Redensarten Lexikon
recht
Dem Recht den Rücken geben: nicht vor Gericht erscheinen. Scherzhaft: Nach dem kanonischen Recht: nach dem Recht des Stärkeren, nämlich dem ›Recht der Kanonen‹.
Das Recht der ersten Nacht (›Jus primae noctis‹) beanspruchen: sich vorbehalten, die Hochzeitsnacht mit der Braut zu verbringen. Es handelt sich um ein angebliches Privileg des Grundherren auf Beiwohnung in der Brautnacht einer Grundhörigen. Dieses Recht hat die Phantasie besonders in der Zeit antifeudaler Bestrebungen beschäftigt und ist vor allem durch das Libretto von Mozarts ›Figaro‹ bekannt geworden.
In Frankreich soll es unter der Bezeichnung ›droit de culage‹, ›droit de prélibation‹ bestanden haben. In zwei schweizerischen Weistümern (›Öffnung von Muri‹,1543 und im ›Weistum vom Hirslanden‹,1538) wird es dem Herren (seinem Beamten) zuerkannt; doch wird dem hörigen Bräutigam das Recht zugestanden, die erste Nacht durch eine geringe Abgabe zu erkaufen. Vermutlich hängt es damit zusammen, daß Hörige vor einer Eheschließung die Erlaubnis ihres Grundherren einholen und eine Gebühr dafür entrichten mußten.
Aus Ex 23,6 und aanderen Bibelstellen entnehmen wir Das Recht beugen nach Luther, der so übersetzt, gleichviel, ob in der Vulgata ›declinare‹, ›opprimere‹, ›subvertere‹ oder ›pervertere‹ steht. Aber unabhängig von ihm entstand aus den Vulgataworten (Dtn 27,19; vgl. dazu 24,17 und Hiob 34,12: »maledictus, qui pervertit iudicium«) die Wendung Das Recht verdrehen.
Das Recht mit Füßen treten: das Recht schwer verletzen. Nach einem mittelalterlichen Strafbrauch mußten Wucherer und Ehebrecher an drei Sonntagen hintereinander barfuß um die Kirche gehen, sich dann hinlegen und die Leute über sich treten lassen, damit symbolisch das getretene Recht durch die gleiche Vergeltung wiederhergestellt wurde.
Das ist der Rechte! Die Redensart ist ein Beweis, welche Rolle die Ironie bei dem Bedeutungswechsel unserer Redensarten gespielt hat. Dieser ursprüngliche ›Rechte‹ ist völlig in sein Gegenteil umgeschlagen. »Es ist gar die rechte, die Camille« heißt es schon in ›Schlampampes Tod‹ (111). Er ist an den Rechten gekommen ist ebenfalls ironisch gemeint, denn es heißt: an den, der bestimmt mit ihm fertig wird, der ihm eine gehörige Abfuhr erteilen wird.
Nach dem Rechten sehen: nachprüfen, ob alles in Ordnung ist.
Mit dem Adverb ›recht‹ gibt es eine große Zahl redensartlicher Wortspielereien, meist ironischer Art, z.B. ›Du hast recht, und dir gehört auch recht, aber mit einem dicken Prügel‹; ›Du hast recht, du kommst neben die Mutter Maria in den Himmel‹; ›Gerade recht wie der Bock zum Feste‹. ›Hast recht, sollst gehängt werden‹; Schlecht und recht ⇨ schlecht.
Das Kind beim rechten Namen nennen ⇨ Kind.
Es nicht jedem recht machen können: Trotz aller Bemühung nicht alle befriedigen können; vgl. das Sprichwort:
Allen Leuten recht getan,
ist eine Kunst, die niemand kann.
