Redensarten Lexikon
Schabab
Schabab sein (werden): abgewiesen, ausgestoßen und verhöhnt werden, als Freier bei der Wahl durchgefallen sein, schimpflich abziehen müssen, verloren, zum Verderben bestimmt sein, das Spiel verloren haben, ruiniert, am Ende, dem Tode geweiht sein, aber auch: ein verachteter Mensch sein, zum Abfall und Wertlosen gezählt werden, ein Verworfener vor Gott und den Menschen sein. Die schweizerische Mundart kennt ›tschabab gsi‹ in der Bedeutung für beschämt und niedergeschlagen sein und zur Bezeichnung für überständige alte Jungfern und Junggesellen. Die redensartliche Formel, die besonders häufig seit dem 16. Jahrhundert literarisch bezeugt ist und so viele Bedeutungen besitzt, ist ihrer Herkunft nach sehr verschieden beurteilt worden. Da ›schabab‹ in den Wendungen gleichzeitig nebeneinander als verbale, adjektivische und substantivische Form beobachtet und verstanden werden kann, erschwert dies eine gültige Erklärung. Außerdem ist die starre, unveränderliche Form von ›schabab‹ in verschiedenen Satzzusammenhängen sehr auffallend. Luther, der das Wort kannte und verwendete und sich als erster Gedanken darüber machte, glaubte deshalb an die Übernahme eines hebräischen Wortes in die deutsche Sprache. Diese hätte tatsächlich durch das A.T. oder über das Jiddische erfolgt sein können. Er hielt ›schabab‹ für ein ursprünglich hebräisches Substantiv und schrieb als Erklärung zu seiner Übersetzung des Psalm 119 (Samech), die von V. 119 (= V. 7 bei Luther) lautet:
Du hast alle gotloßen auff erden
alß das kerich auß worffen,
darumb hab ich lieb DEYN tzeugniß,
folgendes über Wortsinn und Herkunft von ›schabab‹: »Im 7. verß das hebreisch wort ›Schabab‹ ist deutsch worden unnd heyst vorwerfflich ding, alß kerich, schlacken, spene, schawm, sprew, trestern etc. und laut alßo: Du hast sie schababt wie das kerich und was yderman weg wirfft, das sie nichts nutz sind, den temme und wehre mit yhn tzu fullen, das man ubir sie lauffe, wie wol sie viel anderß wehnen, alß seyn sie alleyn außerlesen. Sie seyn Schabab« (Luthers Werke, Weimarer Ausgabe, Bd. VIII, S. 198). Interessant hierbei ist, daß Luther die Bibelstelle wohl sinngemäß richtig übersetzt hat, daß aber im hebräischen Text das Wort ›schabab‹ fehlt. Statt dessen steht dafür ›sigun‹ = Schlacke, Auszuscheidendes beim Schmelzen von Erzen, so daß die Übersetzung des Verses mit »Du erachtest als unrein Silber« genauer wäre. ›Schabab‹ oder ›schebeb‹ kann jedoch als hebräische Wurzel erschlossen werden. Es hat die Bedeutung von behauen und abschneiden von Holz und damit auch von Spänen, Abfall und Weggeworfenem, also von Kehricht, wie es Luther erklärt hat. Er braucht hierbei außerdem die merkwürdige Form: »Du hast sie schababt«, d.h. du hast sie verworfen, ausgesondert. Dieses Wort ›schababt‹ erscheint nun neben der durch Jahrhunderte unveränderten Formel ›schabab‹ als überraschende Ausnahme und ist auch sonst nirgends bezeugt. Es beweist jedoch, daß der Ausdruck ›schabab‹ bereits lange vor Luther im deutschen Sprachgebrauch gewesen sein muß und seine Etymologie bereits zu Luthers Lebzeiten so unklar gewesen sein dürfte, daß er das Wort nach üblichem deutschem Muster wie ein Verb konjugiert. Es ist also nicht erst durch Luthers Bibelübersetzung, in der es mehrmals erscheint, verbreitet worden, wie man annehmen könnte, da Schabab seit der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts besonders häufig belegt ist. Auch bei Hos 8, 6 findet sich eine ähnliche hebräische Form, die ›schababim‹ lautet. Dazu erklärt Luther in seiner ›Hoseasvorlesung‹ von 1524 (Exeget. opp. lateinisch Franc. ad. M. XXIV, S. 52): »Schabab wurden sicut praesegmina et praecisiones lignorum, peripsema est, id est: deus Samariae ist schabab. fit peripsema, id est: redigetur in nihilum«.
