Redensarten Lexikon
Schäfchen
Sein Schäfchen ins trockene bringen: sich seinen Vorteil, Gewinn sichern; Sein Schäfchen im trockenen haben: sich seinen Erwerb in Sicherheit gebracht haben, um sich ein sorgloses Leben zu gönnen. Die Redensart wurde früher so erklärt, daß man annahm, ein unverständlich gewordenes niederdeutsches ›Schepken‹ = Schiffchen sei durch das ähnlich klingende hochdeutsche ›Schäfchen‹ ersetzt und die Redensart so auch den Binnenländern geläufig und verständlich gemacht worden. Rudolf Hildebrand (›Vom deutschen Sprachunterricht‹, Ausgabe von 1954, S. 58) lehnt mit Recht diese Etymologie ab. Auch die mitteldeutschen Mundarten kennen die Wendung ›sei Schouf en Troig'n hann‹. Das verdeutlicht die Herkunft der Redensart aus der bäuerlichen Vorstellungswelt und ihren Zusammenhang mit der Schafzucht. Das Wesentliche der Redensart haftet jedoch nicht an dem Wort ›Schäfchen‹, sondern an dem Begriff ›ins trockene bringen‹, d.h. in Sicherheit, im Gegensatz zu Wendungen wie ›in die Patsche geraten‹, ›in der Tinte sitzen‹ usw. So ist denn auch aus Holstein redensartlich bezeugt: ›He hett sin Saken up't Dröge brocht‹, ›he sitt hoch un drög‹. Das Schäfchen bezeichnet typisch jede Erwerbung eines kleinen Mannes (wie im 2 Sam 12, 3). In seinem ›Hauswirthschaftsbuch‹ vom Jahre 1722 (S. 390) schreibt v. Rohr: »Die sumpfigen Wiesen und Teichtriften sind den Schafen über die Maassen schädlich, aber die Weide auf hohen Feldern, Gehölzen und Bergen ist ihnen zuträglich«. Belegt ist die Redensart zuerst 1576 bei J. Burkhard (›Patrocinium‹, S. 114): »Ihre Schäflin ins trocken (wie man pfleget zu sagen) zu treiben«. Warum nun aber die Schafe auf nassen Wiesen gefährdet sind, wurde bisher noch nicht hinreichend erklärt. Hildebrands Uberschwemmungstheorie geht fehl, ebenso der Hinweis in Meyers Lexikon (1925), daß der Schäfer bei Gewitter seine Herde in den Stall bringen müsse. Der Regen schadet den Schafen nämlich nicht, da ihr Fell fettig ist und das Wasser abstößt. Hans Dittrich (›Sein Schäfchen im Trockenen haben‹) zitiert zur Erklärung das Schweizer Lexikon (1947). Danach werden Schafe auf sumpfigen Wiesen häufig von der Egelseuche (Distomatosis) befallen. Die Leberegel, die in sumpfigen Gebieten leben, verursachen schwere Leberentzündungen bei den Tieren und hohe Verluste durch ein Massensterben. Die Tiere bleiben jedoch verschont, wenn man sie nicht auf nassen Wiesen und am Wasser weiden läßt. Wer also eine trockene Weide besitzt, braucht um seine Herde nicht zu bangen, er hat sein Kapital in Sicherheit.    In übertragener Bedeutung wurde der Ausdruck bereits 1597 verwendet in einer Beschreibung der Frankfurter Messe in Reimen, erschienen unter dem Titel ›Marckschiffs Nachen‹ von Max Mangold. Darin heißt es von Kaufleuten, die zu ihrem Nutzen mehrmals bankrott gemacht haben:

   Kanst dann ein guter Gsell wol bleiben,
   Wann du schon kein Gwerb mehr thust treiben.
   Wirst globt, daß du deim Handel bist
   So wol vorgstanden jeder Frist,
   Hast dein Schaff in das trucken bracht,
   Keiner ist, der dich drumb veracht.

