Redensarten Lexikon
scharwenzeln
Ein Scharwenzel (ein richtiger Scher[r]wenzel) sein: ein überaus höflicher, unterwürfiger und dienstbeflissener Mensch, der sich zu allem gebrauchen läßt und der sogar Mißachtung und Mißhandlung ohne Widerspruch erträgt in der Hoffnung, daß dies später etwas einbringt. Die Redensart bezeichnet heute vor allem den ›Allerweltsdiener‹ und heuchlerischen ›Schmeichler‹ mit der negativen Nebenbedeutung eines unzuverlässigen und unsteten Menschen, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist.    Die Herkunft des Wortes Scharwenzel ist umstritten. Das Deutsche Wörterbuch hält es für eine volksetymologische Umdeutung aus italienisch ›servente‹ – der Dienende oder für eine Zusammensetzung aus ›Schar‹ = Fronarbeit und dem häufigen Vornamen ›Wenzel‹, der für die in Deutschland arbeitenden slawischen Landarbeiter zu einer verallgemeinernden, verächtlichen Bezeichnung wurde (vgl. auch ›Lausewenzel‹ und ›Sauwenzel‹). Auch K. Braun (›Oberdeutsche Vornamen‹) bemerkt dazu: »Man hat dieses Wort von ›servus‹ oder ›serviens‹ oder irgendeinem Stamm ›Scherw‹ oder ›Serv‹ ableiten wollen. Lassen wir es lieber einfach beim böhmischen Wenzel, welcher zu den Deutschen zu landwirtschaftlicher Arbeit, zum Schneiden, Mähen, Graben, zur ›Schar‹ oder zum ›Scharwerk‹ ging«. In mittelhochdeutscher und frühneuhochdeutscher Zeit war das Wort ›schar‹ sehr geläufig, das sowohl die Pflugschar, das schneidende Eisen, den Schnitt, die Ernste und den Ertrag als auch die Schar als Menge von Menschen bezeichnen konnte. Zusammensetzungen wie ›harmschar‹ = auferlegte Strafe und ›Scharwerk‹, ›Scharwerker‹, ›scharwerken‹ lassen auf eine ähnliche Wortbildung bei Scharwenzel schließen. Für diese Erklärung spricht besonders, daß auch Luther in ähnlicher Bedeutung öfters statt Scharwenzel das Wort ›Scharrhans‹ verwendet, also ebenfalls eine Zusammensetzung mit ›Schar‹ und dem geläufigsten deutschen Vornamen. Er schreibt z.B.: »Das fechtet mich nicht an, dass ein Rültz oder Tölpel lästert oder ein unadliger Scharrhans poltert und scharret« (Werke VI, S. 225) und: »Denn eben dieselben Scharrhansen waren zur selben Zeit solche verzagte Schelmen, als ich mein Tage gesehen habe« (Werke V, 40b).
   Eine andere Deutung versuchen Adelung und Frischbier, die darauf hinweisen, daß das Wort Scharwenzel auch die Bezeichnung eines bestimmten Kartenspieles oder einer Spielkarte (Unter, Bube) ist, die sich als Trumpfkarte ebenfalls vielseitig gebrauchen läßt. Schmeller (Bairisches Wörterbuch, Bd. II, 452) bezeugt auch, daß Scharwenzel im Bairischen dasselbe wie ›Scherer‹ im ›Färbeln‹, einer Art des Kartenspiels, ist, wo die 7, 8, 9 und 10 ›der klein Scherer‹ und Unter, Ober, König und As zusammen ›der groß Scherer‹ heißen. Fr. Kluge verweist ebenfalls auf einen Zusammenhang mit dem Kartenspiel und hält Scharwenzel für eine Entlehnung aus dem Tschechischen, die im 17. Jahrhundert zusammen mit der Übernahme des Kartenspiels ›Trischak‹ erfolgte. Zu tschechisch ›cerveny‹ = rot gehört ›cervenec‹ = der Rote, der rote Unter, der Herzbube. Im Österreichischen erfolgte eine Umbildung und Verkleinerung wahrscheinlich unter dem Einfluß von Wenzel zu Scharwenzel = Bube im Kartenspiel. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich erst die Bedeutung von Allerweltsdiener. Da Scharwenzel aber auch der ›Kratzfuß‹ als besondere Höflichkeitsbezeigung ist, besteht vielleicht auch der Einfluß von italienisch ›servente‹ = Diener und dem deutschen ›scharren‹.
   Um jemanden herumscharwenzeln: behilflich, dienstbeflissen um ihn herumlaufen, sich mit Kratzfüßen drehen, jemanden durch Schmeicheln zu betören und gewinnen suchen, sich in lakaienhafter Weise ergeben zeigen. Scharwenzeln zeigt eine ähnliche Bildung wie ›hänseln‹ = necken, ›nickeln‹ = ärgern und ›stoffeln‹ = schwerfällig gehen, so daß auch hierbei an den Einfluß des Namens von ›Wenzel‹ gedacht werden muß.
   Goethe, Schiller und Heine gebrauchen die Form ›scherwenzen‹ statt ›scharwenzeln‹. Goethe schreibt zum Beispiel (Werke VIII, 29): »da hielt dich das unglückliche Hofleben, und das Schlenzen und Scherwenzen mit den Weibern«, er betont dabei die die bis heute gültige Hauptbedeutung der Redensart: sich besonders intensiv oder auffallend um die Gunst der Frauen bemühen.

• Deutsches Wörterbuch VIII, Spalte 2229f.; F. KLUGE. Etymologisches Wörterbuch (Berlin 1967); M. LEGER: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Bd. II, Spalte 661f.; V. PISANI, in: Indogermanische Forschung 38 (1930), S. 243.
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