Redensarten Lexikon
Scheibe
Die Redensart Ja, Scheibe ist vielleicht ursprünglich auf das Scheibenschießen zu beziehen: ein schlechter Schütze, der nur die Scheibe und ›nicht ins Schwarze‹ traf, mußte sich ein verächtliches ›Ja, Scheibe!‹ oder auch nur ›Scheibenschießen‹ zurufen lassen. Dieser Ausruf wurde schließlich auch allgemein gebraucht, wenn etwas Erhofftes oder Erwartetes nicht eintrat. In Berlin kennt man die redensartlichen Wendungen: Scheibe, mein Herzken! und Scheibe mit Reis. Jedoch dürfte diese schroffe Abweisung zumeist verhüllend für ›Scheiße‹ gebraucht sein. ›Das ist mir völlig Scheibe‹ sagt man von Dingen, die einem völlig gleichgültig sind. Von jemandem, der als Vorbild gilt, an dem man sich ein Beispiel nehmen kann, von dem Kann man sich (noch) eine Scheibe abschneiden wie von einem guten Stück Brot, Kuchen, Schinken o.ä., denn er ist so gut, daß dieser Verlust seine Qualität nicht mindert.    Hat einer allzu große Langeweile, dann Zählt er die Scheiben: er widmet sich einer so unsinnigen Beschäftigung, wie es das Zählen von Fensterscheiben ist.
   Es ist eine recht alte Sitte, beim Neubau eines Hauses schöne gemalte Fensterscheiben mit Wappen und Jahreszahl der Errichtung zu stiften, um dem Besitzer des Hauses eine besondere Ehre zu erweisen. Heute noch sagt man: Ich will dir auch einmal eine Scheibe einsetzen, nun allerdings nicht mehr im realen, sondern im übertragenen Sinne: du scheinst den Sachverhalt nicht durchschauen zu können. Man kann aber ebensogut Die Scheiben einschlagen, wenn man eine völlig unerwartete Handlung unternimmt, die alles Vorhergegangene zunichte macht. In der Berliner Zeitung von 1861 (Nr. 109) hieß es: »Der Prinz Napoleon hat in der Senatssitzung vom 1. März 1861 die Scheiben eingeschlagen, indem er die Schlußfolgerung von der Broschüre des Herrn von Laguerronnière lieferte«. Vgl. französisch ›casser les vitres‹.
   Der Scheibenhonig und der Scheibenkleister bedeuten wie die Scheibe eine schroffe Abweisung; beide Ausdrücke werden ebenfalls als verhüllende Umschreibung für Scheiße gebraucht.

• O. LAUFFER: Niederdeutsches Bauernleben in Glasbildern der neueren Jahrhunderte (Berlin – Leipzig 1936).
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