Redensarten Lexikon
Schläge
Jemandem einen Schlag versetzen: ihn sehr enttäuschen, ihn vor den Kopf stoßen, eigentlich ihn unvermutet angreifen, ihm Schmerzen zufügen; vgl. französisch ›donner un coup a quelqu'un‹.    Ähnlich Ein Schlag ins Gesicht für jemanden sein: eine äußerst unangenehme Überraschung, eine schwere Beleidigung, eine öffentliche Kränkung sein. Häufig hört man heute dafür auch in übertragener Bedeutung die Redensart Ein Schlag in die Magengrube sein, deren sprachliches Bild an einen besonders wirkungsvollen, aber nach den sportlichen Regeln untersagten Angriff beim Boxen erinnert; vgl. französisch ›un coup à l'éstomac‹.
   Prügel hielt man lange für die beste Erziehungsmethode, auch heute noch heißt es in diesem Sinne von der Züchtigung: Schade um jeden Schlag, der daneben geht! Der Schlag wird andererseits aber auch dafür verantwortlich gemacht, wenn jemand beschränkt geblieben ist. Die Frage Du hast wohl einen Schlag auf den Kopf bekommen? gilt als mitleidiger Spott für einen dummen Menschen oder für einen, der sich plötzlich wie geistesgestört verhält; vgl. französisch ›Tu as pris certainement un coup sur la tête‹.
   Ähnlich Einen Schlag (Hau, Hieb) weghaben, Einen Schlag schräg haben und scherzhaft Einen Schlag mit der Wichsbürste gekriegt haben und mundartlich im Niederdeutschen ›He het enen Slag van der Windmolen‹. Vgl. niederländisch ›Hij heeft een; slag met den meelzak weg (van der Kamper molen weg)‹.
   Mit einem Schlag zwei Fliegen treffen: durch eine einmalige Bemühung doppelten Erfolg haben; vgl. französisch ›faire d'une pierre deux coups‹. Vgl. die Wendung ›Sieben auf einen Streich‹, Streich. Der Schlag gab Öl (kein Öl) stellt man auch nach einem gelungenen (mißglückten) Unternehmen fest.
   Ein Schlag ins Wasser sein: eine wirkungslose, vergebliche Maßnahme sein. Die heute sehr geläufige Redensart ist erst seit dem 19. Jahrhundert belegt. Sie umschreibt eine Tätigkeit, die keine nachhaltigen Folgen hat, also eine nutzlose Bemühung. Bereits Walther von der Vogelweide gebraucht ein ganz ähnliches sprachliches Bild in seiner ›Elegie‹, als er wehmütig der vergangenen Zeiten gedenkt:

   als ich gedenke an manigen wünneclîchen tac,
   die mir sint enpfallen sam in daz mêr ein slac,
   iemer mêre ouwê!

