Redensarten Lexikon
Schelle
Einem die Schelle(n) anhängen: ihn zum Narren machen. Murner gebraucht die Redensart schon so (›Schelmenzunft‹ 4):
   Du henkest jm ein Schellen an,
   der hat dir das, der jhens gethan.

Ursprünglich galt das Schellentragen jedoch als Auszeichnung. Nach Ex 28, 33 mußte der jüdische Hohepriester Schellen an seinem Gewand befestigen: »Und unten an seinem Saum sollst du Granatäpfel machen von blauem und rotem Purpur und Scharlach um und um und zwischen dieselben goldene Schellen auch um und um«. Die Schellen galten als Zeichen der Wachsamkeit. Ihr Klang zeigte dem Volk, das im Vorhof wartete, die Verrichtungen des Priesters im Heiligtum an, so daß es diese betend verfolgen konnte.
   Im Mittelalter wurde es zu einer Mode bei den Rittern und Vornehmen, Schellen als Verzierung der Festgewänder zu verwenden. In Wolframs ›Parzival‹ (122, 8) heißt es:

   sîn zeswer arm von schellen klanc,
   swar ern bôt oder swanc.

In seinem ›Gargantua‹ (177, Neudruck) beschreibt Johann Fischart die Kleidung seines Helden Gargantua: »Er trug, ein fein wapenröcklin, daran silberne schellelein und flinderlein zum thurnieren und schlittenfahrn an kettlein hingen. Dann solchs war damals der brauch, dasz man mit eim klingenden gepräng und prangendem gekläng, als wann der hohe priester ins heiligthumb gieng, auff den platz erschien«.
   Auch Geistliche befestigten Schellen an ihren Meßgewändern, selbst Heiligenbilder wurden damit geziert, wie die Statue des ›Schellenmoritz‹ (1411 v. Konrad von Eimbeck) in der Mauritiuskirche in Halle a.S. beweist.
   Noch bei der Krönung Karls V. hatten Beamte Schellen an ihren Gewändern. Die Bauern übernahmen diesen Brauch, denn von ›Meier Helmbrecht‹ heißt es:

   dâ der ermel an daz muoder gât
   alumbe und umbe was diu nât
   behangen wol mit schellen.

Erst später erhielten die Schellen negative Bedeutung und dienten zur Kennzeichnung der Narren, ein Brauch, der sich bis heute bei den Narrenkostümen der süddeutschen Fastnacht erhalten hat.
   Die folgenden Redensarten beziehen sich auf die Schelle als Symbol für die Narrheit: Jeder hat seine Schelle: jeder hat eine närrische Seite. Die Schelle bleibt ihm unbenommen: an seiner Narrheit zweifelt niemand.
   Einem die Schellen rühren: seine Narrheit offenbaren.
   Seine eigenen Schellen schütteln: seine Schande selbst bekanntmachen. Ähnlich zu verstehen ist die Wendung bei Sebastian Franck (II, 52b): ›Er hat dannoch die schellen dauon bracht‹, er ist mit Schaden und Schande noch einmal davongekommen (vgl. ›Mit einem blauen Auge davonkommen‹).
   Alle Schellen an ein Pferd hängen: sein ganzes Vertrauen nur auf einen Menschen, eine Sache setzen, vgl. ›Alles auf eine Karte setzen‹. Im Englischen mahnt die Wendung zur Vorsicht: ›I'll not hang all my bells on one horse‹.
   Die Redensart Eine klingende Schelle sein: ohne Inhalt, ohne inneren Wert sein, bezieht sich auf 1 Kor 13, 1: »Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend(es) Erz oder eine klingende Schelle«. Vgl. französisch ›une cymbale retentissante‹.
   Da man Geschwätz mit Schellengerassel gleichsetzt, nennt man im Schwäbischen ein schwatzhaftes Weib ›eine alte Schelle‹. Auch in Oberösterreich sagt man von einer alten, ständig keifenden Frau: ›Dös is recht an altö Schell‹.
   Schellen ziehen (klopfen): jemanden necken, ärgern oder täuschen. Es ist heute noch ein beliebtes Kinderspiel, bei fremden Leuten zu schellen und sich dann zu verstecken, um deren Ärger zu beobachten. Sprachlich wird dieser Vorgang verschieden umschrieben. Am Rhein heißt es ›Mäuschen fangen‹, ähnlich niederländisch ›puisjes vangen‹, französisch ›tirer les sonnettes‹, englisch ›giving runaway knocks (rings)‹.
   Der Katze die Schelle umhängen (wollen) Katze.

• D. MÖLLER: Untersuchungen zur Symbolik der Musikinstrumente im Narrenschiff des Sebastian Brant (Regensburg 1982), besonders S. 86-87; W. MEZGER U.A. (Hrsg.): Narren, Schellen und Marotten (= Kulturgeschichtliche Forschungen 3) (Remscheid 1984); DERS.: Narrenidee und Fastnachtsbrauch. Studien zum Fortleben des Mittelalters in der europäischen Festkultur (= Konstanzer Bibliothek 15) (Konstanz 1991); D.-R. MOSER: Fastnacht – Fasching – Karneval (Graz – Wien – Köln 1986) (s. Register).}

Jeder hat seine Schelle – Schellennarr. Schellen- Unter, Schweizerische Spielkarte aus Basel, 15. Jahrhundert, Historisches Museum Basel.
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