'ne olle Wand wackeln!‹ als Ausdruck entrüsteten Erstaunens.
   Die Wände begießen: den Einzug in die neue Wohnung fröhlich feiern.
   Den Teufel an die Wand malen Teufel.
   Von der Wand in den Mund leben: Bilder für den Lebensunterhalt veräußern; nach der Inflationszeit aufgekommen als parodistische Abwandlung der Wendung ›Von der Hand in den Mund leben‹; angeblich nach einer Äußerung des Malers Max Liebermann oder auch in der Bedeutung: den an einer Leine im Zimmer getrockneten Tabak rauchen (Küpper).
   Nicht von hier bis an die Wand denken: sehr unüberlegt handeln.
   Eine Wand zwischen jemand errichten: etwas Trennendes schaffen, die Beziehungen stören.
   Jemanden an die Wand stellen: ihn (ohne größere Gerichtsverhandlung) sofort erschießen; vgl. französisch ›mettre quelqu'un au pied du mur‹ (wörtlich: jemanden an den unteren Teil der Wand stellen) im Sinne von jemandem jede Ausflucht verstellen.
   Die Wände haben Ohren: man kann nicht ohne Gefahr frei seine Gedanken äußern, man wird belauscht. Die Wendung stammt aus der Zeit der Bartholomäusnacht. Katharina von Medici ließ damals unsichtbare Horchkanäle in die Wände des Louvre einbauen, damit sie aus verschiedenen Zimmern hören konnte, was man über sie sprach. Mehreren Mordplänen soll sie dadurch zuvorgekommen sein; vgl. französisch ›Les murs ont des oreilles‹.
   Etwas an die Wand schreiben Menetekel.
   Man greift etwas an der Wand: eine Sache ist einleuchtend, sehr naheliegend; versteht sich von selbst. So bei Luther: (Weim. Ausgabe 16, 443, 18): »drumb greifft mans an der wand, das nicht alle bilder verbotten sind«.
   An den Wänden gehen: ganz und gar irren, im Irrtum sein; »›Er geht an der Wand‹: er ist auf dem Holzweg«. Die Redensart kommt daher, daß sich Blinde beim Gehen an den Wänden zur Orientierung entlangtasten. Sebastian Brant schreibt im ›Narrenschiff‹: »die doch des rechten nit verston und blintlich an den Wenden gon« (2, 4). Im Refrain eines älteren Schlagerliedes erklärt der Zechbruder, wie er am besten heimfinden wird:

   Und dann schleich, ich still und leise
   immer an der Wand lang,
   immer an der Wand lang,
   immer an der Wand,
   an der Wand entlang.

Die Wände haben Ohren. Holzschnitt von John Bewick. Aus: Trusler, John: Proverbs Exemplified, London 1790, Percival Collection, T 77 pr., Page 65.
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Ansicht: Wand