Redensarten Lexikon
Tante
Na denn nicht, liebe Tante: Ausdruck der Enttäuschung mit ironischem Unterton; besonders berlinerisch.    Im Gegensatz zu anderen Verwandtschaftsbezeichnungen (Vater, Mutter, Bruder, Schwester u.a.) werden Tante und Onkel im metaphorischen Sprachgebrauch oft (leicht) verspottet oder in abwertendem Sinn verwendet. So wird die Toilette mit ›Tante Meyer‹ umschrieben, die Menstruation als ›Besuch von Tante Rosa‹, eine unsympathisch erscheinende Frau mit ›Komische Tante‹ charakterisiert. In dasselbe Bedeutungsfeld gehört auch das Adjektiv ›Tuntig‹: zimperlich, etepetete, aber auch: als Mann schwule Neigungen haben.
   Dabei zeigt sich, daß Tante sowie Onkel ziemlich neutrale Begriffe geworden sind und keine emotionale Beteiligung seitens des Sprechers mehr wecken. ›Liebe Tante‹ als Zusatz einer Interjektion steckt einerseits die distanzierte Gefühlslage des Sprechers ab, andererseits aber vermittelt sie Zitateneindruck (Sohn Brutus, lieber Freund usw.). Abschätzige Gleichgültigkeit wird noch verdeutlicht durch Zusätze wie: ›Na denn nich, liebe Tante, heirat'ch'n Onkel, der ist auch ganz schön‹ oder: ›... heiraten wir'n Onkel, is auch ein ganz schönes Mädchen‹.
   Leo Spitzers Interpretation, nämlich daß diese Redensart eine sexuelle Abwertung bedeute, überzeugt nicht ganz. Denn oft gebrauchen Mütter diese Wendung ihren Kindern gegenüber, die einen gutgemeinten Vorschlag ablehnen.
   ›Tante‹ in positiverem Sinne erscheint im Ausdruck ›Tante-Emma-Laden‹: hier meint man ein kleines Lebensmittelgeschäft im Wohngebiet, das, im Gegensatz zu großen Supermärkten, eine intime Einkaufsatmosphäre vermittelt.

• J. SEIDEL-SLOTTY: ›Na denn nicht, liebe Tante‹ u.a. mißbrauchte Verwandte, in: Bulletin linguistique 12 (1944), S. 33-44; L. SPITZER: ›Na denn nicht, liebe Tante‹, in: Bulletin linguistique 14 (1946), S. 66-77.
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