Redensarten Lexikon
Splitterrichter
Ein Splitterrichter sein: andere tadeln und verurteilen, ohne an die eigenen Fehler zu denken, die viel größer sind. Der Ausdruck Splitterrichter entstand aus der gedanklichen Verbindung von Mt 7, 1: »Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet« und Mt 7, 3: »Was siehest du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?« und gilt als Schöpfung Luthers. In seiner 1530 erschienenen ›Vermahnung an die Geistlichen versamlet auff dem Reichstag zu Augsburg‹ schrieb er: »Das will ich darum gesagt haben, daß man sehe, was die Splitterrichter dran gewinnen« (Weimarer Ausgabe, 1909, Bd. XXX, Abt. 2, S. 314). Vergleiche auch niederländisch ›Het is een splinterkijker‹. Literarisch bei Christian Günther genutzt, heißt es:
   Flieh auf ewig die Gesichter
   Aller finstern Splitterrichter.

Die Bedeutung des Begriffs Splitterrichter wandelte sich von einem selbstgerechten Tadler zu einem besonders kleinlichen Beurteiler, der ›alles auf die Goldwaage legt‹ und dabei gleichsam ›über jedes Splitterchen zu Gericht sitzt‹. So verstand es bereits Lessing, der einmal sagte: »Was übrigens den Inhalt des Freigeistes anlangt, so wird auch der eigensinnigste Splitterrichter nicht das geringste daran finden, was der christlichen Tugend und Religion zum Schaden gereichen könnte«.
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