Selbst bei seiner Übersetzung des N.T. aus dem Griechischen verwendete Luther das seiner Meinung nach aus dem Hebräischen stammende, eingedeutschte und allgemeinverständliche Wort ›schabab‹. So steht in den alten Bibelausgabe von 1522, 1524 und 1527 bei 1 Kor 4, 13 noch: »und eyns ydermans schabab«, wo es in der Übersetzung von griechisch periphma heute heißt: »und ein Fegopfer aller Leute«.
Schabab im Sinne von Abschabsel, Spreu, Kehricht wurde also schon damals in übertragener Bedeutung für einen Verachteten und Ausgestoßenen, für einen von Gott Verworfenen, für ein menschliches Scheusal in der Sprache der Bibel gebraucht.
Damit erklärt sich nun auch der Sinn der Wendungen: Er ist ein Schabab: er ist ein armer verachteter Mensch, und: Er muß aller Schabab sein: er ist der Verspottete, der Ausgeschabte, der Weggeschickte, der von allen Verachtete. Vgl. auch niederländisch ›schavuit‹ = der Schabaus, der von allen Gemiedene, einer, der wie ein Aussätziger behandelt wird. Im Rheinland gibt es ähnliche mundartliche Ausdrücke zur Bezeichnung eines armseligen, unangenehmen Menschen: ein ›Schabäbes‹, eigentlich ein Molch, ist der verachtete Mensch, der ›Schabausbruder‹ ist ein Säufer und das ›Schabbaas‹ gar ein besonders unsauberer Kerl mit Krätze und Ungeziefer. Im Elsaß war der Ausdruck ›der Geschabte‹ ein besonders Schimpfwort für den Juden, denn er bezeichnete den Beschnittenen.
Leop. Schmidt meint, daß Schabab nichts mit Schabe oder Krätze zu tun habe, sondern zum Verb ›schaben‹ gehöre, und verweist für Deutschland, Österreich und die Schweiz auf den brauchtümlichen Zusammenhang mit dem ›Rübenschaben‹, ⇨ Rübe. Diese spottende Fingergebärde, die heute nur noch im Kinderbrauch vorhanden ist, soll mit dem Zuruf ›schabab‹ verbunden gewesen sein. Aus der Überlieferung und den Mda.- Wbb. sind dazu auch andere rdal. Wndgn. bekannt, wie z.B. schwäb. ›Ätsch Gäbili‹ schweiz. ›Gäbelimachen‹ kärtn. ›den Gulen stechen‹ und oberhess. ›e Mîrche schaben‹. Im Elsaß schaben die Kinder mit den Fingern und rufen dazu den Reim:
Lawe, lawe,
D, Katz isch g'schawe!
Im Obersächsischen erscheint ›Schabab‹ zwar in einem Bastlösereim:
Schabab, Schabab,
Mein Pfeifchen geht gut ab
(Dähnhardt 2, 155);
doch besitzt er hierbei nicht die sonst begegnenden Bedeutung der redensartlichen Formel.