Reichliche weitere Belege gibt das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm (VIII, 1999f.).
   Er hat sein Schäfchen geschoren: er hat seinen Vorteil wahrgenommen; Sein Schäfchen zu scheren wissen: sich auf seinen Vorteil verstehen.
   Das Schaf scheren, ohne es zu schinden: mit Geschicklichkeit erpressen, daß kein Klagen und Murren erregt wird.
   Der eine schert das Schaf der andere das Schwein (vgl. ›Viel Geschrei und wenig Wolle‹).
   Die Schafe von den Böcken scheiden (sondern, trennen): das Nützliche vom Unnützen, das Brauchbare vom Unbrauchbaren, das Gute vom Schlechten trennen; scherzhaft übertragen auch: Personen verschiedenen Geschlechts auseinander-, gesondert halten. Die Wendung ist biblischen Ursprungs, Mt 25, 32f. heißt es von Christus: »Und werden vor ihm alle Völker versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, gleichwie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Und wird die Schafe zur Rechten stellen und die Böcke zur Linken«. Vgl. französisch. ›séparer le bon grain de l'ivraie‹.
   Das schwarze Schaf (der Familie) sein: der Schuldige sein, die von den Angehörigen durch unsittliche Lebensführung unvorteilhaft abstechende Person; die Wendung bezieht sich auf Gen 30, 32: »Ich will heute durch alle deine Herden gehen und aussondern alle gefleckten und bunten Schafe und alle schwarzen Schafe und die bunten und gefleckten Ziegen.«
   Das räudige Schaf sein, das die ganze Herde ansteckt, indem es sich an den anderen juckt (ähnlich schon lateinisch bei dem römischen Satiriker Juvenal, 2. Satire, V. 80); vgl. französisch ›passer (toujours) pour la brebis galeuse‹ ([immer] für das räudige Schaf gelten).
   ›Es ist keine Herde so klein, es stecken räudige Schafe darein‹
   Den Schafen wurde schon im Mittelalter Dummheit nachgesagt. So schreibt Konrad von Megenberg im ›Buch der Natur‹ (ed. Pfeiffer) S. 154: »daz schâf hât minner vernunft dann andren tier«. Auf das ›dumme Schaf‹ beziehen sich die Redensarten Das merkt ein Schaf: das bemerkt selbst der Dümmste; Sich vom Schaf beißen lassen; dumm sein; obersächsisch ›laß dich kee Schaf beißen‹, halte mich nicht für dumm und sei selbst nicht so dumm, das zu glauben.
   Die Schafe austreiben: sich albern benehmen ( Kalb).
   Ausreißen wie Schafleder, ausreißen.
   Einen plötzlichen Kälteeinbruch im Juni bezeichnet man auch als ›Schafskälte‹; dies deshalb, weil die niedrigen Temperaturen den frisch geschorenen Schafen schaden können.
   ›Schafmelker‹ ist ein Schimpfwort.

• ANONYM: Verklaring van het Amsterdams spreekwoord ›Schaap afkomen‹, in: Algemeene Konst- en Letterkunde (1886), S. 316; O. KELLER: Die antike Tierwelt, Bd. I (Leipzig 1909), S. 309-320; H.W.J. KROES: Zijn Schaapjes op het droge hebben, in: De Nieuwe Taalgids II (1917), S. 290-292; KREIFELTS: Der hat seine Schäfchen im Trockenen, in: Zeitschrift für Deutschkunde 35 (1921), S. 221; J. DE LANGHE: Binst dat't schaapje bleet (schreit), in: Biekorf 37 (1931), S. 95; TH. HORNBERGER: Der Schäfer. Landes- und volkskundliche Bedeutung eines Berufsstandes in Süddeutschland (Stuttgart – Köln 1955); H. RAUSCH: Sein Schäfchen ins Trockene bringen, in: Sprachfreund 4, Nr. 3 (1955) o.P.; ANONYM: Sein Schäfchen ins Trockene bringen, in: Sprachpflege 6 (1957), S. 26-27; H. DITTRICH: Sein Schäfchen im Trocke-
nen haben, in: Muttersprache 71 (1961), H. 5. W. Jacobeit: Schafhaltung und Schäfer in Zentraleuropa bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts (Berlin 1961); J. Goldheck: Ins Trockene gebrachte Schäfchen, in: Sprachdienst 20 (1976), S. 136.

Sein Schäfchen ins trockene bringen. A. Paul Weber: Er bringt sein ›Schäfchen‹ ins trockene, aus: Mit allen Wassern ... 1960 (Handzeichnung: Feder, getönt).

Die Schafe von den Böcken scheiden. Mosaik in S. Apollinare Nuovo, Ravenna.

Es ist keine Herde so klein, es stecken räudige Schafe darein. ›Ich kenne da ein Sprichwort: Es ist keine Herde so klein, es stecken räudige Schafe darein‹. Politische Karikatur von Hanel, 77. Aus: ZEITmagazin.

Schafskopf. Holzschnitt zu: Giambattista della Porta: ›Physiognomischer Vergleich‹, ›De Humana Physiognomia‹, 1586. Aus: G. Langemeyer, u.a. (Hg.): Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. Bild als Waffe, München 1984, S. 391, Abbildung 17.
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