Redensarten Lexikon
Schüssel
Die Schüssel leer finden oder Nur leere Schüsseln finden: nichts mehr vorfinden; keinen Anteil erhalten, eigentlich: zu spät zum Essen kommen, wenn nichts mehr übriggeblieben ist. Vergleiche lateinisch ›Ne bolus quidem relictus‹ (Erasmus, 517); französisch ›être obligé de diner par coeur‹; englisch ›to dine with Duke Humphrey‹ und niederländisch ›de Hond in de pot vinden‹, in dem Augenblick kommen, wenn der Hund den Topf ausleckt und die Knochen erhält.    Vor leeren Schüsseln sitzen: Hunger leiden müssen; vgl. französisch ›danser devant le buffet‹ (vor dem (leeren) Küchenschrank tanzen).
   ›Eine reine Schüssel und nichts drin haben‹ heißt es in der Niederlausitz von einer Bäuerin, die viel putzt und zu wenig Zeit und Interesse für die Landwirtschaft hat.
   Aus einer Schüssel essen: zusammengehören, gleiches Schicksal haben, die gleichen Meinungen und Ziele haben, zusammenhalten, eigentlich: zu der bäuerlichen Hausgemeinschaft gehören, die miteinander vertraut war und aus einer großen Schüssel aß. Vergleiche lateinisch ›eodem bibere poculo‹ und niederländisch ›Zij eten uit éénen schatel‹.
   Aus zwei Schüsseln zugleich essen: von zwei Seiten Vorteile haben, aus zwei Stellungen Gehalt beziehen; vgl. französisch ›manger à tous les râteliers‹ (aus allen Futterkrippen sowie ›s'emparer de l'assiette au beurre‹ (nach der Butterschüssel greifen).
   Immer der erste in der Schüssel sein wollen: nur an sich denken, sich das Beste vorwegnehmen, sich unverschämt vordrängen und etwas beanspruchen, was einem nicht zukommt. Vergleiche auch das Sprichwort ›In der Schüssel der erste, aus dem Bett der letzte‹.
   Einem die große Schüssel vorsetzen: ihn bevorzugen, ihm die größten Vorteile zuwenden.
   Einem etwas in die Schüssel bieten (bringen, legen, werfen): ihn unterstützen, ihm Zuwendungen machen, zu seinem Lebensunterhalt beitragen, auch: ihn auf seine Seite bringen, ihn bestechen. Vergleiche niederländisch ›Iemand iets in zijn schotel schaffen‹, englisch ›to lay a thing in one's dish‹ und französisch ›mettre les petits plats dans les grands‹: jemanden köstlich bewirten. Tablett.
   Es hat ihm gut in die Schüssel geregnet: er hat eine große Erbschaft erhalten, er ist über Nacht (im Schlafe) reich geworden. Vergleiche niederländisch ›Het heeft veel geregend in zijne kom‹.
   Verdeckte Schüsseln auftragen: seine Absichten nicht verraten, sich mit einem Geheimnis umgeben. Vergleiche niederländisch ›Met gedekte schotels opdischen‹ und die ähnliche deutsche Wendung ›Seine Karten nicht aufdecken‹.
   In seine eigene Schüssel schauen: sich um sein Haus, um seine eigenen Angelegenheiten zuerst kümmern.
   Das ist eine Schüssel aus seiner Küche: das stammt unbedingt von ihm, das kann nur er fertiggebracht haben, das ist ein Streich, der ihm ähnlich sieht. Vergleiche französisch ›C'est un plat de son métier‹.
   Dir hab' ich schon lang' was auf der Schüssel: mit dir habe ich noch etwas abzurechnen. Die Wendung wird als Drohrede gebraucht. Die wienerische Redensart ›Sie ist aus der zehnten Schüssel‹ meint: sie ist eine sehr entfernte Verwandte.

• A. HABERLANDT: Artikel ›Schüssel‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens IX (Nachtr.), Spalte 396-399.}

    Aus einer Schüssel essen. A. van Ostade: Bauernfamilie vor gemeinsamer Schüssel beim Tischgebet, 1653, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstichkabinett. Aus: Sigrid und Wolfgang Jacobeit: Illustrierte Alltagsgeschichte des deutschen Volkes 1550-1810, Köln 1986, Abbildung 218.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Schüssel