Die Redensart ist wohl entstanden aus der älteren Wendung ›Das Wasser mit Ruten schlagen‹, niederdeutsch ›mit der Rood in't Water slan‹. Im Wendthagenschen ›Bauernrecht‹ von 1731 heißt es: »Nichts mehr ..., als wenn man mit einer Ruthen ins Wasser schlägt«, und Mommsen schreibt in seiner ›Römischen Geschichte‹ (1894, 5, 50): »So sind auch die Ergebnisse seiner Siege wie ein Schlag ins Wasser verschwunden«. Vgl. französisch. ›un coup d'épée dans l'eau‹.
   Keinen Schlag tun (arbeiten): nichts vollbringen, keine Hand rühren. Die Wendung bezieht sich ursprünglich wohl auf das Fällen und Bearbeiten von Holz.
   Einen Schlag machen: großes Glück haben, ein gutes Geschäft machen. Die Redensart erinnert an den früher üblichen Geschäftsabschluß durch Handschlag. Vgl. niederländisch ›zijn slag slaan (waarnemen)‹, eine günstige Gelegenheit wahrnehmen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Seit 1900 besitzt die Wendung noch die weitere Bedeutung: seinem Vergnügen nachgehen, tüchtig zechen und schlemmen.
   Bei jemanden Schlag haben: sich seiner Gunst erfreuen. Die Redensart leitet sich vermutlich aus der Soldatensprache her: der Essenausteiler gab dem begünstigten Soldaten eine Portion mehr. ›Schlag‹ meint hier wohl die Bewegung des Auffüllens. Ähnlich Schlag haben: Erfolgsaussichten besitzen, vor allem in der Umgangssprache der Jugendlichen üblich.
   Vom alten Schlage sein: von guter alter Art, von bewährter Treue und Rechtschaffenheit sein. Der Vergleich stammt aus dem Münzwesen wie die Redensart ›Von echtem Schrot und Korn sein‹. Lessing verweist deutlich auf diesen ursprünglichen Zusammenhang, wenn er feststellt: »Die alten Jungfern sind wie die Münzen vom alten Schlage«.
   Der Schlag im Sinne von Rasse, Menschenschlag (vgl. ›Geschlecht‹ und ›ungeschlacht‹) ist gemeint in den Wendungen Vom selben Schlage sein und Von einem Schlage sein: die gleiche Art besitzen. Diese Redensarten haben häufig negativen Sinn: keiner ist besser als der andere. Auch die holsteinische Wendung ›Dat is ên vun dat rechte Slag‹ ist ironisch gemeint und heißt soviel wie: der taugt nicht viel.
   Das ist mein Schlag: stellt derjenige fest, dem ein anderer Mensch gefällt, in seiner Art besonders zusagt, der übereinstimmende Wesenszüge bei ihm entdeckt.
   Auf den Blitzschlag beziehen sich mehrere Redensarten: Wie vom Schlage getroffen (gerührt) sein: im höchsten Grade bestürzt sein (auch ein Zusammenhang mit dem Schlaganfall wäre hier denkbar); vgl. französisch ›Coup de foudre‹.
   Mit einem Schlage, Auf einen Schlag: plötzlich, ganz überraschend; vgl. französisch ›tout d'un coup‹ oder ›d'un seul coup‹.
   Schlag auf Schlag: in rascher Folge hintereinander wie die Blitz- und Donnerschläge bei einem Gewitter, in übertragener Bedeutung ein Unglück nach dem anderen, dann aber auch: eine Pointe nach der anderen, so literarisch z.B. von Gleim gebraucht. Er schreibt ›Beim Lesen eines wizreichen Buchs‹:

   Wiz auf Wiz!
   Bliz auf Bliz!
   Schlag auf Schlag!
   Ob's auch einschlagen mag?

