Redensarten Lexikon
Sand
Einem Sand in die Augen streuen: ihm die Wahrheit entstellt berichten, ihn täuschen (vgl. französisch ›jeter de la poudre aux yeux de quelqu'un‹; niederländisch ›iemand zand in de ogen strooien‹; englisch ›to throw dust in a person's eyes‹; amerikanisch ›to pull the wool over a person's eyes‹). Die Wendung beruht auf einem alten Fechterkniff, es dem Gegner dadurch zu erschweren, daß man ihm Staub oder Sand in die Augen treiben läßt oder geradezu mit einer Hand hineinwirft. So erklärt sich leicht, wie die Redensart im Niederdeutschen auch den Sinn haben kann: einen übertreffen. Ähnlich erklärt 1528 Erasmus von Rotterdam (›Adagia‹ 2, 9): »Pulverem oculis offundere. Dicitur, qui de industria rem obscurat et adversario iudicium eripit. Traductum videtur a militia«. Schon bei dem römischen Schriftsteller Gellius (geb. um 130 n. Chr.) kommt in gleicher Bedeutung vor: »Pulverem ob oculos aspergere« = Staub gegen die Augen streuen.    Der ›Dictionnaire de la langue française‹ von Antoine Furetière von 1701 gibt allerdings noch eine andere Erklärung, die einleuchtender und wahrscheinlicher ist als diejenige aus der Praxis des Fechtsports: bei den Olympischen Spielen sollen die vordersten Läufer mit ihren Füßen Sand aufwirbeln, um ihre Verfolger zu behindern, die dann nichts mehr sehen können. (C. Duneton: La Puce à l'oreille: Anthologie des expressions populaires avec leur origine [Paris 1978], S. 307).
   Die Wendung Jemanden auf den Sand setzen stammt aus dem Turnierwesen, wo der Kämpfer seinen Gegner aus dem Sattel hob und in den Sand warf.
   Auf (den) Sand bauen: seine Hoffnung oder sein Vertrauen auf einen schlechten, unzuverlässigen Grund setzen; niederdeutsch ›op Sand is keen good Hus to buwen‹; entsprechend französisch ›bâtir sur le sable‹; englisch ›to build on sand‹; niederländisch ›op zand, zandgrond, bouwen‹. Die Redensart ist biblischen Ursprungs: Mt 7, 26 steht das Gleichnis von dem »törichten Manne, der sein Haus auf den Sand baute«, so daß Regen und Wind es zu Fall brachten. Besonders bekannt wurde der Ausdruck durch die Schlußzeile von Neumarks (gest. 1681) Gesangbuchlied ›Wer nur den lieben Gott läßt walten‹, wo es heißt:

   Wer Gott dem Allerhöchsten traut,
   Der hat auf keinen Sand gebaut.

Eine Erzählung von Nik. Fries von 1872 heißt: ›Das Haus auf Sand gebaut‹.
   Etwas ist in den Sand geschrieben: etwas hat keinen Bestand; auch: Etwas in den Sand schreiben: etwas bald wieder vergessen. Wind.
   Ein Spruch für das Poesie-Album lautet:

   Was du gibst,
   schreib' in den Sand;
   was du empfängst,
   in eine Marmorwand!

Sand über etwas streuen: der Vergessenheit übergeben; die Redensart geht auf den Streusand ( Punkt) zurück, mit dem man früher die Tintenschrift ablöschte; weniger wahrscheinl. auf den Sand, den man auf den Sarg im Grabe streut; vgl. frz. ›passer l'eponge sur quelque chose‹.
   Wie Sand am Meer: sehr viel. Dieser redensartliche Vergleich der Vielheit beruht auf Gen 22, 17; 32, 13 u.a. ähnlichen Bibelstellen, wie 1 Sam 13, 5: »Da versammelten sich die Philister, zu streiten mit Israel, 30000 Wagen, 6000 Reiter und sonst Volk, so viel wie Sand am Rand des Meers..«; vgl. englisch ›as numerous as the sands of the sea‹.
   Den Sand pfügen: eine vergebliche Arbeit verrichten; ebenso: In den Sand säen (englisch ›he is sowing on the Sand‹), Sand in die Wüste tragen, Sand zusammenknüpfen, Sägemehl.
   Sand auf Hagenau führen bedeutet im Elsaß dasselbe wie: ›Wasser in den Rhein tragen‹ ( Wasser).
Joh. Fischart verwendet (›Ehezuchtbüchlein‹, S. 123/6f.) »Sand zum Meer tragen« als rdal. Bild unsinnigen und überflüssigen Tuns.
   Im Sande verlaufen: ergebnislos ausgehen; bildlich vom Wasserrinnsal im Wüstensand. Vielleicht ist auch einfach an eine Spur oder Fährte gedacht, die nur bis zum Sand zu verfolgen ist; der Wind weht sie zu und macht sie im Sande unkenntlich.
   Sand im Getriebe haben: nicht verstehen, nicht recht bei Verstand sein; der Maschinentechnik entlehnte, modern umgangssprachliche Wendung; vgl. französisch ›avoir un grain‹; entsprechend auch: Einem Sand ins Getriebe schmeißen (schütten, streuen): das erfolgversprechende Vorgehen eines Menschen heimtückisch zu beeinträchtigen suchen.

• K. OLBRICH: Artikel ›Sand‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VII, Spalte 936-939.}

Einem Sand ins Auge streuen. Karikatur von Haitzinger, vom 5.VI.86. Aus: Badische Zeitung., Nr. 127, vom 6. Juni 1986.

Sand ins Getriebe streuen. Karikatur von Haitzinger, vom 4.X.82. Aus: Badische Zeitung., Nr. 231, vom 7. Oktober 1982.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Sand