Die Spottgeste des ›Rübchenschabens‹ hatte früher auch im Volksbrauch der Erwachsenen Gültigkeit, sie findet sich z.B. als Hohngebärde auf spätmittelalterlichen realistischen Passionsdarstellungen (z.B. auf einem Altarbild von Hans Holbein d.Ä.): mit dem ausgestreckten Zeigefinger der rechten Hand wird dabei wie beim Schaben einer Rübe über den Zeigefinger der linken gefahren. Diese Geste soll nun auch in Verbindung mit der Abweisung eines Freiers und den zahlreichen Belegen von ›Schabab‹ im Volkslied gestanden haben. In seinem Aufsatz ›Wiener Redensarten: Schabab und Schleckabartl‹ (S. 120) schreibt L. Schmidt dazu: »Die spottende Fingergebärde war samt dem Zuruf im 16. Jahrhundert zu einer stehenden Formel geworden, die in kürzester Form die Verschmähung des Liebhabers bedeutete«. Es fehlt jedoch ein literarischer oder bildlicher Beleg, daß diese Geste ursprünglich tatsächlich mit der Formel ›Schabab‹ zusammen gebraucht wurde. Bei der in Liebesdingen früher üblichen Zurückhaltung der jungen Leute, die ihre Gefühle voreinander und vor anderen streng geheimhielten und auch ihre Abneigung meist nur indirekt und schonend ›durch die Blume‹ zu verstehen gaben, ist es sehr unwahrscheinlich, daß ein Freier mit offenem Hohn durch eine Spottgeste oder die gleichbedeutende Sprachgebärde abgewiesen wurde. Dagegen spricht auch, daß in den Volksliedbelegen der Abgewiesene sich selbst als ›schabab‹ bezeichnet und die Formel nicht direkt bei seiner Verschmähung erscheint. Außerdem nennt man seit dem 16. Jahrhundert auch die Blume ›Schabab‹, die ihm beim Abschied überreicht wird. Es wäre immerhin sehr merkwürdig, wenn im gleichen Jahrhundert eine höhnische Abfuhr und die mildere Form der Abweisung durch eine Blume mit demselben Wort ausgedrückt würden.
Durch einen Frühbeleg kann die Herkunft von ›schabab‹ noch in anderer Weise erklärt werden. Johannes von Tepl gibt bereits 1401 in seinem ›Ackermann aus Böhmen‹ ein Beispiel für die literarische Verwendung des Wortes. Im III. Kapitel des Gespräches zw. dem Ackermann und dem Tod heißt es: »ein jegliches jar was mir ein genadenreiches jar. Nu wirt zu mir gesprochen: schab ab!«Nach einer anderen Lesart: »schabe abe!«ist dies eindeutig ein Imperativ. Demnach ist ›schabab‹ also als ein deutsches Wort und als imperativische Bildung zu verstehen, die bereits in mittelhochdeutscher Zeit vorkommt und zum Verb ›schaben‹ gehört.
Wichtig dabei ist jedoch, daß dieses Verb schon früh mehrere Bedeutungen besaß: als transitives, starkes Verb hieß ›schaben‹ = kratzen, scharren, reflexiv gebraucht bedeutete es entsprechend: sich abschaben, schäbig werden, aber auch: fortstoßen, vertreiben, austilgen, als intransitives Verb jedoch: schnell von dannen gehen, sich fortscheren.
Diese letzte Bedeutung liegt der Formel ›schabab‹ zugrunde. Bereits in althochdeutscher Zeit hatte das Verb ›skaban‹ diesen Nebensinn, denn »scaben sinen wech« hieß: sich trollen, fliehen, sich wegscheren, dem die modernen Ausdrücke, ›Abhauen‹ und ›Die Kurve kratzen‹ entsprechen, und vor allem die imperativische Form: ›Schieb ab!‹ In der mittelhochdeutschen Literatur gibt es dafür viele Belege, die oft zur Verdeutlichung des Wortsinnes noch einen Zusatz erhalten. So schrieb z.B. um 1190 Hartmann von Aue im ›Erec‹ (V. 4195): »schabet iuwern wec«= packt euch! In Ulr. von Türheims ›Tristan‹ steht (V. 2253): »hiezen in balde ûz schaben«, und in Herbort von Fritzlars ›Liet von Troye‹ (V. 2080): »hîz mich ûz sînen ougen schaben«. Daneben begegnen in der mittelhochdeutschen Literatur noch die Wendungen: ›hinnen schaben‹ (›Kölner Passional‹, 43, 93), ›dannen schaben‹ (Heinr. von Türlins ›Krone‹ 273) und ›fürder schaben‹ (›Krone‹ 31b); sie haben alle die Bedeutung: schnell von dannen gehen, sich aus den Augen machen. Den Sinn von stoßen, fortstoßen, vertreiben hat die folgende Textstelle: »si wellent daß man vürder schabe die tumben« (Minnesängerhs. 2, 153b).