Der Schlag wird bald geschehen: ein Unglück steht nahe bevor.
   Das ist ein Schlag ins Kontor: ein Ereignis, das wie ein Donnerschlag erschreckt, eine unangenehme Uberraschung, eine große Enttäuschung. Beim Kartenspiel meint der Ausruf ein wider Erwarten verlorenes Spiel.
   Einen Schlag warten: einen Augenblick zögern. Die Redensart leitet sich vom Glockenschlag her und veranschaulicht besser als ›Augenblick‹ die genaue Zeitspanne zwischen zwei Glockenschlägen oder die Dauer des Glockenschlags selbst. In den gleichen Zusammenhang gehören die Wendungen: ›Eine geschlagene Stunde‹ (Viertelstunde), ›Geschlagene zehn Minuten warten müssen‹.
   Eine noch andere Wortbedeutung von Schlag zeigt die Redensart Den Schlag zumachen, wenn die Tauben fort sind: erst etwas unternehmen, wenn das Unglück bereits geschehen ist, Brunnen, Stall.
   Einen Schlag mehr bekommen als der Hund heißt es scherzhaft auf die neugierige Frage der Kinder, was sie wohl zum Geburtstag bekommen werden.
   Die Züchtigung der Kinder, Weiber und Dienstboten und die Prügeleien der Erwachsenen untereinander spielen in den Redensarten und sprachlichen Vergleichen eine große Rolle, wie die folgende Auswahl erweist.
   Trockene Schläge bekommen: Prügel erhalten, die keine Blutungen und Verletzungen verursachen, so schon im germanischen Recht unterschieden. Vgl. niederländisch ›het zijn blinde mans slagen‹. Auch: Blinde Schläge führen: keinen großen Schaden zufügen. Schläge und faule Fische bekommen: von einem doppelten Übel betroffen werden, harte Bestrafung erleiden müssen. A. Tendlau (Sprichwörter und Redensarten deutsch-jüdischer Vorzeit, Frankfurt/M. 1860, S. 627) vermutet, daß diese Redensart auf einer Erzählung (›Fellmeier's Abende‹ XXII) beruhe: »Ein Herr befahl seinem Diener, auf den Markt zu gehen und Fische zu kaufen. Der Diener ging und kaufte todte Fische, die schon übel rochen. Darüber erzürnte sich der Herr und sagte zum Diener: Du hast die Wahl, entweder ißt du selbst die Fische oder erhältst hundert Schläge, oder du zahlst hundert Gulden. Der Diener wählte, die Fische zu essen. Als er aber einen Theil gegessen hatte, konnte er nicht weiter und bat, ihm das Essen zu erlassen und lieber die Schläge zu geben. Doch auch diese konnte er nicht bis zu Ende aushalten, er wollte lieber hundert Gulden Strafgeld geben. So hatte er alle drei Strafen erlitten, faule Fische gegessen, Schläge erhalten und Strafgeld gezahlt«. Die Redensart kann aber auch an eine Strafart in Polen und Rußland erinnern, wo man den Gefangenen zu den Schlägen nur faule und stark gesalzene Fische gereicht haben soll, um sie den Durst noch qualvoller empfinden zu lassen.
   Mehr Schläge als Brot erhalten: sehr streng erzogen werden.
   Um die große Zahl der Schläge zu veranschaulichen, sagt man: Es regnet (hagelt) Schläge auf den Rücken; vgl. französisch ›Les coups pleuvent sur le dos de quelqu'un‹.
   Allzuviele Schläge können absolut wirkungslos bleiben, weil der Bestrafte sie hinnimmt und rasch vergißt. Diese Tatsache umschreibt die Redensart Die Schläge abschütteln wie der Hund die Flöhe überaus treffend. Vgl. wienerisch ›Der beutelt die Schläg ab, wia de Hund d' Flöh‹. Die Heftigkeit und Wirkung der Schläge werden ebenfalls redensartlich geschildert: Schläge bekommen, daß das Fell raucht, daß man den Himmel für einen Dudelsack (für eine Baßgeige) ansieht, vgl. niederländisch ›Hij kreeg een'
klap, dat hij den hemel voor eene viool, en de aarde voor een' strijkstok aanzag‹; Schläge nach Noten erhalten; Schläge kriegen, was das Zeug hält; Schläge (Prügel) bekommen wie ein Jagdhund, wie ein Esel, wie ein Tanzbär, da man die Tiere auf diese Weise abrichtet. Die Zusammenstellung anderer Ausdrücke, die das Schlagen und Geschlagenwerden veranschaulichen, vermittelt einen Eindruck von der Beliebtheit dieses Themas und von der sprachlichen Erfindungsgabe, z.B. in den Wendungen ›einem Bengelsuppe‹, auch ›Prügelsuppe geben‹, so schon 1548 bei Burkard Waldis im ›Esopus‹ (4, 74, 80) belegt:

   Man kan ein schleffrigen Knaben
   Mit einer Prügelsuppen laben.

