Redensarten Lexikon
Schnee
Und wenn der ganze Schnee verbrennt!: trotz alledem, oft mit dem Zusatz: Die Asche bleibt uns doch! Dieser Ausruf dient bei gewagten Unternehmungen zur Bekräftigung, daß trotz möglicher Mißerfolge alles versucht werden soll, und zur Bekundung eines festen Entschlusses, z.B. beim Kartenspiel. Die Wendung ist besonders in Berlin, Obersachsen und Schlesien in mundartlicher Form bekannt; Gerhart Hauptmann verwendet sie 1892 auch literarisch in seinen ›Webern‹; am Ende des V. Aktes.    Den Schnee für Salz verkaufen wollen, auch: Einem Schnee für Baumwolle verkaufen: ihn übervorteilen, betrügen wollen, eine wertlose Sache als begehrenswert darstellen und voller Eifer feilbieten. Schon Heinrich Bebel erzählt als eine ›Res gesta atque sibi cognatissima‹, ein Bote habe einem neugierigen Frager als Neuigkeit aufgebunden, daß einer verbrannt worden sei, weil er Schnee hinter dem Ofen gedörrt und für Salz verkauft habe. Auch im ›Lügenlied‹ des Suchenwirth heißt es (148, 72): »das salz seudet man auz snee«. Die Redensart Den Schnee im Ofen backen (dörren), eine Umschreibung für törichtes und vergebliches Tun, begegnet häufig in der mittelalterlichen Schwankliteratur, z.B. bei Sebastian Franck (II, 13), in Paulis ›Schimpf und Ernst‹ und in Kirchhoffs ›Wendunmuth‹ (I, Nr. 236). Vgl. auch niederländisch ›Hij wil sneeuw in den oven bakken‹ und englisch ›He roasts snow in a furnace‹. Ähnlich heißt es bei Keller in den Schwänken (5): »wer an der sunnen schnee will derren«, daß derjenige eine unnütze Arbeit versucht. Pieter Bruegel bezieht sich in seiner Darstellung der gleichen Redensart auf Rabelais' Stoffkreis der ›Absurda und Praepostera‹. In Bayern und Österreich braucht man im gleichen Sinne die Wendung ›den Schnee selchen‹.
   Das ist schwarzer Schnee: es ist etwas völlig Unmögliches, das nie eintreten wird. Schon Hartmann von Aue gebraucht diesen Ausdruck in seinem ›Büchlein‹ (614):

   ich gloube an sîne wîsheit
   hinnen fürder niht mê
   dan an wizen koln und swarzen snê.

Schwarzen Schnee suchen: sich vergeblich abmühen. Die Antwort auf eine neugierige Frage nach einem ungewissen Zeitpunkt heißt ähnlich: Wenn schwarzer Schnee fällt, also nie oder am St. -Nimmerleins-Tag, auch mundartlich. Im Westfälischen erhält die Wendung noch einen scherzhaften Zusatz: ›wann de schwarte Schnei fällt und de Lûs 'n Daler gelt‹. Im Obersächsischen antwortet man auf die neugierige Frage, wann im Ort Kirchweih sei: ›Kirmes fällt (bei uns) acht Tage vor'm ersten Schnee‹, d.h. dieses Fest wird überhaupt nicht gefeiert, Pfingsten.
   Den Schnee des vorigen (vergangenen) Jahres suchen: sich um eine längst abgetane und vergessene Sache bekümmern, auch: Vom vorjährigen Schnee reden. Vgl. niederländisch ›Hij praat van de sneeuw, die in het ander jaar viel‹. Schon François Villon fragte im 15. Jahrhundert in der ›Ballade des dames du temps jadis‹: »Mais où sont les neiges d'automne?« Das ist alter Schnee: das ist altbekannt und uninteressant, vgl. lateinisch ›anni nives praeteriti‹.
   Schnee nach Lappland (Spitzbergen) tragen: etwas völlig Überflüssiges tun, vgl. ›Eulen nach Athen tragen‹, Eule.
   Wie Schnee an der Sonne bestehen: unbeständig und unzuverlässig sein; vgl. französisch ›Cela fond comme neige au soleil‹.
   Einen Schnee auf etwas fallen lassen: Zeit darüber vergehen lassen, damit es in Vergessenheit gerät, damit der Zorn verraucht.
   In manchen Schnee gepißt haben: erfahren sein, in der Welt herumgekommen sein. Heute ist ›Schnee‹ auch eine Umschreibung für die Kokain-Droge.

• ZIMMERMANN: Artikel ›Schnee‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VII, Spalte 1273-1278; CH. SADOUL: Note sur le folklore de la neige, in: Folklore Brabançon 22
(1950), S. 226-232.
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