Der Imperativ ›Schab ab!‹ erstarrte und wurde substantiviert. Er erhielt die besondere Bedeutung von: bergab, zu Ende gehen, sterben, verachtet werden, als Freier abgewiesen sein, und als Substantiv wurde ›Schabab‹ die Bezeichnung des Abschieds und der Name einer Pflanze, die dabei überreicht wurde. Dies zeigt sich in der Redensart Einem den Schabab geben: ihn wegschicken, ihm den Abschied geben. Interessant sind Belege, die zeigen, daß die Herkunft von ›schabab‹ schon früh vergessen war, ein anderes Verb wird zur Verdeutlichung danebengestellt, so daß eine Tautologie entsteht. In einem Fastnachtspiel (Keller 742, 29) steht: »Wer das nicht kan, der ist schabab«, dagegen heißt es in einem anderen Fastnachtsspiel (1025, 13): »Darum geh du narr schabbab«.
In den Volksliedern steht die sprachliche Formel ›Schabab‹ meist für den abgewiesenen und enttäuschten Freier, für den Abschied und das Ende einer Liebesbeziehung. Im ›Ambraser Liederbuch‹ (147, 46) fleht der Liebhaber um Erhörung mit den Worten:
Ach megdlein du viel junge,
Laß mich nicht sein schabab.
Die erste Strophe des Liedes ›Gut Gesell und du mußt wandern‹ aus dem ›Kölner Liederbüchlein‹ (Nr. 204) um 1580 lautet:
Gvt Gesell vnnd du must wandern,
Das Megdlein liebet ein anderen,
Welches ich geliebet hab,
Bey der bin ich schabab.
In einem Lied, das die Auseinandersetzung zweier Liebhaber und eines Mädchen schildert, weist der triumphierende Rolandt seinen Nebenbuhler, den Küster, mit den Worten ab:
Gha make des Kuesters Graff
Nu ys Margretha Rolandes,
So gha du nu schabab.
(Uhland – de Bouck, Niederdeutsche Lieder-Bücher, 1883, S. 109, Nr. 134, Strophe 9)
Auch im Liederbuch der Clara Hätzlerin begegnet ›schabab‹ für das Fortmüssen nach einer Abweisung: »Wolhin, wolhin, wolhin, ich bin schabab« (I, 104, 25), daneben steht aber bereits die Wendung ›Schabab müssen‹ (II, 58, 231).
Die geistliche Literatur der Barockzeit kennt die Redensart vor allem als Wortsinnbild der Vergänglichkeit, und Abraham a Sancta Clara dichtet:
Die Blätter fallen ab,
Und du wirst auch schabab.
Bei G. Ph. Harsdörffer (1607-58) heißt es in ›Das Leben des Menschen‹: »In Gesellschaft etlicher Poeten wurde umgefragt, was doch wäre das menschliche Leben? Darauf sie folgende Reimzeilen, welche Anfang und Ende schließen, verfasset.
Das Leben ist..
Ein Schatten, der uns macht schabab,
Die Matten, so gräbt unser Grab
(Strophe 9)«.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein ist die Wendung ›schabab sein‹ im Volksbrauch als umschreibende sprachliche Formel für den abgewiesenen Freier lebendig geblieben, und noch bei Hermann Löns heißt es in einer Strophe:
Schabab, schabab,
Einen andern Schatz ich hab.
Schabab als Substantiv bezeichnet daneben auch eine Herbstpflanze, das Achilleskraut (Euphrasia officinalis), bei dessen Blüte es mit dem Sommer und in übertragenem Sinne mit der Liebe zu Ende geht. In manchen Gegenden wird unter Schabab auch die Kornrade verstanden, die dem Bauern als Unkraut gilt und deshalb nur in verächtlichem Sinne betrachtet werden kann, ebenso wie sich der Abgewiesene selbst fühlt. Die verschiedenen Bedeutungen von Schabab vermischen sich in einem Lied des 16. Jahrhunderts von Senfl, wo es heißt:
Schabab ist mir gewachsen
Ein ganzer Garten voll.
Ich brach mir ab Vergißmeinnit,
Hab mich lieb und acht mein nit:
Schabab, ja schabab bin ich.