Scherzhaft sagt man auch: ›Einem etwas Prügelsaft verordnen‹ oder ›Einen mit Schlagbalsam versehen‹.
   Neben den gebräuchlichen Ausdrücken, wie ›Prügel‹, ›Schläge‹, ›Hiebe‹, ›Ohrfeigen‹, ›Maulschelle‹, und den umgangssprachlichen und mundartlichen Wörtern, wie ›Dresche‹, ›Keile‹, ›Holze‹, ›Bimse‹, ›Wichse‹, ›Schmiere‹, ›Fotzen‹, ›Dachtel‹, gibt es zahlreiche Neubildungen, die auf die Schlagwerkzeuge anspielen: ›Ungebrannte Asche‹, ›Farrenschwanz‹, ›Gabelwurzel‹, ›Rutenelixier‹, ›Steckenöl‹, ›Trümelbraten‹, ›Scheiterkraut‹, ›Besenstil-Pasteten‹, ›Eine Portion Schlagwurst‹, ›Schlägelküchlein‹, ›Fausttäflein‹, ›Fußmilch‹ und ›Fünffingerkraut‹.
   Redensartlich gibt man jemandem ›Einen Deuter‹, ›Einen Fingerzeig‹, ›Eine böse Nuß auf den Kopf‹, ›Kopfnüsse‹, ›Einen Kopfgroschen‹ oder ›Einen Nasenstüber‹. In Niederösterreich verabreicht man ›einen Schilling Streiche‹, in Westfalen gibt es ›Essigsaures‹ oder allgemein auch ›Jackenfett‹. Ironisch spricht man von einem ›Fisch ohne Gräten‹ oder den ›Knallschoten, die aus der flachen Hand wachsen‹, man ›Verabreicht den Genickfang‹ oder ›Einen Fünfthalerschein, an dem der Empfänger mehrere Tage zu wechseln hat‹, in Süddeutschland macht man ›warme Umschläge‹.
   Mit der Redensart Nicht vor dem ersten Schlaganfall! weist man eine Hilfeleistung zurück. Bei Ungeschicklichkeit seufzt man in Österreich ›Es ist zum Schlagtreffen!‹
   Ein Schlaglicht auf eine Sache werfen: einen guten Einblick geben, das Augenmerk darauf lenken, bezeichnend für etwas sein. Das ›Schlaglicht‹ war ursprünglich ein Malerausdruck aus dem 18. Jahrhundert, der den scharf begrenzten Lichteinfall bezeichnen sollte. Ebenso ist der Begriff ›Schlagwort‹ als Fachwort der Theatersprache zu verstehen, das sich heute allgemein verbreitet hat und ursprünglich gleichbedeutend mit ›Stichwort‹ gewesen ist. Heute meint man damit ein Wort, das in aller Munde ist und einen Sachverhalt ›Schlagartig‹ erhellt. Der Ausdruck ist nicht vor Jean Paul belegt.
   Starke (leichte) Schlagseite haben: betrunken sein, nicht mehr gerade gehen können, torkeln. Das sprachliche Bild beruht auf dem Vergleich mit einem Schiff, das sich zur Seite neigt, wenn es nicht gut gebaut oder falsch beladen ist. Seit dem 17. Jahrhundert bezeichnet die Schlagseite in übertragener Bedeutung bereits die geneigte Lage selbst, erst im 20. Jahrhundert ist aber das Bild für den taumelnden Betrunkenen aus der Seemannssprache entlehnt worden; vgl. ›schief geladen haben‹, trinken.
   Schlagzeilen machen: so großes Aufsehen erregen, daß sogar die Zeitungen auf ihren Titelseiten groß darüber berichten.

• P. SARTORI: Artikel ›Schlag, schlagen‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VII, Spalte 1091-1114; L. HONKO: Krankheitsprojektile (Folklore Fellows Communication 178) (Helsinki 1959); W. HÄVERNICK: »Schläge« als Strafe (Hamburg 4. Auflage 1970); O.G. SVERRISDÓTTIR: Land in Sicht (Frankfurt/M. 1987), S. 55.}

Ein Schlag ins Wasser. Holzschnitt von Hans Sebald Beham, 1526, Geisberg Nr. 239.
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