Redensarten Lexikon
Regel
Nach allen Regeln der Kunst. Gemeint ist ursprünglich die alte Tabulatur der Meistersinger, eine Art Gesetzbuch, in dem die Regeln der Kunst des Gesanges von Meistersingern zusammengestellt waren. Diese Tabulatur oder ›die Kunst‹ erscheint sodann im Sinne von strenger Ordnung und Konvenienz, besonders hinsichtlich gesellschaftlicher Veranstaltungen und gesellschaftlichen Umganges, schließlich als Inbegriff der Regeln vom feinen Ton. Alles mußte nach der Tabulatur geschehen:
   Es wird dazu geschnürt nach bester Tabeltur
   Das Müder und der Latz mit einer Silberschnur

sagt Rachel in seinen satirischen Gedichten (IX,103), und in der ›Ehrlichen Frau Schlampampe‹ wird (S. 65) natürlich auch nach der ›Tablatur‹ getanzt. Daß in diesem Sinne Tabulatur und ›Kunst‹ völlig füreinander eintraten, zeigt eine ganze Reihe von Stellen. In Heinrich Julius' Komödie von ›Vincentius Ladislaus‹ tut (I,5) der miles gloriosus »alle Tritte nach der Tabeltur«, und in V,1 setzt derselbe, als er zum Herzog berufen ist, »die Füße nach der kunst«. Wer nach allen Regeln dieser Kunst sein Benehmen einzurichten verstand, war natürlich die Krone der Gesellschaft. Heute wird der Ausdruck auch vielfach in ironischem Sinne gebraucht, und schon in ›Vincentius Ladislaus‹ erscheint etwas von dieser Färbung (Söhns S. 697). Am Abend vor der Schlacht bei Leuthen, also am 4. Dezember 1757, hielt Friedrich II. von Preußen an seine Generale und Stabsoffiziere eine Ansprache. Darin begründete er seinen wagemutigen Angriffsplan: »Lassen Sie es sich also gesagt sein, ich werde gegen alle Regeln der Kunst die beinahe dreimal stärkere Armee des Prinzen Karl angreifen, wo ich sie finde« (›Der König Friedrich der Große in seinen Briefen und Erlassen sowie in zeitgenössischen Briefen, Berichten und Anekdoten‹, hg. von G. Mendelssohn-Bartholdy, Ebenhausen 1912, S. 321); französisch ›selon les règles de l'art‹.

• B. NAGEL: Meistersang (Stuttgart 1962).
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