Redensarten Lexikon
Schlafittchen
Jemanden beim Schlafittchen kriegen (auch packen, nehmen, halten): jemanden am Kragen oder Rockzipfel packen, ihn festhalten, erwischen; auch: ihn derb zurechtweisen. Die Herkunft ist nicht ganz sicher geklärt. M. Richey deutete 1743 in seinem ›Idioticon Hamburgense‹ Schlafittchen als ursprünglich ›Schlagfittich‹, also die Schwungfedern der Vögel: »Daher die Redensart: ›eenen by der Slafittje kriegen‹, so viel bedeutet, als einen beym Flügel erwischen, das ist, beym Aermel oder beym Kleide zu packen kriegen«. In gleicher Bedeutung heißt es niederländisch ›iemand zijne slagpennen uittrekken‹ oder ›iemand bij de kladden grijpen‹; englisch ›to collar a person‹.    Besonders in niederdeutschen und mitteldeutschen Mundarten ist die Redensart seit dem 18. Jahrhundert verbreitet; zahlreiche Nebenformen zu Schlafittchen haben sich gebildet, so etwa ›Schlafittel‹, ›Slafitten‹ oder ›Schlavitt‹ und durch Vermischung mit der Redensart ›Jemanden beim Wickel kriegen‹: ›bi'n Schlawickel kriegen‹ (Schleswig-Holstein).
   Neben Schlafittchen hört man vielfach auch: ›Einen beim Fittich kriegen‹. In Grimmelshausens ›Simplicissmus‹ heißt es in gleichem Sinne:« Ich hatte aber zu solchem End meine Sackpfeife kaum aufgeblasen, da ertappte mich einer aus ihnen beim Flügel« (3.
Kap.). Die Form ›Schlafittchen‹ war ursprünglich Dativ Plural, wurde jedoch später als solche nicht mehr verstanden und als Verkleinerungsform aufgefaßt, daher: beim Schlafittchen. In Königsberg soll statt Schlafittchen ›Klaffêz‹ üblich gewesen sein, in Litauen ›Klafittchen‹, ebenso in der Gegend von Hildesheim. Von diesen Formen leitet sich die folgende Erklärung her: hebräisch ›khâlif‹ = Kleid wurde in der Gaunersprache des Mittelalters zu ›Klaffot‹ = Rock, Kleid. Die Verkleinerung desselben würde Klafottchen heißen. Daraus wäre dann Klafittchen entstanden, wie es tatsächlich in einzelnen Gegenden Niederdeutschlands. (z.B. im Braunschweigischen) erscheint. In anderen Mundarten ist daraus ›Klüftchen‹ geworden. Eine Umwandlung von ›Klafittchen‹ zu ›Schlafittchen‹ ist jedoch lautlich nicht zu rechtfertigen. Ganz unhaltbar ist auch die Erklärung H. Schröders (Streckformen S. 189), ›slawitje‹, ›slafitje‹ sei eine Streckform aus niederdeutsch ›slitje‹, der angeblichen Verkleinerungsform von ›slip(pe)‹ = Rockzipfel. Kanthaken

Jemanden beim Schlafittchen kriegen. Moritz von Schwind: ›Krähwinkeliaden‹, 1826.
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