Redensarten Lexikon
Strohwitwe\(r\)
Eine Strohwitwe sein: vorübergehend allein leben, wenn der Ehemann längere Zeit abwesend ist; sich alleingelassen fühlen und Liebe entbehren müssen (eigentlich: das Stroh [Bett] nicht mit dem Mann teilen); andererseits aber auch gewisse Freiheiten genießen, in Gesellschaft gehen und alte Freundschaften pflegen. Der älteste literarische Beleg für den Ausdruck ›Strohwitwe‹ stammt von 1715 aus Amaranthes' ›Frauenzimmer-Lexicon‹ (S. 1916): »strohwittben heisset man aus schertz an etlichen orten diejenigen weiber, deren männer verreiset oder abwesend seynd«. Vergleiche die Worte der Frau Marthe in Goethes ›Faust‹ I (Der Nachbarin Haus), die nicht weiß, ob sie von ihrem Mann nur zeitweilig verlassen wurde oder ob er gar in der Fremde umgekommen ist:
   Gott verzeih's meinem lieben Mann,
   Er hat an mir nicht wohlgetan!
   Geht da stracks in die Welt hinein
   Und läßt mich auf dem Stroh allein.

Ein älterer Ausdruck für Strohwitwe ist ›Graswitwe‹. 1598 ist mittelniederdeutsch ›graswedewe‹ belegt (Schoppe, S. 71); damit verbindet man englisch ›grasswidow‹, die Bezeichnung für ein Mädchen, das außerehelich ein Kind bekommen hat und allein gelassen worden ist.
   Als Strohjungfer wurde eine Braut bezeichnet, die nicht mehr unbescholten war und daher bei der Hochzeit statt eines frischen Kranzes einen Strohkranz tragen mußte. Strohwitwer sein: scherzhafte Bezeichnung für einen verheirateten Mann, dessen Frau verreist ist, so daß er nachts auf dem Bettstroh so gut wie verwitwet ist.
   Die Wendung dient gleichzeitig zur Entschuldigung für häusliche Unordnung und mangelnde Kochkünste des Mannes, der in dieser Hinsicht seine Frau schmerzlich vermißt, aber mehr als sonst zu Wirtshausbesuchen und Seitensprüngen neigt.

• O. LADENDORF: Strohwitwer, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 24 (1910), S. 562; L.J. LUCAS: Grass widow, in: American Notes and Queries 11, 8 (1913), S. 209; G. SCHOPPE: Strohwitwe, in: Germanisch-romanische Monatsschrift 26 (1938), S. 71-73.
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