Redensarten Lexikon
Steckenpferd
Sein (ein) Steckenpferd reiten (haben): seinen Lieblingsneigungen folgen und von ihnen sprechen, seine Freizeit kleinen Liebhabereien widmen. Die Redensart ist dem Kinderspiel entlehnt und auf die Lieblingsbeschäftigungen der Erwachsenen übertragen worden. Ein Frühbeleg findet sich schon in Thomas Murners ›Narrenbeschwörung‹:
   Der ist ein gutter gouckelman,
   Der zu roß nit rytten kan
   Vnd sitzet dannocht vff eim stecken,
   Vff das er ryt mit andern gecken.

Der Ausdruck Steckenpferd für das Kinderspielzeug begegnet zuerst bei J. Ayrer (gest. 1605 in Nürnberg), bei dem es heißt: »reyt auff einem Steckenpferdt«. Auch Stieler verzeichnet 1691: »Heiligenchristpferd alias Steckenpferd, eqvulus ligneus picturis variatus«. In frühneuhochdeutscher Zeit sagte man dafür noch ›Roßstecken‹, so zum Beispiel Luther 1527:« der Kneblin Roßstecken vnd rothe Schuhe«.
   Das englische ›hobby-horse‹ hat aber erst zur übertragenen Bedeutung von Lieblingsbeschäftigung geführt und wurde in Deutschland durch Lorenz Sternes ›Tristram Shandy‹ in der Übersetzung von Zückert 1763 gebräuchlich.
   Goethe sagte einmal im Hinblick auf das abwertende Wort › Marotte‹: »Sodann haben wir, um übertriebene Eigenheiten zu bezeichnen, das höflichere Wörtchen Steckenpferd, bei dessen Gebrauch wir einander mehr schmeicheln als verletzen«. Göckingk schrieb in seinen ›Gedichten‹ (1, 111):

   Der vielgeliebte Sterne sprach
   Im Shandy kaum von Steckenpferden,
   So schwatzt ihm alles schon von Steckenpferden nach;
   Wer aber wird davon zum Yorik werden.

Bei Kästner (Werke 1, 138) findet sich folgender Beleg: »Den alten Gedanken, daß jeder Narr seine Kolbe hat, hat Tristram Shandy etwas höflicher ausgedrückt. Jeder Mensch hat sein Steckenpferd«. Vergleiche auch englisch ›to ride one's hobby horse‹; niederländisch ›Hij zit op zijn stokpaardje‹ und französisch ›Chacun a son cheval de bataille (sa marotte)‹; auch: ›Chacun a son dada‹, wobei das Wort ›dada‹ wie das deutsche ›Steckenpferd‹ auch das Kinderspielzeug bezeichnet.
   In Shakespeares ›Viel Lärm um nichts‹ bezeichnet ›hobby horse‹ einen albernen Menschen. Bebel erklärt (Nr. 562): ›In baculo equitare est frustra conari‹. Diese volkstümliche Verurteilung des Steckenpferdes ist noch im Göttingischen sprichwörtlich: ›Et is darhaft (töricht), up Stockperen rien, ei maut (muß) doch te Faute (zu Fuße) gehn‹. Heute hat das neu entlehnte Wort ›hobby‹, das durchaus in positivem Sinne gebraucht wird, das deutsche Wort weitgehend verdrängt.
   Sie reiten ein und dasselbe (ein gemeinsames) Steckenpferd: sie haben die gleichen Interessen. Vergleiche niederländisch ›Zij rijden op het zelfde hobbelpaard‹.

• WALZ in: Zeitschrift für deutsche Wortforschung 13 (1912), S. 124ff.; H. FREUDENTHAL: Steckenpferd, in: Beitr. zur deutschen Volks- und Altertumskunde 4 (1959), S. 20ff.; J. DROST: To ride a hobby, in: American Notes and Queries 10 (1970/71), S. 94-95; B. STRICKLAND: To ride a hobby, in: American Notes and Queries 10 (1971/72), S. 94; W. MEZGER: Steckenpferd – Hobbyhorse – Marotte. Von der Ikonographie zur Semantik, in: Zeitschrift für Volkskunde 79 (1983), S. 245-250.}

Sein Steckenpferd reiten. Streitende Geistliche, Misericordiendarstellung aus Hoogstraeten.

Sein Steckenpferd reiten. Konrad Meyer: Die Kinderspiele, Zürich o.J., S. 15.

Sein Steckenpferd reiten. Holzschnitt aus Thomas Murners ›Narrenbeschwörung‹, 1512.
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