Redensarten Lexikon
Stroh
Leeres Stroh dreschen sagt man, um die Nutz- und Sinnlosigkeit einer Arbeit auszudrücken; in übertragener Bedeutung meint die Redensart auch: unnütze Reden führen; so steht es schon bei Thomas Murner (›Lutherischer Narr‹, 1522, 2056):
   Sein (Petri) Wörter luten nit also
   Wie dan du (Luther) die für wendest do
   Und drischst ein leres haberstro.

Auch Grimmelshausen (›Simplicissimus‹ II, Kapitel 5) erwähnt diese Redensart: ». rede wenig, damit dein Zugeordneten nicht an dir merken, daß sie ein leer Stroh dreschen.« Vergleiche auch Geiler von Kaysersberg (›Has in pfeffer‹ Bb. 4a) und Ditfurth 1632 (Nr. 61, Strophe 9):

   O mine echte Kinder
   Thun ji also bi mi!
   Sind ji denn Beest und Rinder
   Tresch ick so leddig Stroh?

Auch Wieland benutzt dieses Bild (2, 262), wenn er von Leuten spricht, »die aus allen Kräften und mit der feierlichsten Ernsthaftigkeit leeres Stroh dreschen«; Goethe schreibt im ›Faust‹ I (1839):

   Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?
   Das Beste, was du wissen kannst,
   Darfst du den Buben doch nicht sagen.

Dasselbe Bild hat auch den Ausdruck ›Abgedroschenes Zeug‹ geschaffen, ebenso das französische ›Ce sont des choses cent fois rabattues‹, ein ähnliches das lateinische ›verba trita‹.
   Eine ganze Reihe ähnlicher Redensarten für den gleichen Sachverhalt bringt Lehmann S. 784 (›Vergeblich‹ 1): »Welcher vergebliche vnnütze Arbeit gethan, von dem sagt man: er hat leer Stroh getroschen, ein leer Nuß aufgebissen, den Esel beschoren, ein Mohren gebadet, den Krebs lernen für sich gehen, den Tauben ein Lied gesungen, den Blinden ein Spiegel geschenckt, den Fröschen ein Fuder Wein zum Bad verehret. Hat den Speck im Hundsstall gesucht, der Flöh gehüt, die Garn vergebens gesteckt, Moses' Grab gesucht. Welche das thun, die verrichten ebenso viel, als die mit dem Hindern ein Nuß wollen aufbeißen«.
   Ähnliches meint die niederländische Redensart ›Monnikenwerk verrichten‹ (Mönchswerk tun) sowie englisch ›to plough the sands‹. Auf dem Stroh sein: sich in traurigen Umständen befinden; vgl. französisch, ›être sur la paille‹.
   Elsässisch ›ufs Stro lein (bringe)‹, unter den Boden bringen oder übers Ohr hauen: ›er lijt ufm Stro‹, er ist tot. Dieselbe Redensart hat im Besonderen auch den Sinn: in Kindsnöten sein; in Bayern geschah die Geburt oft auf dem Stroh, ehe die Frau ins Kindbett ging. Daher Ins Stroh fallen: ins Wochenbett kommen. Vergleiche auch Strohwitwe.
   Die Wendung Vom Stroh auf die Federn helfen findet sich bei Abraham a Sancta Clara (›Krämer- Laden‹) und bedeutet: jemandem zum Erfolg verhelfen, ihn unterstützen, damit er sich statt des Strohsackes ein Federbett leisten kann.
   Stroh zum Feuer tun: eine Angelegenheit durch Reden oder Taten verschlimmern, ein ähnliches Bild wie ›Öl ins Feuer gießen‹, wird oft in Beziehung auf das Verhältnis beider Geschlechter gesagt; so schon in alter Zeit, zum Beispiel bei Freidank (121, 3), im jüngeren ›Titurel‹ (5776, 3) usw. Bei Hans Sachs:

   Mannsbilder Junge oder alt
   In wort vnd wercken euch enthalt
   Wo stroh bey fewer nahend leit
   Das wird brennend in kurtzer zeit.

Vergleiche auch den alten Reim: »Feuer und Stroh, eins des andern froh«.
   Als Strohfeuer bezeichnet man eine flüchtige Neigung oder Begeisterung, die rasch wieder vergeht; in dieser Bedeutung findet sich das Wort bei Ovid: »Flamma de stipula nostra brevisque erit« (= Unsere Liebesglut wird von Stroh und kurz sein). Als Bild des raschen Entbrennens ist es in allen Sprachen des Mittelalters ungemein häufig und wird auch schon in der Bibel erwähnt (Jes 5, 24): »Sicut devorat stipulam lingua ignis«. Bei Freidank findet sich der ironisch gemeinte Vergleich: »Ez ist staete als im fiure ein strô ». Als Bezeichnung für etwas Wertloses, Nichtiges schreibt Hartmann von Aue: »ern gaebe drumbe niht ein strô »(›Iwein‹ V. 1440); Deut
   Jeden Strohhalm ergreifen: auch das Geringste zu seiner Rettung nutzen; alles, was sich überhaupt zur Hilfe anbietet. Ähnlich lautet ein redensartlicher Vergleich, der das Verhalten eines Menschen in Not beschreibt, sich bei jeder kleinsten Begebenheit große Hoffnungen zu machen: ›Sich an etwas (jemanden) klammern wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm‹.
   Ein verbreitetes amerikanisches Sprichwort heißt: ›That was the last straw to break the camel's back‹: das war der Strohhalm, welcher dem Kamel (oder dem Pferd) den Rücken brach, im Sinne von: das hat das Faß zum Überlaufen gebracht. Man zitiert nur noch ›the last straw‹, und jeder weiß, was gemeint ist.
   Stroh im Kopf haben, Ein Strohkopf sein drückt die Dummheit eines Menschen aus. Christian Schubart schreibt 1790 in der von ihm gegründeten Zeitung ›Deutsche Chronik‹ (55): »Der Mann, der Weise betrög wie Strohköpfe«.
   In zusammengesetzten Adjektiven dient ›Stroh‹ auch als Verstärkungswort, wie zum Beispiel in ›Strohdumm‹ oder ›Strohtrocken‹.
   ›O du gerechter (auch: allmächtiger, heiliger) Strohsack!‹ ist, besonders mitteldeutsch, ein Ausruf starker Verwunderung; wohl ursprünglich eine Hüllform für einen stärkeren Ausruf.
   Jemand hat ein Gewissen wie ein Strohsack: jemand hat kein Gewissen.

• J.M. M.: The last straw, in: American Speech 17 (1942), S. 76-77.
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