Redensarten Lexikon
Stille
Es ist still um jemanden geworden: er wird von der Öffentlichkeit nicht mehr so beachtet wie früher, er lebt im Alter sehr zurückgezogen, seine Werke (sein Verhalten) erregen nicht mehr die Gemüter, sie sind nicht mehr in der Diskussion. In einer Gesellschaft versucht man die eingetretene peinliche Stille durch den Ausruf zu überwinden: Es ist so still, nun ist's Zeit zum Hafersäen! Gewöhnlich fließt dann der Redestrom wieder lebhafter; denn daß der Landmann seinen Hafer an windstillen Tagen sät, weiß jedermann, er weiß aber auch, daß die Redensart hier die Mahnung enthält, sich ein wenig mehr an der Unterhaltung zu beteiligen; Engel.    Auf eine längere Pause in der Unterhaltung bezieht sich auch die pommerische Redensart ›Es ist so still wie in der Schmalentiner Kirche!‹ Sie ruft in einem Kreise immer Heiterkeit hervor, dem bekannt ist, daß im Dorf Schmalentin (Kreis Greifenberg) keine Kirche steht. Auch in diesem Falle wird die Unterhaltung wieder in Fluß gebracht. Dieselbe Redensart gibt es auch von der Kirche des Dorfes Trampke (Kreis Saatzig).
   Um die ›lastende Stille‹ zu charakterisieren, werden gern die redensartlichen Vergleiche Still wie das Grab oder Still wie in der Kirche benutzt. Von einem Schweigsamen sagt man auch: Er ist so still wie eine Maus (›Mäuschenstill‹) oder Er ist so still wie die Glocken am Karfreitag. Diese Wendung bezieht sich auf den katholischen Brauch, die Glocken von Gründonnerstag bis Ostern nicht zu läuten, Karfreitagsratsche.
   In der (aller) Stille etwas tun (vorbereiten): ohne Aufsehen zu erregen, heimlich, auch Im stillen bei sich selbst, unbemerkt. Goethe gebraucht die Wendung literarisch, in seinem ›Tasso‹ (I, 2) heißt es:

   Es bildet ein Talent sich in der Stille,
   Sich ein Charakter in dem Strom der Welt.

Der Ausdruck Die Stillen im Lande beruht auf Ps 35, 20: »Denn sie trachten Schaden zu tun und suchen falsche Anklagen wider die Stillen im Lande«. Im 18. Jahrhundert wurde dies die Bezeichnung für die Anhänger der pietistischen Bewegung. Friedrich der Große äußerte verwundert: »Können das die Stillen im Lande!«, als man ihm Teerstegens Kritik an seiner unchristlichen Haltung zu lesen gab (Büchmann).

• O. KNOOP: Stargarder Sagen, Überlieferungen und Geschichten (1929), Nr. 68; JUNGWIRTH: Artikel ›Schweigen‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VII, Spalte 1460-1470.
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