Etwas ist recht und billig: es entspricht den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, es erscheint angemessen. Die Bedeutung von ›billig‹ = wohlfeil ist erst im 18. Jahrhundert aufgekommen. Bis dahin war ›billig‹ synonym mit ›recht‹. Allerdings bezeichnet recht, was den Satzungen gemäß ist, und billig, was dem natürlichen Rechtsempfinden entspricht. In dieser Bedeutung steht ›billig‹ schon im 11. Jahrhundert und ist für alle Jahrhunderte reichlich belegt. Aus der Bedeutung ein billiger = angemessener Preis wurde im 18. Jahrhundert ein niederer Preis. So kam das Wort billig zu der Bedeutung wohlfeil. Inzwischen hat es sich weiter gewandelt und bezeichnet vielfach etwas Minderwertiges, z.B. ein ›billiger Witz‹. Die alte Bedeutung hat sich fast nur noch in der Redensart ›recht und billig‹ gehalten.
Etwas steht im alten Recht: ein alter Streit geht weiter, wird fortgesetzt.
Eine veraltete Wendung ist auch: Recht halten im Sinne von Gerichtssitzung halten.
Mit jemandem um etwas rechten: gegen jemanden in einem Streitfall vor Gericht gehen.
• J.G. FICHTNER. Dissertatio Juridica de Cereo Juris Naso, seu Vulgari Dicterio Jus habere Cereum Nasum, Das Recht habe eine wächserne Nase; respondente J.F. Puchelbergero (Altdorfii 1724); A.C. DORN: Programma in quo veritatem paroemia: Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemeines Recht inquirit (Kiel 1748); A.L. REYSCHER: Die Überlieferung der Rechte durch Rechtssprichwörter, in: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaften 5 (1841), S. 189-209; G. LOHN: Deutsches Recht im Munde des Volkes, in: ders.: Drei rechtswissenschaftliche Vorträge (Heidelberg 1888), S. 143; A. DE COCK: Spreekwoorden en zegswijzen, afkomstig van oude gebruiken en volkszeden, in: Volkskunde 10 (1897/98), S. 67-223; C. KOEHNE: Handwerkerrecht in Rechtssprichwörtern., in: VSW 15 (1919), S. 64-71; W. SCHMIDT: Redensarten des deutschen Rechtslebens, in: Zeitschrift des allgemeinen deutschen Sprachvereins 34 (1919), S. 199-263; D.E. BOND: The Law and Lawyers in English Proverbs, in: American Bar Association Journal 21 (1935), S. 724-727; D.E. BOND: Englisch legal Proverbs, in: Publications of the Modern Language Association 51 (1936), S. 921-935; O. URBACH: Deutsches Recht im deutschen Sprichwort, in: Muttersprache 52 (1937), S. 230-234; F. BEYERLE: Sinnbild und Bildgewalt im älteren deutschen Recht, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (germanistische Abteilung) 58 (1938), S. 788-807; K. SPIRO: Alte Rechtssprichwörter und modernes Privatrecht, in: Zeitschrift für Schweizerisches Recht 69 (1950), S. 121-142; W. WEIZSÄCKER: Volkund Staat im deutschen Rechtssprichwort in: Aus Verfassungs-und Landesgeschichte. Festschrift zum 70. Geburtstag von Th. Mayer (Lindau 1954/55), Band I, S. 305-329; J.W. HEDEMANN: Aus der Welt der Rechtssprichwörter, in: Das deutsche Privatrecht in der Mitte des 20. Jahrhunderts, in: Festschrift für Heinrich Lehmann (Berlin 1956), Band 2, S. 131-142; W. EBEL: Über Redensarten und Recht, in: Moderna Språk 56 (1962), S. 21-32; A. ERLER: Artikel ›Jus primae noctis‹, in Handbuch zur deutschen Rechtsgeschichte II, Spalte 498.
Das Recht der ersten Nacht (›Jus primae noctis‹) beanspruchen: sich vorbehalten, die Hochzeitsnacht mit der Braut zu verbringen. Es handelt sich um ein angebliches Privileg des Grundherren auf Beiwohnung in der Brautnacht einer Grundhörigen. Dieses Recht hat die Phantasie besonders in der Zeit antifeudaler Bestrebungen beschäftigt und ist vor allem durch das Libretto von Mozarts ›Figaro‹ bekannt geworden.
