Redensarten Lexikon
Uhr
Seine Uhr ist abgelaufen: er muß bald sterben, er stirbt, er ist gestorben (vgl. französisch ›Son heure a sonné‹ ⇨ Stunde); literarisch in Schillers ›Tell‹ (IV, 3): »Mach deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt! Fort mußt du, deine Uhr ist abgelaufen«. Das bekannte Zitat ist aber keineswegs die einzige Quelle der Redensart; vielmehr ist die Wendung schon lange vorher redensartlich bekannt gewesen und auch literarisch verwendet worden; z.B. heißt es in Goethes ›Leiden des jungen Werthers‹ (1774, 2. Buch, 12. Dez.): »Meine Uhr ist noch nicht ausgelaufen, ich fühle es«, wobei an eine Sanduhr zu denken ist. Auch schon in Ayrers ›Tragedia‹ vom reichen Mann und armen Lazarus:
Die Uhr ist auß: besich sie eben:
Du mußt noch sterben in wenig stundt.
Und einige Verse darauf:
Sich da! Er hat eine kleine Zeitt,
So ist im di Uhr außgeloffen.
Schon auf das frühe 16. Jahrhundert läßt sich die Redensart zurückverfolgen: Wissen, was (oder wieviel) die Uhr geschlagen hat: Bescheid wissen (meist: um eine ernste Sache, um das bevorstehende Ende), auch: eine Sache durchschauen. Wenn die Uhren alle gleich schlagen: Umschreibung für niemals.
Die gleichmäßig tickende Uhr symbolisiert auch das menschliche Herz, wie etwa in der durch Carl Loewes Vertonung berühmt gewordenen Ballade von Johann Gabriel Seidl:
Ich trage, wo ich gehe, stets eine Uhr bei mir.
Die Uhr rund schlafen: volle 12 Stunden (oder noch länger) schlafen; vgl. englisch ›to sleep around the clock‹; französisch ›faire le tour du cadran‹ (wörtlich: wie der Zeiger rund um das Zifferblatt gehen).
›Rund um die Uhr‹ hat die Bedeutung pausenlos, ohne Unterbrechung, immer im Einsatz. Den Zeitraum von 12 Stunden umfaßt die Redensart: ›rund um die Uhr schlafen‹ (auch englisch: ›round the clock‹). Diese Redensart, die man als Ursprung des heutigen ›rund um die Uhr‹ ansehen kann, ist schon im 19. Jahrhundert belegt: ›He schlöpt nett (= genau) met de ganze Klock rond‹: 12 Stunden lang (J.M. Firmenich, I, S. 406). Eine Wiederbelebung erfuhr die Redensart im Deutschen nach dem letzten Krieg und besonders durch Bill Haleys Schlager in den 50er Jahren: ›Rock around the clock‹.
Wenn sich aber heute ein Unternehmen als ›Rund um die Uhr dienstbereit (erreichbar)‹ bezeichnet, meint dies: ›Tag und Nacht‹, also 24 Stunden.
Eine Uhr geht nach dem Mond: sie geht ungenau, falsch; ebenso: ›Eine Uhr geht nach dem Pfandhaus‹, ⇨ Pfandhaus; in Norddeutschland heißt es auch: ›die Uhr buttert‹, im Sinne von die Uhr geht ungenau.
Die Uhr steht bei ihm stets auf Mittag: er ist immer hungrig; Seine Uhr geht nach: er merkt alles zu spät; vgl. französisch ›Tu retardes!‹, im Sinne von: Du bist schwer von Begriff und: Du kommst mit der Zeit nicht mit.
Das Gegenteil meint: Deine Uhr geht vor: du kommst zu früh, du bist zu eilig (eifrig), zu aufgeregt, verliebt, du kannst die Zeit nicht erwarten.
Die Uhr geht richtig: die Sache nimmt den vorausgesagten Verlauf.
Die Uhren gehen dort (in diesem Land) anders: die Zeit scheint stillgestanden zu haben; die Verhältnisse sind noch sehr rückständig.
Dabei ist keine goldene Uhr zu gewinnen: das verlohnt nicht die Mühe.
Die Uhr aufziehen: Geschlechtsverkehr haben, jemanden masturbieren. Heute lebt diese Redensart in der Subkultur fort, dabei ist sie, wie das erste Kapitel von ›The Life and Opinions of Tristram Shandy‹ von Laurence Sterne (1759) belegt, recht alt. Seinen Lebensbericht beginnt Tristram Shandy mit dem Anfang, nämlich mit seiner Zeugung. Dabei denkt Tristrams Mutter an die vom Vater aufzuziehende Uhr und gibt mit ihrer Frage den bösartigen Homunculi die Möglichkeit, sich des kleinen Sirs zu bemächtigen.
Ähnliche Sexualmetaphern sind auch in der deutschen Umgangssprache durchaus bekannt: Seine Uhr geht nach: er ist sexuell zurückgeblieben; Ihre Uhr geht vor: sie ist frühreif; Wissen, was die Uhr geschlagen hat: sexuelle Erfahrungen haben (E. Borneman: Sex im Volksmund [Reinbek b. Hamburg 1971]).