• ERK-BÖHME II, S. 293f., Nr. 472f.; Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 327-337; L. SCHMIDT: Wiener Redensarten III. Schabab und Schleckabartl, in: Das Deutsche Volkslied, 43 (1941), S. I 19-121; L. RÖHRICH: Gebärdensprache und Sprachgebärde, S. 132-134; L. RÖHRICH und G. MEINEL: Nochmals ›schabab‹, Archer Taylor octogenario in honorem, in: Proverbium, I 5 (Helsinki 1970), S. 102-105; A. NIEDERER: Beschämung, Lob und Schadenfreude. Hand- und Fingergebärden mit bestimmter Bedeutung, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 85 (1989), S. 201-217, hier besonders S. 212-214.
Schabab. Urban Görtschacher: Ecce homo, Tafel von Heiligenkreuz, Niederösterreich, 1508, Detail.
Du hast alle gotloßen auff erden
alß das kerich auß worffen,
darumb hab ich lieb DEYN tzeugniß,
folgendes über Wortsinn und Herkunft von ›schabab‹: »Im 7. verß das hebreisch wort ›Schabab‹ ist deutsch worden unnd heyst vorwerfflich ding, alß kerich, schlacken, spene, schawm, sprew, trestern etc. und laut alßo: Du hast sie schababt wie das kerich und was yderman weg wirfft, das sie nichts nutz sind, den temme und wehre mit yhn tzu fullen, das man ubir sie lauffe, wie wol sie viel anderß wehnen, alß seyn sie alleyn außerlesen. Sie seyn Schabab« (Luthers Werke, Weimarer Ausgabe, Bd. VIII, S. 198). Interessant hierbei ist, daß Luther die Bibelstelle wohl sinngemäß richtig übersetzt hat, daß aber im hebräischen Text das Wort ›schabab‹ fehlt. Statt dessen steht dafür ›sigun‹ = Schlacke, Auszuscheidendes beim Schmelzen von Erzen, so daß die Übersetzung des Verses mit »Du erachtest als unrein Silber« genauer wäre. ›Schabab‹ oder ›schebeb‹ kann jedoch als hebräische Wurzel erschlossen werden. Es hat die Bedeutung von behauen und abschneiden von Holz und damit auch von Spänen, Abfall und Weggeworfenem, also von Kehricht, wie es Luther erklärt hat. Er braucht hierbei außerdem die merkwürdige Form: »Du hast sie schababt«, d.h. du hast sie verworfen, ausgesondert. Dieses Wort ›schababt‹ erscheint nun neben der durch Jahrhunderte unveränderten Formel ›schabab‹ als überraschende Ausnahme und ist auch sonst nirgends bezeugt. Es beweist jedoch, daß der Ausdruck ›schabab‹ bereits lange vor Luther im deutschen Sprachgebrauch gewesen sein muß und seine Etymologie bereits zu Luthers Lebzeiten so unklar gewesen sein dürfte, daß er das Wort nach üblichem deutschem Muster wie ein Verb konjugiert. Es ist also nicht erst durch Luthers Bibelübersetzung, in der es mehrmals erscheint, verbreitet worden, wie man annehmen könnte, da Schabab seit der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts besonders häufig belegt ist. Auch bei Hos 8, 6 findet sich eine ähnliche hebräische Form, die ›schababim‹ lautet. Dazu erklärt Luther in seiner ›Hoseasvorlesung‹ von 1524 (Exeget. opp. lateinisch Franc. ad. M. XXIV, S. 52): »Schabab wurden sicut praesegmina et praecisiones lignorum, peripsema est, id est: deus Samariae ist schabab. fit peripsema, id est: redigetur in nihilum«.
Selbst bei seiner Übersetzung des N.T. aus dem Griechischen verwendete Luther das seiner Meinung nach aus dem Hebräischen stammende, eingedeutschte und allgemeinverständliche Wort ›schabab‹. So steht in den alten Bibelausgabe von 1522, 1524 und 1527 bei 1 Kor 4, 13 noch: »und eyns ydermans schabab«, wo es in der Übersetzung von griechisch periphma heute heißt: »und ein Fegopfer aller Leute«.
