Redensarten Lexikon
Sau
wird in vielen derben redensartlichen Vergleichen gebraucht, z.B. Davonlaufen wie die Sau vom Trog: ohne Abschied, ohne Dank oder Gruß weggehen. Die Wendung ›Die Sau läuft mit dem Zapfen fort‹, auf schlimme Folgen wird nicht geachtet, ist in der niederländischen Redensarten-Malerei mehrfach bildlich dargestellt worden; Schreien wie eine gestochene Sau; vgl. französisch ›crier comme une truie qu'on égorge‹.    Mit einem umgehen (ihn anfahren) wie die Sau mit dem (den) Bettelsack (aus dem sie die Treber herauswühlt); bei Luther: »wie die Sau den Habersack«; Passen wie der Sau das Halsband: schlecht passen; Es so dick hinter den Ohren haben wie die Sau die Läuse: sehr schlau und gemein sein ( Ohr); Augen machen, als ob die Sau sichten(Meh\\ sieben) Aö'rt.- erwartungsvoll dreinsehen; schwitzen wie eine Sau; vgl. frz. ›suer comme un boeuf‹.
   Von zwei Menschen gleichen Schlags sagt man nordostdeutsch: ›Sie sind wie von einer Sau geferkelt‹. Sich benehmen wie eine gesengte Sau: sich sehr schlecht, ungesittet benehmen.
   »Uns ist ganz kannibalisch wohl als wie fünfhundert Säuen« in Goethes ›Faust‹ (I, ›Auerbachs Keller‹) beruht auf einem alten volkstümlichen redensartlichen Vergleich, den z.B. Thomas Murner einmal in der Form »vierhundenert Beckerschweine« bringt.
   Die Sau rauslassen; unanständig werden; sich schlecht benehmen, unflätige Reden führen; diese Redensart ist besonders in Bundeswehrkreisen beliebt.
   Vor die Säue gehen: verkommen, ›Vor die Hunde gehen‹ ( Hund). Die Rda. stammt vom bibl. Gleichnis vom verlorenen Sohn. Einen zur Sau machen: ihn grob anherrschen, beschimpfen, schinden. Der Betreffende wird zugerichtet, daß er einer geschlachteten Sau gleicht.
   In Homers ›Odyssee‹ (10, 133-574) wird von der Landung des Odysseus und seiner Gefährten auf der Insel der Zauberin Kirke berichtet, wo letztere die Leute des Odysseus bewirtet und die Hälfte von ihnen mit Hilfe eines Zaubertranks in Schweine verwandelt.
   Ich werde zur Sau! Ausruf des Erstaunens; seit etwa 1900 aufgekommen. Älter ist, z.B. bei Johann Fischart (›Podagrammatisch Trostbüchlein‹ 106): »Die Sau kurzer am strick führen« = schärfer auftreten.
   Die wilde Sau (oder Wildsau) spielen: Untergebene gröblichst schikanieren, wütend sein, toben wie ein auch den Menschen angreifendes Wildschwein.
   Einer fetten Sau den Arsch schmieren: einem Reichen Geschenke machen. ›Einer fetten Sau das Loch schmieren‹ auch: als derbe Abweisung, wenn jemand etwas verlangt, was er selbst im Überfluß besitzt.
   Ich hab's schon einer anderen Sau versprochen hört man als Abweisung auf die Aufforderung ›Leck mich am Arsch!‹.
   Einen Zudringlichen weist man ab mit dem Bemerken, daß man Noch nicht die Säue mit ihm gehütet habe, was als eine sehr geringgeschätzte Tätigkeit galt. In den ›Soldaten‹ von J.M.R. Lenz (II, 3) sagt Marie: »Papa, denkt doch, was der grobe Flegel, der Stolzius, mir für einen Brief schreibt; er nennt mich Ungetreue! Denk doch, als ob ich die Säue mit ihm gehütet hätte«. Ähnlich auch in den Mundarten, z.B. rheinhessisch ›ich wüßt' net, daß mer z'sammen die Säu gehüt' hän‹ – so wird ein unberechtigter Anspruch Niedrigstehender abgewehrt. Vgl. französisch ›Nous n'avons pas encore gardé les cochons ensemble‹.
   Thom. Murner behandelt in seiner ›Schelmenzunft‹ von 1512 auch die, »die die Säue krönen«, d.h. unflätige Reden führen, und läßt ihr Tun im Bilde darstellen; vgl. auch ›Die Sauglocke läuten‹.
   Die Sau in den Kessel stoßen: eine Sache sehr grob erledigen, ist eine alte Redensart, die sich samt bildlicher Darstellung z.B. in Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ findet:

   Wer sich uff gwalt im reht verloßt
   Und henckt sich, wo der wind her bloßt,
   Derselbe die suw inn kessel stoßt.