• W.-E. PEUCKERT: Artikel ›Uhr‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VIII, Spalte 1265-1287; P. WECKS: Polarisierung rund um die Uhr, in: Sprachdienst 15 (1971), S. 182; J. HEYDEL: Rund um die Uhr, in: Sprachdienst 17 (1973), S. 177-179; B. CARSTENSEN: Rund um ›rund um die Uhr‹, in: Sprachdienst 21 (1977), S. 81-85.
Die Uhr ist auß: besich sie eben:
Du mußt noch sterben in wenig stundt.
Und einige Verse darauf:
Sich da! Er hat eine kleine Zeitt,
So ist im di Uhr außgeloffen.
Schon auf das frühe 16. Jahrhundert läßt sich die Redensart zurückverfolgen: Wissen, was (oder wieviel) die Uhr geschlagen hat: Bescheid wissen (meist: um eine ernste Sache, um das bevorstehende Ende), auch: eine Sache durchschauen. Wenn die Uhren alle gleich schlagen: Umschreibung für niemals.
Die gleichmäßig tickende Uhr symbolisiert auch das menschliche Herz, wie etwa in der durch Carl Loewes Vertonung berühmt gewordenen Ballade von Johann Gabriel Seidl:
Ich trage, wo ich gehe, stets eine Uhr bei mir.
Die Uhr rund schlafen: volle 12 Stunden (oder noch länger) schlafen; vgl. englisch ›to sleep around the clock‹; französisch ›faire le tour du cadran‹ (wörtlich: wie der Zeiger rund um das Zifferblatt gehen).
›Rund um die Uhr‹ hat die Bedeutung pausenlos, ohne Unterbrechung, immer im Einsatz. Den Zeitraum von 12 Stunden umfaßt die Redensart: ›rund um die Uhr schlafen‹ (auch englisch: ›round the clock‹). Diese Redensart, die man als Ursprung des heutigen ›rund um die Uhr‹ ansehen kann, ist schon im 19. Jahrhundert belegt: ›He schlöpt nett (= genau) met de ganze Klock rond‹: 12 Stunden lang (J.M. Firmenich, I, S. 406). Eine Wiederbelebung erfuhr die Redensart im Deutschen nach dem letzten Krieg und besonders durch Bill Haleys Schlager in den 50er Jahren: ›Rock around the clock‹.
Wenn sich aber heute ein Unternehmen als ›Rund um die Uhr dienstbereit (erreichbar)‹ bezeichnet, meint dies: ›Tag und Nacht‹, also 24 Stunden.
Eine Uhr geht nach dem Mond: sie geht ungenau, falsch; ebenso: ›Eine Uhr geht nach dem Pfandhaus‹, ⇨ Pfandhaus; in Norddeutschland heißt es auch: ›die Uhr buttert‹, im Sinne von die Uhr geht ungenau.
Die Uhr steht bei ihm stets auf Mittag: er ist immer hungrig; Seine Uhr geht nach: er merkt alles zu spät; vgl. französisch ›Tu retardes!‹, im Sinne von: Du bist schwer von Begriff und: Du kommst mit der Zeit nicht mit.
Das Gegenteil meint: Deine Uhr geht vor: du kommst zu früh, du bist zu eilig (eifrig), zu aufgeregt, verliebt, du kannst die Zeit nicht erwarten.
Die Uhr geht richtig: die Sache nimmt den vorausgesagten Verlauf.
Die Uhren gehen dort (in diesem Land) anders: die Zeit scheint stillgestanden zu haben; die Verhältnisse sind noch sehr rückständig.
Dabei ist keine goldene Uhr zu gewinnen: das verlohnt nicht die Mühe.
Die Uhr aufziehen: Geschlechtsverkehr haben, jemanden masturbieren. Heute lebt diese Redensart in der Subkultur fort, dabei ist sie, wie das erste Kapitel von ›The Life and Opinions of Tristram Shandy‹ von Laurence Sterne (1759) belegt, recht alt. Seinen Lebensbericht beginnt Tristram Shandy mit dem Anfang, nämlich mit seiner Zeugung. Dabei denkt Tristrams Mutter an die vom Vater aufzuziehende Uhr und gibt mit ihrer Frage den bösartigen Homunculi die Möglichkeit, sich des kleinen Sirs zu bemächtigen.
Ähnliche Sexualmetaphern sind auch in der deutschen Umgangssprache durchaus bekannt: Seine Uhr geht nach: er ist sexuell zurückgeblieben; Ihre Uhr geht vor: sie ist frühreif; Wissen, was die Uhr geschlagen hat: sexuelle Erfahrungen haben (E. Borneman: Sex im Volksmund [Reinbek b. Hamburg 1971]).
• W.-E. PEUCKERT: Artikel ›Uhr‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VIII, Spalte 1265-1287; P. WECKS: Polarisierung rund um die Uhr, in: Sprachdienst 15 (1971), S. 182; J. HEYDEL: Rund um die Uhr, in: Sprachdienst 17 (1973), S. 177-179; B. CARSTENSEN: Rund um ›rund um die Uhr‹, in: Sprachdienst 21 (1977), S. 81-85.