Schabab im Sinne von Abschabsel, Spreu, Kehricht wurde also schon damals in übertragener Bedeutung für einen Verachteten und Ausgestoßenen, für einen von Gott Verworfenen, für ein menschliches Scheusal in der Sprache der Bibel gebraucht.
Damit erklärt sich nun auch der Sinn der Wendungen: Er ist ein Schabab: er ist ein armer verachteter Mensch, und: Er muß aller Schabab sein: er ist der Verspottete, der Ausgeschabte, der Weggeschickte, der von allen Verachtete. Vgl. auch niederländisch ›schavuit‹ = der Schabaus, der von allen Gemiedene, einer, der wie ein Aussätziger behandelt wird. Im Rheinland gibt es ähnliche mundartliche Ausdrücke zur Bezeichnung eines armseligen, unangenehmen Menschen: ein ›Schabäbes‹, eigentlich ein Molch, ist der verachtete Mensch, der ›Schabausbruder‹ ist ein Säufer und das ›Schabbaas‹ gar ein besonders unsauberer Kerl mit Krätze und Ungeziefer. Im Elsaß war der Ausdruck ›der Geschabte‹ ein besonders Schimpfwort für den Juden, denn er bezeichnete den Beschnittenen.
Leop. Schmidt meint, daß Schabab nichts mit Schabe oder Krätze zu tun habe, sondern zum Verb ›schaben‹ gehöre, und verweist für Deutschland, Österreich und die Schweiz auf den brauchtümlichen Zusammenhang mit dem ›Rübenschaben‹, ⇨ Rübe. Diese spottende Fingergebärde, die heute nur noch im Kinderbrauch vorhanden ist, soll mit dem Zuruf ›schabab‹ verbunden gewesen sein. Aus der Überlieferung und den Mda.- Wbb. sind dazu auch andere rdal. Wndgn. bekannt, wie z.B. schwäb. ›Ätsch Gäbili‹ schweiz. ›Gäbelimachen‹ kärtn. ›den Gulen stechen‹ und oberhess. ›e Mîrche schaben‹. Im Elsaß schaben die Kinder mit den Fingern und rufen dazu den Reim:
Lawe, lawe,
D, Katz isch g'schawe!
Im Obersächsischen erscheint ›Schabab‹ zwar in einem Bastlösereim:
Schabab, Schabab,
Mein Pfeifchen geht gut ab
(Dähnhardt 2, 155);
doch besitzt er hierbei nicht die sonst begegnenden Bedeutung der redensartlichen Formel.
Die Spottgeste des ›Rübchenschabens‹ hatte früher auch im Volksbrauch der Erwachsenen Gültigkeit, sie findet sich z.B. als Hohngebärde auf spätmittelalterlichen realistischen Passionsdarstellungen (z.B. auf einem Altarbild von Hans Holbein d.Ä.): mit dem ausgestreckten Zeigefinger der rechten Hand wird dabei wie beim Schaben einer Rübe über den Zeigefinger der linken gefahren. Diese Geste soll nun auch in Verbindung mit der Abweisung eines Freiers und den zahlreichen Belegen von ›Schabab‹ im Volkslied gestanden haben. In seinem Aufsatz ›Wiener Redensarten: Schabab und Schleckabartl‹ (S. 120) schreibt L. Schmidt dazu: »Die spottende Fingergebärde war samt dem Zuruf im 16. Jahrhundert zu einer stehenden Formel geworden, die in kürzester Form die Verschmähung des Liebhabers bedeutete«. Es fehlt jedoch ein literarischer oder bildlicher Beleg, daß diese Geste ursprünglich tatsächlich mit der Formel ›Schabab‹ zusammen gebraucht wurde. Bei der in Liebesdingen früher üblichen Zurückhaltung der jungen Leute, die ihre Gefühle voreinander und vor anderen streng geheimhielten und auch ihre Abneigung meist nur indirekt und schonend ›durch die Blume‹ zu verstehen gaben, ist es sehr unwahrscheinlich, daß ein Freier mit offenem Hohn durch eine Spottgeste oder die gleichbedeutende Sprachgebärde abgewiesen wurde. Dagegen spricht auch, daß in den Volksliedbelegen der Abgewiesene sich selbst als ›schabab‹ bezeichnet und die Formel nicht direkt bei seiner Verschmähung erscheint. Außerdem nennt man seit dem 16. Jahrhundert auch die Blume ›Schabab‹, die ihm beim Abschied überreicht wird. Es wäre immerhin sehr merkwürdig, wenn im gleichen Jahrhundert eine höhnische Abfuhr und die mildere Form der Abweisung durch eine Blume mit demselben Wort ausgedrückt würden.
