Redensarten Lexikon
Spießbürger
Ein Spießbürger (Spießer) sein: ein engstirniger Mensch sein, der sich jedem Fortschritt verschließt und veraltete Anschauungen und moralische Grundsätze hartnäckig verteidigt.    Nachdem Heinrich I. (919-936) viele Städte gegründet hatte, hießen ihre Bewohner Bürger. Sie verteidigten die Stadt mit dem Spieß, daher ›Spießbürger‹, während die Söldner Hellebarden trugen. Die Bezeichnung erhielt erst dann eine abschätzige Bedeutung, als die Kleinstädter den Fortschritt der Feuerwaffen ignorierten. Noch im 16. Jahrhundert, also zur Zeit des Niederganges der Städte, hielten sie schwerfällig an der alten Bewaffnung fest und traten wie ihre Urgroßväter mit Spießen auf den Wällen zur Verteidigung ihrer Stadt auf, so daß sie an ihrer Niederlage selbst schuld waren, weil sie nie einen Blick über die Mauern ihrer Stadt hinaus getan hatten, sich in ihrer Beschränktheit wohlgefühlt und die moderne Entwicklung nicht kennengelernt hatten. Als Spottname und Schelte für rückständige Menschen, besonders auf geistigem Gebiet, wurde der Begriff Spießbürger zuerst von den Studenten gebraucht, die sich dagegen weltoffen und überlegen dünkten. Joachim Schröder berichtet davon 1640 in seiner ›Friedensposaune‹ (39): »(Die Studenten) schelten feine eisgraue und erfahrene Männer, Matronen, keusche Jungfrauen und Bürger für ... Spießbürger«. Wieland verwendete 1767 die Schelte zuerst literarisch in seinem ›Agathon‹ (3, 129). Während die Bezeichnung ›Philister‹ aus dem Ostmitteldeutschen stammt, ist Spießbürger ursprünglich norddeutsch und seit 1781 bei Dähnert im ›Plattdeutschen Wörterbuch‹ (446) als ›Speet-Börger‹ verzeichnet.
   Da ›Spieße‹ in der Studentensprache auch Geld bezeichnen, könnte man heute unter einem Spießbürger auch einen Reichen verstehen, der ängstlich über seinen Besitz wacht. In diesem Sinne schrieb Heinrich Heine an Varnhagen (S. 167): »Mit meiner Familie stehe ich auf gutem Fuss; und meine spiessbürgerlichen Verhältnisse wären wol leidlich zu nennen«.
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