In der Rangstufe der Haustiere (vgl. ›vom Pferd auf den Esel‹) steht die Sau an einer der untersten Stellen; daher etwa schwäbisch ›auf der Sau naus‹, elsässisch ›ich möcht uf der Su furt!‹, mir geht die Geduld aus, eigentlich: ich möchte lieber auf dem elendesten Reittier fort als gar nicht, was wohl einer alten obszönen Haltung und Gebärde entspricht. Keine Sau: niemand; Verstärkung der Negation durch das geringschätzige Wort, ähnlich wie ›Nicht die Bohne‹, › Bohne‹; vgl. frz. ›pas un chat‹.
   Als Verstärkung dient Sau auch in Zusammensetzungen, wie ›Sauarbeit‹, ›Saubande‹, ›Saufraß‹, ›Saugrob‹, ›Sauhund‹, ›Sauzeug‹ usw.
   Das ist unter aller Sau: sehr schlecht, wertlos, ›Unter aller Kritik‹, ›Unter aller Kanone‹. Das Wort ›Sau‹ hat in dieser Redensart nichts mit dem Tier zu tun, sondern stammt aus dem Jiddischen ›seo‹: Maßstab. Sau bedeutet auch soviel wie ›Fehler‹ (ähnlich wie ›Bock‹, ›Pudel‹ u.a.). Eine Sau machen einen Fehler begehen; auch: Ein Sau aufheben: einen Fehler machen, Mißerfolg haben; so bei A. a Sancta Clara (Lauchert, S. 28) und in Andreas Gryphius' »Schimpff Spiel« ›Peter Squenz‹: »zehn Säue machen«.
   Eine Sau haben: Glück haben, ›Schwein haben‹, Schwein.
   Die Sau verkaufen: jemandem ein Schwein unter dem Preis anbieten, schenken; bedeutet soviel wie: durch unsittliches Tun Unheil über andere bringen. Murner bringt die Darstellung des Helena-Raubes in der ›Schelmenzunft‹ unter dem sprichwörtlichen Motto des ›suwkouffes‹, des Schweineverkaufens. Paris hat durch die gewalttätige Entführung Helenas den Trojanern »eine suw verkauft und dadurch Troja in eschen gelegt«. All diesen verächtlichen Redensarten gegenüber wird aber die Sau auch als wertvoller Besitz und wichtige Ertragsquelle in der bäuerlichen Wirtschaft gewürdigt und wird so zum Bild für Geschäft, Einnahme, Glück. ›Sein suw ist ietz und feiszt‹ meint: sein Geschäft steht gut, er ist vom Glück begünstigt, und die burschikose Redensart ›Schwein haben‹ darf hier vielleicht ihren Ursprung suchen.
   Scherzhaft heißt es im Schwäbsichen: ›I koch halt, wie i ka; was mei Sau it frißt, des kriegt mei Ma‹, Schwein.
   Perlen vor die Säue werfen Perle.

• A. RISSE, IN: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 8 (1894), S. 298: R. Merkelbach: Untersuchungen zur Odyssee (München 1951); R. WILDHABER: Kirke und die Schweine, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 47 (1951), S. 233-261; S.A. WOLF IN: Mitteilungen aus dem Arbeitskreis der Jiddistik (1957), S.
84; R. GRUENTER: Thomas Murners satirischer Wortschatz, in: Euphorion 53 (1959), S. 27f.; G. DEBEREUX: Die mythische Vulva (FrankfurtM. 1981).

Die Sau rauslassen. Politische Karikatur von Murschetz. Aus: DER SPIEGEL, Nr. 24/1984.

Die Sau läuft mit dem Zapfen fort. Detail aus einem Bilderbogen aus Ost-Flandern, um 1700.

Die Wildsau spielen. Detail aus ›Wie es wär', wenn's anders wär‹, Münchener Bilderbogen, Nr. 656, aus: S. und K., S. 104.

Die Sau krönen. Holzschnitt von Hans Weiditz.

Die Sau krönen. Holzschnitt, Murner: Schelmenzunft, 1512.

Die Sau in den Kessel stoßen. Holzschnitt, Brant: Narrenschiff von 1494, Kap., ›Von guten reten‹.
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Ansicht: Sau