Durch einen Frühbeleg kann die Herkunft von ›schabab‹ noch in anderer Weise erklärt werden. Johannes von Tepl gibt bereits 1401 in seinem ›Ackermann aus Böhmen‹ ein Beispiel für die literarische Verwendung des Wortes. Im III. Kapitel des Gespräches zw. dem Ackermann und dem Tod heißt es: »ein jegliches jar was mir ein genadenreiches jar. Nu wirt zu mir gesprochen: schab ab!«Nach einer anderen Lesart: »schabe abe!«ist dies eindeutig ein Imperativ. Demnach ist ›schabab‹ also als ein deutsches Wort und als imperativische Bildung zu verstehen, die bereits in mittelhochdeutscher Zeit vorkommt und zum Verb ›schaben‹ gehört.
Wichtig dabei ist jedoch, daß dieses Verb schon früh mehrere Bedeutungen besaß: als transitives, starkes Verb hieß ›schaben‹ = kratzen, scharren, reflexiv gebraucht bedeutete es entsprechend: sich abschaben, schäbig werden, aber auch: fortstoßen, vertreiben, austilgen, als intransitives Verb jedoch: schnell von dannen gehen, sich fortscheren.
Diese letzte Bedeutung liegt der Formel ›schabab‹ zugrunde. Bereits in althochdeutscher Zeit hatte das Verb ›skaban‹ diesen Nebensinn, denn »scaben sinen wech« hieß: sich trollen, fliehen, sich wegscheren, dem die modernen Ausdrücke, ›Abhauen‹ und ›Die Kurve kratzen‹ entsprechen, und vor allem die imperativische Form: ›Schieb ab!‹ In der mittelhochdeutschen Literatur gibt es dafür viele Belege, die oft zur Verdeutlichung des Wortsinnes noch einen Zusatz erhalten. So schrieb z.B. um 1190 Hartmann von Aue im ›Erec‹ (V. 4195): »schabet iuwern wec«= packt euch! In Ulr. von Türheims ›Tristan‹ steht (V. 2253): »hiezen in balde ûz schaben«, und in Herbort von Fritzlars ›Liet von Troye‹ (V. 2080): »hîz mich ûz sînen ougen schaben«. Daneben begegnen in der mittelhochdeutschen Literatur noch die Wendungen: ›hinnen schaben‹ (›Kölner Passional‹, 43, 93), ›dannen schaben‹ (Heinr. von Türlins ›Krone‹ 273) und ›fürder schaben‹ (›Krone‹ 31b); sie haben alle die Bedeutung: schnell von dannen gehen, sich aus den Augen machen. Den Sinn von stoßen, fortstoßen, vertreiben hat die folgende Textstelle: »si wellent daß man vürder schabe die tumben« (Minnesängerhs. 2, 153b).
Der Imperativ ›Schab ab!‹ erstarrte und wurde substantiviert. Er erhielt die besondere Bedeutung von: bergab, zu Ende gehen, sterben, verachtet werden, als Freier abgewiesen sein, und als Substantiv wurde ›Schabab‹ die Bezeichnung des Abschieds und der Name einer Pflanze, die dabei überreicht wurde. Dies zeigt sich in der Redensart Einem den Schabab geben: ihn wegschicken, ihm den Abschied geben. Interessant sind Belege, die zeigen, daß die Herkunft von ›schabab‹ schon früh vergessen war, ein anderes Verb wird zur Verdeutlichung danebengestellt, so daß eine Tautologie entsteht. In einem Fastnachtspiel (Keller 742, 29) steht: »Wer das nicht kan, der ist schabab«, dagegen heißt es in einem anderen Fastnachtsspiel (1025, 13): »Darum geh du narr schabbab«.
