Redensarten Lexikon
Seide
Keine (gute) Seide bei etwas spinnen: keinen Nutzen bei etwas haben, kein Glück, keinen Erfolg mit etwas haben. Unter ›Seide spinnen‹ verstand man, abgeleitet von der konkreten Bedeutung, ›Rohseide verarbeiten‹: eine feine und sorgfältige Arbeit tun, etwa im Gegensatz zur Verarbeitung der groben Wolle. Vergleiche niederländisch ›bij iets geen zijde spinnen‹ und französisch ›ne pas tirer grand denier de quelque chose‹ und ›filer un mauvais coton‹ (schlechte Baumwolle spinnen, im Sinne von sich in einer schwierigen Lage befinden).    1560 heißt es in den ›Schönen, weisen Klugreden‹: »Wer kann allzeit seiden spinnen? Seiden ist weych und zart, wer die seiden spinnen soll, der musz hübschlich mit umbgehn, dasz ers nit verderbe unnd nichts vergesse, also spinnet seiden, wer auff all sein red weiszlich acht hat, bedenckt mit vernunfft, was er reden, thun und lassen soll. Her widerum, wer sich nit allweg fürsihet in reden und wircken, der spinnet nicht seiden, sondern grob sackgarn«. Schon in Thomas Murners ›Großem lutherischem Narren‹ findet sich 1522: »Er hat nit allzeit seidin gespunnen«. Ebenso 1538 in Sebastian Francks ›Chronik der Teutschen‹: »sie haben aber warlich etwan übel genug hauß gehalten und nit allweg seiden gespunnen«. Genauso noch schwäbisch ›keine Seide spinnen‹, nicht bloß Gutes tun; elsässisch ›mer kann nit als furt Sid spinnen‹.
   Verneint bedeutete die Formel also: grob, unhöflich sein. J. Brenz in ›Von Milderung der Fürsten‹ (Augsburg 1525): »er wißt wol, das er gegen seinen Vnderthonen auch nit allweg Seyden hett gespunnen«. Seide spinnen bedeutete auch: leichte Arbeit tun. In diesem Sinne heißt es 1580 bei Tob. Stimmer (›Comedia‹): »Da ist kein Feyrtag noch Seidenspinnen / Im Schweiß muß er sin Brot gewinnen«.
   In der Bedeutung ›keinen Vorteil bei etwas haben‹ ist ›Seide spinnen‹ in verneinter Form seit dem 17. Jahrhundert belegt: »Der König hir hatt woll, wie man sagt, gar keine Seide bey dem Krieg gespunden« (Briefe der Liselotte, herausgegeben von Holland, Bd. I, S. 120). »Er wird dabei keine Seide spinnen / hac re finem equidem prosperum non consequetur« (C.E. Steinbach, Vollst. deutsches Wörterbuch II, 1734).
   Die beiden spinnen keine gute Seide: sie vertragen sich nicht miteinander.
   Im Volkslied begegnet die Wendung ›Seide spinnen‹ in übertragener Bedeutung auf Mädchen bezogen. Von der ermordeten Schwester sagt der nach ihr befragte Mörder:

   »Dort oben auf jener Linde,
   Schwarzbraune Seide tut sie spinnen«
   (Wunderhorn).

Sein Schicksal (die Sache usw.) hing am seidenen Faden: er war in höchster Gefahr, ein guter Ausgang der Sache war höchst zweifelhaft, Faden; vgl. frz. ›tenir ä un cheveu‹ (Haar), Haar. Das Motiv des Damoklesschwertes findet sich auch in zahlreichen dt. Volkserzählungen, doch abgewandelt zum »Mühlstein am seidenen Faden'.
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