Redensarten Lexikon
Text
Einem den Text lesen: ihn zur Rede stellen, ihm rücksichtslos die Meinung sagen, ihn gründlich vornehmen, eigentlich: einem eine bestimmte Bibelstelle vorhalten und erklären. Zur Besserung der verwilderten Geistlichkeit stellte Bischof Chrodegang von Metz 760 einen Kanon auf. Nach ihm mußten sich die Geistlichen jeden Tag nach der Morgenandacht versammeln, wobei ihnen der Bischof ein Kapitel aus der Bibel (bes. aus 3. Mos.) vorlas, das religiöse Gesetze enthielt, um daran die nötigen Ermahnungen und Rügen zu knüpfen. Verallgemeinernd gelangt die Redensart zum Sinn: eine Strafpredigt halten. Die ursprüngliche Beziehung auf den Bibeltext geriet in Vergessenheit. Vergleiche auch: ›Die Leviten lesen‹, Leviten.    Einem den richtigen (scharfen) Text lesen (singen): ihn durchprügeln.
   Aus dem Text kommen und Vom Text abkommen stehen im inneren Zusammenhang mit Jemanden aus dem Text bringen: einen von seinem Thema abbringen, ihn aus der Fassung bringen, das wie alle bildlichen Wendungen mit Text ebenfalls auf die nach dem Bibeltext gehaltene Predigt zurückgeht. Zu tief in den Text kommen: zuviel von einer Sache reden. Beim Text bleiben: folgerichtig erzählen, handeln. Schleswig-holsteinisch ›Wedder to'n Text griepen‹, sich wieder zum Handeln aufraffen.
   Nun zum Text: Zur Sache! Weiter im Text: vorwärts in unserer Hauptsache, die durch Reden unterbrochen wurde wie die Verlesung oder Behandlung des Textes durch Zusätze. Die Redensart stammt wohl aus dem Munde von Predigern, die den Bibeltext auslegen und, vom Hundertsten ins Tausendste gekommen, mit diesen Worten zu ihm zurückkehren. Vorgebildet ist diese Wendung in Lutherischen Ausdrücken, wie z.B. (1523) »Das sey davon gnug gesagt. Folgt nu weytter ynn der Epistel« (Weimarer Ausgabe 12, 335), und »Das wollen wir weiter ym Euangelio sehen« (ebd. 519). Aber auch, ›weiter im Text‹ kommt schon bei Luther vor, z.B. »Folget weiter im Text: Solches habe ich zu euch geredet, daß ihr euch nicht ärgert« (Schriften, herausgegeben von Walch 11, 1352).
   Aus der Theatersprache sind folgende Redensarten entlehnt: Bei dem kommt kein Text: er ist beschränkt, er weiß in einer Unterhaltung nichts zu sagen, nicht einmal Einstudiertes, Auswendiggelerntes kann er vorbringen. Der Text liegt an der Kasse heißt es spöttisch bei den Kollegen, wenn ein Schauspieler in seiner Rolle steckenbleibt.

• A. GÖTZE: Alte Redensarten neu erklärt, in: Zeitschrift für deutsche Wortforschung 4 (1903), S. 332.
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