In den Volksliedern steht die sprachliche Formel ›Schabab‹ meist für den abgewiesenen und enttäuschten Freier, für den Abschied und das Ende einer Liebesbeziehung. Im ›Ambraser Liederbuch‹ (147, 46) fleht der Liebhaber um Erhörung mit den Worten:
Ach megdlein du viel junge,
Laß mich nicht sein schabab.
Die erste Strophe des Liedes ›Gut Gesell und du mußt wandern‹ aus dem ›Kölner Liederbüchlein‹ (Nr. 204) um 1580 lautet:
Gvt Gesell vnnd du must wandern,
Das Megdlein liebet ein anderen,
Welches ich geliebet hab,
Bey der bin ich schabab.
In einem Lied, das die Auseinandersetzung zweier Liebhaber und eines Mädchen schildert, weist der triumphierende Rolandt seinen Nebenbuhler, den Küster, mit den Worten ab:
Gha make des Kuesters Graff
Nu ys Margretha Rolandes,
So gha du nu schabab.
(Uhland – de Bouck, Niederdeutsche Lieder-Bücher, 1883, S. 109, Nr. 134, Strophe 9)
Auch im Liederbuch der Clara Hätzlerin begegnet ›schabab‹ für das Fortmüssen nach einer Abweisung: »Wolhin, wolhin, wolhin, ich bin schabab« (I, 104, 25), daneben steht aber bereits die Wendung ›Schabab müssen‹ (II, 58, 231).
Die geistliche Literatur der Barockzeit kennt die Redensart vor allem als Wortsinnbild der Vergänglichkeit, und Abraham a Sancta Clara dichtet:
Die Blätter fallen ab,
Und du wirst auch schabab.
Bei G. Ph. Harsdörffer (1607-58) heißt es in ›Das Leben des Menschen‹: »In Gesellschaft etlicher Poeten wurde umgefragt, was doch wäre das menschliche Leben? Darauf sie folgende Reimzeilen, welche Anfang und Ende schließen, verfasset.
Das Leben ist..
Ein Schatten, der uns macht schabab,
Die Matten, so gräbt unser Grab
(Strophe 9)«.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein ist die Wendung ›schabab sein‹ im Volksbrauch als umschreibende sprachliche Formel für den abgewiesenen Freier lebendig geblieben, und noch bei Hermann Löns heißt es in einer Strophe:
Schabab, schabab,
Einen andern Schatz ich hab.
Schabab als Substantiv bezeichnet daneben auch eine Herbstpflanze, das Achilleskraut (Euphrasia officinalis), bei dessen Blüte es mit dem Sommer und in übertragenem Sinne mit der Liebe zu Ende geht. In manchen Gegenden wird unter Schabab auch die Kornrade verstanden, die dem Bauern als Unkraut gilt und deshalb nur in verächtlichem Sinne betrachtet werden kann, ebenso wie sich der Abgewiesene selbst fühlt. Die verschiedenen Bedeutungen von Schabab vermischen sich in einem Lied des 16. Jahrhunderts von Senfl, wo es heißt:
Schabab ist mir gewachsen
Ein ganzer Garten voll.
Ich brach mir ab Vergißmeinnit,
Hab mich lieb und acht mein nit:
Schabab, ja schabab bin ich.
• ERK-BÖHME II, S. 293f., Nr. 472f.; Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 327-337; L. SCHMIDT: Wiener Redensarten III. Schabab und Schleckabartl, in: Das Deutsche Volkslied, 43 (1941), S. I 19-121; L. RÖHRICH: Gebärdensprache und Sprachgebärde, S. 132-134; L. RÖHRICH und G. MEINEL: Nochmals ›schabab‹, Archer Taylor octogenario in honorem, in: Proverbium, I 5 (Helsinki 1970), S. 102-105; A. NIEDERER: Beschämung, Lob und Schadenfreude. Hand- und Fingergebärden mit bestimmter Bedeutung, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 85 (1989), S. 201-217, hier besonders S. 212-214.
Schabab. Urban Görtschacher: Ecce homo, Tafel von Heiligenkreuz, Niederösterreich, 1508, Detail.