Redensarten Lexikon
schinden
Jemanden (zu Tode) schinden: einen mißhandeln und unsäglich quälen, ihm ständig neue Mühen und schwierigste Arbeiten aufbürden und dabei nur einen Hungerlohn zahlen, zu hohe Abgaben (Steuern) erpressen und dadurch weitere Lebensmöglichkeiten vernichten. Die Redensart bezieht sich auf die Tätigkeit des verachteten Schinders, der gefallenem Vieh die Haut abzog und wegen seiner Roheit auch bei Hinrichtungen grausamer Art vom Henker zu Hilfe gerufen wurde. Zur größeren Qual wurde dem Verurteilten die Haut in Streifen vom Leibe geschnitten, der danach völlig zerstückelt wurde. Walther von der Vogelweide (85, 14) nennt schon das Schinden unter anderen grausamen Strafen:
   Ich wil sîn ouch niht brennen.
   noch zerliden noch schinden.
   noch mit dem rade zerbrechen
   noch ouch dar ûf binden.

Nach der Legende soll das Martyrium des Apostels Bartholomäus ebenfalls im Schinden bestanden haben, weshalb ihm als Attribute Haut und Messer bei Darstellungen beigegeben sind.
   Luther kennt das Schinden bei Sakramentsfrevel sogar bei Kindern und berichtet davon: »wenn ein Kind oder leie ongefehr das sacrament anrüret im munde, und wolts vom gaumen mit einem finger lösen, so schunden und scheleten sie dem Kinde ... den finger und die haut abe«. In seiner ›Beschreibung der Lande Preußen‹ (Eisleben 1599) erzählt Schütz von einem strengen Richter, »das er ihn schinden und mit seiner haut den richterstul überziehen ließ«. In übertragener Bedeutung erscheint schinden als mißhandeln, schänden und unterdrücken bereits im Alten Testament (Ex 22, 21), und Schiller schreibt über Franz Moor (›Räuber‹ IV, 5): »Der Sohn hat den Vater tausendmal gerädert, gespießt, gefoltert, geschunden!«
   Er schindet eine Laus um des Balges willen: er ist außerordentlich geizig, sucht überall zu sparen und selbst mit unmöglichen Dingen Gewinn zu erzielen. Kirchhoff schildert einen Geizhals in seinem ›Wendunmuth‹ (1, 221) durch diesen Ausdruck: »auff solche art ... wohnete in einem stettlein ein reicher burger, der ... umb den balg einem ein lausz geschindt hette«.
   Häufig bezieht sich schinden auf das Erpressen und gewaltsame Eintreiben des Geldes oder auf das Übervorteilen durch einen Wucherer. In der ›Hennenberger Landtafel‹ von 1595 (342) wird von dieser Art des Schindens berichtet: »da war ein pfleger zu Passenheim, den die unterthanen, umb seines schindens halben den geitzbauch nenneten, und was dieser erschunde, schicket er gen Nürnbergk«.
   Einen schinden und schaben bis auff den grat: einen bis zum Äußersten ausplündern und aussaugen. Diese Redensart, die bei Erasmus (814), bei Mathesy (243a) und bei Tappius (203a) belegt ist (vgl. auch lateinisch ›Radit usque ad cutem‹), wird heute durch die Wendungen ›Einem das Fell über die Ohren ziehen‹ oder ›Einen bis aufs Hemd ausziehen‹ ersetzt.
   Grimmelshausen läßt im ›Rathstübel Platonis‹ den Knän als Vertreter des Bauernstandes aussprechen, was viele Untertanen so empfunden haben mögen: »Es ist aber auch wahr, ein jeder rupft an uns, und will reich an uns werden, es ist ja deß Schindens und Schabens kein Ort und kein End«. Die Alliteration ›schinden und schaben‹ ist literarisch seit dem 16. Jahrhundert belegt und war eine überaus eindrückliche Metapher für eine umbarmherzige, die Untertanen bedrohende Obrigkeit.
   Die Verbindung schinden und schaben steht in neueren Mundarten für Knickern und Knausern der geizigen Reichen und der ständig Mangel leidenden Armen, die sparen müssen. Friedrich Hebbel schreibt 1891 (9, 48) vorwurfsvoll: »Ich begreife dein Knickern, dein Schinden und Schaben nicht«. Dagegen ließ Pestalozzi (›Lienhard und Gertrud‹ 3, 150) die Gertrud klagen: »ich bin sechzig Jahr alt und habe mein Lebtag schinden und schaben müssen wie eine Bettelfrau«.
   Sich schinden (und plagen) müssen: sich redlich mühen und plagen, sich abarbeiten, seinen Lebensunterhalt nur schwer verdienen. In Köln sagt einer, der sich rastlos mühen muß: ›Mer muß sich der janze Daach schinde un ploge, dat mer sing Arbeit jedon kritt‹. Die häufig von älteren Leuten getroffene Feststellung Ich habe mich (jemand hat sich) in meinem (seinem) Leben genug geschunden meint: ich habe einen ruhigen und sorglosen Lebensabend verdient, da ich genug Anstrengungen und Sorgen hinter mir habe.
   Den geschundenen Hund schinden: einen Nackenden ausziehen wollen, die Erpressung über Gebühr weit treiben.
   Etwas schinden nicht bezahlen und doch in den Vorteil einer Sache kommen, auf Kosten anderer genießen, sich frei halten lassen. Die Wendung wurde durch die Studentensprache verbreitet und auf viele Gebiete übertr., z.B. Eine Vorlesung (ein Kolleg) schinden: eine Vorlesung heimlich besuchen, ohne die Gebühren zu bezahlen; Eintrittsgeld, Fahrgeld, Gebühren schinden; aber auch: Ein Lokal schinden: in einer Wirtschaft mit anderen zusammentreffen und nichts verzehren. Den Leipziger Juristen wurde nachgesagt, daß sie Vergleiche schinden wollten, d.h. die streitenden Parteien unbedingt zu einem Vergleich überreden wollten. Eine moderne Wendung ist Zeilen schinden: einen Zeitungsartikel in die Länge ziehen, da er nach der Zeilenanzahl honoriert wird.
   Zeit schinden: notwendige Zeit zu gewinnen suchen, Aufschub erlangen, um eine Angelegenheit regeln zu können.
   Eindruck schinden wollen: mit einer besonderen Leistung, durch eine einmalige Anstrengung einen günstigen Eindruck erwecken wollen, sich Achtung und Lob verdienen.
   Etwas (he)rausschinden: durch Knausern Gewinn erzielen wollen. Im Obersächsischen meint die Feststellung ›Der schind't aber!‹: er wiegt oder mißt beim Verkauf einer Ware viel zu knapp. Hatte jemand den Ruf des auf seinen Vorteil allzusehr bedachten Geschäftsmannes, verlangte man in seinem Laden scherzhaft eine geringe Menge, z.B. mit diesen Worten: »Für 10 Pfenn'ge Wurst, aber nich so schinden!«

Jemand (zu Tode) schinden. Holzschnitt von Lucas Cranach d.Ä.: Der heilige Bartholomäus, um 1512. Aus: 1472-1553, Lucas Cranach d.Ä.: Das gesamte graphische Werk, 2. Auflage München 1972, S. 254.

Jemand (zu Tode) schinden. Holzschnitt, Brant: Narrenschiff von 1494, zum Kapitel ›Nit wellen eyn Narr syn‹.

Jemand (zu Tode) schinden. Gemälde von Geer-
   aard David (1450 bis 1523): Folterung des meineidigen Richters, Stadsmuseum Brugge.
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