Redensarten Lexikon
Schule
Hinter (neben) die Schule gehen: den Unterricht absichtlich versäumen; seit 1691 durch Stieler gebucht. Gemeint ist ursprünglich: statt ins Schulhaus daran vorbeigehen. Bei Platen heißt es (1839): »wenn ich nicht hinter die Schule gegangen wäre, so könnt ich lesen«. Es gibt zahlreiche mundartliche Varianten. Im Elssaß bezeichnet man mit ›Neweh d Schuel gehn‹ auch Ehemänner, die ›neben hinaus‹ gehen. Vergleiche niederländisch ›Hij heeft achter de haag geloopen‹ und französisch ›faire l'école buissonnière‹. In gleicher Bedeutung sprechen wir von Die Schule schwänzen. ›Schwänzen‹, (eine Vorlesung) versäumen, ist um die Mitte des 18. Jahrhunderts aus rotwelsch ›schwentzen‹ = herumschlendern, bummeln von Studenten übernommen worden; durch Hagedorn und Schiller wurde es schriftsprachlich; vgl. französisch ›sécher l'école‹ (Schülersprache).    Man hat ihn in die Schule gebracht (genommen): man hat ihn in Zucht und Ordnung genommen, ihn hart angefaßt. Hier wird die Schule als Erziehungsanstalt fürs Leben gesehen. Jiddisch ›+jidischMän hot ihn genömmen in Cheeder (= Schule) hinein-jidisch‹. Schweizerisch ›I will di in d'Schuel füere-n, daß lehrsch läse‹, ich will dir zeigen, wer recht hat.
   In die Schule gefoppt werden: durch Versprechungen zu einem Übel verlockt werden, wie man das Kind z.B. durch Süßigkeiten und Versprechen zum Besuch der Schule bringt. 1866 die jiddische Form ›So werd me ins Cheeder geuzt‹.
   Jemanden noch in die Schule schicken müssen: ihn erst einmal die Anfangsgründe seines Berufs erlernen lassen; vgl. französisch ›renvoyer quelqu‹un a l'école‹.
   Bei jemandem noch in die Schule gehen können: bei einem noch viel lernen, sich seine Erfahrung zunutze machen können. Vergleiche niederländisch ›Gij kunt bij hem nog wel school gaan‹.
   Miteinander in eine Schule gegangen sein: sich gut kennen und dieselben Fehler besitzen. Vergleiche lateinisch ›Eodem in ludo docti sunt‹; französisch ›être allé à l'ecole ensemble‹.
   Die Wendung Ich bin auch mal zur Schule gegangen dient der empörten Zurückweisung überflüssiger Belehrungen.
   Alle Schulen durchgemacht haben; sehr viel Lebenserfahrung besitzen, auch in negativer Bedeutung durchtrieben sein, es faustdick hinter den Ohren haben.
   Eine Schule zuviel haben: dünkelhaft, eingebildet, närrisch sein; schwäbisch ›Er hat e Schul z'viel‹.
   Von der alten Schule sein: sehr höflich, formvollendet sein. ›Ein Kavalier der alten Schule‹ ist einer, der sich Damen gegenüber sehr galant und zuvorkommend verhält; meist anerkennend gesagt, z.B. ›Man wäre heutzutage froh, man fände noch einen Kavalier der alten Schule‹. Zuweilen hat sich jedoch Anerkennung in Tadel gewandelt, und man benutzt die Wendung als abfällige Bezeichnung für einen Mann älteren Jahrgangs, der glaubt, sich alles, besonders Frauen gegenüber, erlauben zu können. Als Beispiel für diese Bedeutungsveränderung ein Beleg aus der modernen deutschen Literatur: »Der Mann, der hier das Wort führt, am Tischende der Runde vorsitzt, ein Chirurg um die sechzig, zu Scherzen immerzu aufgelegt, faßt die junge Frau des Kollegen beim Arm, um sie zu ihrem Platz zu geleiten, drückt beiläufig an ihrem Oberarm in Brusthöhe herum, mit der anzüglichen körperlichen Bedrängung, die dem Kavalier alter Schule immer erlaubt ist, um dann wenig später mit der Kellnerin seine Späße zu machen, blinkender Goldzahn, nennt die servierte Kasserolle mit Mixed Grill einen Panzerkreuzer und bekommt sofort einen Frostbeschlag auf die Augen, wenn diese zufällig auf seine Frau treffen« (Botho Strauß: Paare, Passanten, S. 69-70).
   Einmal durch die Schule laufen wie die Sau durch den Kot; Durch die Schule gegangen sein wie der Esel durch die Mühle: nur eine oberflächliche Bildung besitzen, nur wenig Nutzen von der Schule haben, vielerlei, aber nichts gründlich gelernt haben. Aus der Schule schwatzen (oder jünger: plaudern, auch: klopfen, waschen): von Dingen reden, die eigentlichen Geheimnisse eines bestimmten Kreises sind. Der ursprüngliche Sinn der Redensart dürfte sein: die Wissenschaft eines besser unterrichteten Kreises vor dem Volke preisgeben, wobei man namentlich an das Wissen der Ärzte denken mag. Aber auch schon den Schülern der griechischen Philosophenschulen war es nicht gestattet, das in der Schule Gelernte an Außenstehende weiterzugeben. Die Redensart findet sich 1512 bei Murner in seiner ›Narrenbeschwörung‹ (55, 2): »usz der schuolen sagen« und in der ›Zimmerischen Chronik‹, Bd. 2, S. 465: »Das unsellig mendlin hat sein glück nit erkennen oder behalten künden, sondern sich vil berüempt und außer der schuel geschwetzt«. Die Redensart ist weit verbreitet, wie die zahlreichen mundartlichen Belege zeigen. Elsässisch ›us der Schuel bapple‹ ›ut'r Schaule kören‹ oder schweizerisch ›us der Schul schwätze‹.
   Andere europäische Sprachen kennen die Redensart ebenfalls, so niederländisch ›uit de school klappen‹, französisch ›dire des nouvelles de l'école‹ (heute ungebräuchlich) oder englisch ›to tell tales out of (the) school‹.
   Schule machen: Nachahmer finden, so wie etwa die großen Maler des Mittelalters und der Renaissance ihre Malschulen hatten; vgl. französisch ›Faire école‹
   Jemand hat seine Schularbeiten gemacht: jemand hat sich für eine Aufgabe gut vorbereitet, hat sein Pensum geschafft; offenbar aus dem amerikanischen ›he has done his homeworks‹.
   Aus dem bildungsbürgerlichen Zitatenschatz stammt die zu schulischer Leistung auffordernde Wendung: ›Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen‹. Tatsächlich lautet die Formel in den ›Epistulae morales‹ 106 des Lucius Annaeus Seneca (4 v. Chr. – 65 n. Chr.) genau umgekehrt: ›Non vitae, sed scholae discimus‹.

• O. SUTERMEISTER: Der Schulmeister im deutschen Sprichwort (Aarau 1878); K. KNORTZ: Der Schulmeister in Literatur und Folklore (Evansville [Ind.] 1899); E. REICKE. Lehrer und Unterrichtswesen in der deutschen Vergangenheit (Leipzig 1901); R. BEITL: Volkskunde und Schule (Leipzig 1934); L. SCHMIDT: Volksglaube und Volksbrauch (Berlin 1966); E. MOSER- RATH: Lustige Gesellschaft (Stuttgart 1984), S. 171-182.
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