Redensarten Lexikon
reden
Jemandem Rede und Antwort stehen: zur Rechenschaft verpflichtet sein, Auskunft geben müssen, oder Jemanden zur Rede stellen: Rechenschaft von ihm fordern. Rede ist in diesen Wendungen nicht das einfache Gespräch oder die Äußerung, sondern die vor Gericht gehaltene Rede, die zu den wichtigsten Teilen des altdeutschen Gerichtsverfahrens gehörte. Der ›Redner‹ war der Fürsprecher der Parteien, die ›Einrede‹ (heute: ›Gegenrede‹) war der Widerspruch.    Eine Rede schwingen: eine Rede halten. ›Schwingen‹ bezieht sich auf das leidenschaftliche, wirkungsvolle Gebärdenspiel, mit dem der Redner seine Worte begleitet (erst im 20. Jahrhundert aufgekommen). Das Zitat aus Schillers ›Wallenstein‹ (›Piccolomini‹ I,2) »Was ist der langen Rede kurzer Sinn« ist auch im Volksmund sprichwörtlich und redensartlich geworden. Ähnlich auch volkstümlich und sprichwörtlich: ›Lange Rede – kurzer Sinn‹ oder ›Kurze Reden – lange Bratwürste‹ u.a.
   Das Sprichwort ›Reden ist Silber, Schweigen ist Gold‹ ist in seinem Ursprung noch nicht restlos geklärt. Wahrscheint stammt es, wie G. Freytag schon 1843 vermutete, aus dem Orient. In einer Berliner und Pariser Handschrift aus dem 16. Jahrhundert begegnet es in lateinischer Form: ›Narratio argentea, Silentium vero aureum est‹. Die Weisheit, daß Schweigen mehr wert sei als Reden, erscheint auch im Talmud: »Ist ein Wort ein Sela wert, ist Schweigen zwei Sela wert« (Jente, S. 33), Sela.
   Büchmann weist auf den Ps 12,7 und auf die Spr 10,20 hin: »Die Rede des Herrn ist lauter wie durchläutert Silber« und: »Des Gerechten Zunge ist köstliches Silber«.
   Herder führte das Sprichwort in den ›Zerstreuten Blättern‹ (1792) ins Deutsche ein: »Lerne schweigen, o Freund. Dem Silber gleichet die Rede, aber zu rechter Zeit schweigen ist lauteres Gold«. – Ins Englische wird das Sprichwort 1837 von Thomas Carlyle übersetzt: ›Speech is silvern, silence is golden‹. Im Holländischen wird es 1858 nachweisbar: ›Spreken is zilver, zwijgen is goud‹.
   Von etwas kann keine Rede mehr sein: eine Sache ist abgetan, erledigt.
   Etwas ist nicht der Rede wert: man läßt eine Sache wegen ihrer Unbedeutendheit eher unerwähnt; als Floskel oft gebraucht als Antwort auf ein ›Dankeschön‹: ›Es ist nicht der Rede wert‹.
   Jemand hat gut reden: jemand steckt nicht in denselben Schwierigkeiten wie ein anderer und sieht so dessen Probleme oft zu einfach. ›Reden, daß die Milch zu Butter wird‹, im Sinne von zuviel reden, erwähnt S. Lenz im ›Geist der Mirabelle‹ (S. 115).
   Das Zeitwort ›reden‹ kommt häufig in Verbindung mit sprichwörtlichen Vergleichen vor, z.B. ›Reden wie ein Buch‹, ›Reden wie ein Wasserfall‹ (vgl. schwäbisch ›der kann schwätze als wie'n Amtmann‹): schon in Johann Fischarts ›Geschichtklitterung‹ (S. 335) heißt es im redensartlichen Vergleich: »Er redet wie ein cometischer Gesandter vom Himmel mit jhm selber«. ›Er redet davon wie der Blinde von der Farbe‹, er versteht überhaupt nichts davon; schon in Luthers ›Tischreden‹ (213a) gebraucht und in vielen europäischen Sprachen üblich (vgl. Wander III, Spalte 1568).
   In den Wind reden (nach 1 Kor 14,9) Wind.
   Mit sich reden Iassen: zum Verhandeln bereit sein, Zugeständnisse machen.
   Viel von sich reden machen: berühmt werden; französisch ›faire beaucoup parler de soi‹. Jemandem nach dem Munde reden: so sprechen, daß es ihm zusagt, wie er es hören will.

• R. JENTE: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, in: Publications of the Modern Language Association 48 (1933), S. 33-37; L. RÖHRICH: Gebärdensprache und Sprachgebärde, in: Humaniora. Essays in Literature, Folklore ... honoring Archer Taylor (New York 1960), S. 121-149; V. ROLOFF: Reden und Schweigen (München 1973); K. KNÜSEL: Reden und Schweigen in Märchen und Sagen (Diss. Zürich 1980); H.
KOLB: Rede und Antwort stehen: Zur Semasiologie einer sprachlichen Formel, in: Sprachwissenschaft 6 (1981), S. 142-148.
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