Redensarten Lexikon
scheißen
Auf etwas scheißen: etwas gründlich verachten, darauf verzichten können, sich nicht mehr um eine Angelegenheit kümmern; sie als erledigt ansehen. Häufig erscheint diese Redensart als realisierte Metapher im Eulenspiegel Volksbuch. Die öffentliche Verrichtung der Notdurft im Angesicht eines anderen bedeutete bereits im 16. Jahrhundert gröbste Abweisung und Verachtung. Vgl. französisch ›Tu me fais chier‹, im Sinne von ›Du ärgerst mich‹.    Jemandem etwas scheißen: seine Wünsche ablehnen, seine Pläne durchkreuzen. Die Wendung ist soldatensprachlich seit dem 18. Jahrhundert bezeugt. Ähnlich Da scheißt der Hund drein: die Sache mißlingt, und Einem in den Kram scheißen: ihn stören, nicht ausreden lassen.
   Einige Wendungen sind früh durch Bildbelege oder literarisch bezeugt, z.B. heißt es schon bei Johann Fischart in der ›Geschichtklitterung‹: »Er scheißt gern zum größten Haufen«. Heute sagt man: Der Teufel scheißt immer auf den großen Haufen, d.h.: wo Geld ist, kommt immer noch mehr dazu; vgl. das Sprichwort ›Geld will zu Geld‹.
   Die Redensart Sie scheißen alle durch ein Loch (auf einen Haufen): sie stimmen überein, halten zusammen, ist in der niederländischen Redensarten-Malerei mehrmals dargestellt, z.B. von Pieter Bruegel und auf älteren niederländischen Holzschnitten; vgl. die niederländische Redensart ›Twee schijten door een gat‹.
   Er scheißt auf die Welt: er macht sich nichts daraus, ihm ist alles gleichgültig, auch: er zieht sich zurück. Diese Redensart ist ebenfalls auf Bruegels Redensarten-Bild dargestellt und auch sonst Gegenstand der niederländischen Malerei und Plastik.
   In sein eigenes Nest scheißen Nest.
   In die Hosen scheißen: große Angst haben. Dukaten scheißen können: immer Geld und Überfluß haben. Die Wendung erinnert an das Märchen vom Goldesel, ›Tischlein, deck dich‹ (Kinder und Hausmärchen der Brüder Grimm 36), oder an das Dukatenmännchen von Goslar; Geld. Iron. sagt man auch zu einem, der hofft, daß er einen Anteil vom Reichtum eines anderen erhält: Er scheißt Dukaten, darfst nur den Sack unterhalten!
   Nun scheißt das Pferd im vollen Rennen: gilt als Ausruf der Verwunderung, wenn etwas Außerordentliches geschieht oder wenn sich jemanden lange mit etwas Zeit ließ und es dann überstürzt erledigen will.
   Gegen Langeweile gibt es verschiedene derbe Ratschläge, z.B. Scheiß auf den Boden und schleife darauf oder bairisch-schwäbisch ›Scheiß in die Hand und schmeck' dran‹.
   Auch mundartliche Umschreibungen für Geiz und Knauserigkeit im eigenen Haushalt klingen oft recht drastisch: ›He schitt nich ehrer, bett he wedder wat fo frêten hatt‹ sagt man in Pommern und in Holstein ›He schitt up en Schneeball un fritt em vor Dörst (Durst)‹.
   Die schwäbische Wendung ›Scheiße und 's Fiedle putze z'mal gaht net‹, meint: gleichzeitig ist etwas unmöglich, zwei Dinge lassen sich nur nacheinander erledigen.
   Etwas ist beschissen: es ist äußerst schlecht, unangenehm, kaum erträglich; vgl. französisch ›C'est de la merde‹; Jemandem geht es beschissen: er ist in einer höchst unglücklichen Lage. Dagegen Beschissen worden sein: betrogen, übers Ohr gehauen worden sein.

• H.M. LEDIG-ROWOHLT: Die ständige Verschiebung der Tabu-Begriffe, in: Eckart-Jahrbuch (1964/1965), S. 215-224; L. RÖHRICH: Gebärde- Metapher-Parodie (Düsseldorf 1967), S. 41ff.; L. RÖHRICH: Till Eulenspiegels ›lustige‹ Streiche?, in: Eulenspiegel-Jahrbuch 21 (1981), S. 17-30. Weitere Literatur Scheiße.}

Zwei scheißen auf einen Haufen. Detail aus einem Bilderbogen aus Ost-Flandern, um 1700.

Auf die Welt scheißen. Detail aus dem Sprichwörter-Bild von P. Bruegel, 1559.
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