In Frankreich soll es unter der Bezeichnung ›droit de culage‹, ›droit de prélibation‹ bestanden haben. In zwei schweizerischen Weistümern (›Öffnung von Muri‹,1543 und im ›Weistum vom Hirslanden‹,1538) wird es dem Herren (seinem Beamten) zuerkannt; doch wird dem hörigen Bräutigam das Recht zugestanden, die erste Nacht durch eine geringe Abgabe zu erkaufen. Vermutlich hängt es damit zusammen, daß Hörige vor einer Eheschließung die Erlaubnis ihres Grundherren einholen und eine Gebühr dafür entrichten mußten.
Aus Ex 23,6 und aanderen Bibelstellen entnehmen wir Das Recht beugen nach Luther, der so übersetzt, gleichviel, ob in der Vulgata ›declinare‹, ›opprimere‹, ›subvertere‹ oder ›pervertere‹ steht. Aber unabhängig von ihm entstand aus den Vulgataworten (Dtn 27,19; vgl. dazu 24,17 und Hiob 34,12: »maledictus, qui pervertit iudicium«) die Wendung Das Recht verdrehen.
Das Recht mit Füßen treten: das Recht schwer verletzen. Nach einem mittelalterlichen Strafbrauch mußten Wucherer und Ehebrecher an drei Sonntagen hintereinander barfuß um die Kirche gehen, sich dann hinlegen und die Leute über sich treten lassen, damit symbolisch das getretene Recht durch die gleiche Vergeltung wiederhergestellt wurde.
Das ist der Rechte! Die Redensart ist ein Beweis, welche Rolle die Ironie bei dem Bedeutungswechsel unserer Redensarten gespielt hat. Dieser ursprüngliche ›Rechte‹ ist völlig in sein Gegenteil umgeschlagen. »Es ist gar die rechte, die Camille« heißt es schon in ›Schlampampes Tod‹ (111). Er ist an den Rechten gekommen ist ebenfalls ironisch gemeint, denn es heißt: an den, der bestimmt mit ihm fertig wird, der ihm eine gehörige Abfuhr erteilen wird.
Nach dem Rechten sehen: nachprüfen, ob alles in Ordnung ist.
Mit dem Adverb ›recht‹ gibt es eine große Zahl redensartlicher Wortspielereien, meist ironischer Art, z.B. ›Du hast recht, und dir gehört auch recht, aber mit einem dicken Prügel‹; ›Du hast recht, du kommst neben die Mutter Maria in den Himmel‹; ›Gerade recht wie der Bock zum Feste‹. ›Hast recht, sollst gehängt werden‹; Schlecht und recht ⇨ schlecht.
Das Kind beim rechten Namen nennen ⇨ Kind.
Es nicht jedem recht machen können: Trotz aller Bemühung nicht alle befriedigen können; vgl. das Sprichwort:
Allen Leuten recht getan,
ist eine Kunst, die niemand kann.
Etwas ist recht und billig: es entspricht den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, es erscheint angemessen. Die Bedeutung von ›billig‹ = wohlfeil ist erst im 18. Jahrhundert aufgekommen. Bis dahin war ›billig‹ synonym mit ›recht‹. Allerdings bezeichnet recht, was den Satzungen gemäß ist, und billig, was dem natürlichen Rechtsempfinden entspricht. In dieser Bedeutung steht ›billig‹ schon im 11. Jahrhundert und ist für alle Jahrhunderte reichlich belegt. Aus der Bedeutung ein billiger = angemessener Preis wurde im 18. Jahrhundert ein niederer Preis. So kam das Wort billig zu der Bedeutung wohlfeil. Inzwischen hat es sich weiter gewandelt und bezeichnet vielfach etwas Minderwertiges, z.B. ein ›billiger Witz‹. Die alte Bedeutung hat sich fast nur noch in der Redensart ›recht und billig‹ gehalten.
Etwas steht im alten Recht: ein alter Streit geht weiter, wird fortgesetzt.
Eine veraltete Wendung ist auch: Recht halten im Sinne von Gerichtssitzung halten.
Mit jemandem um etwas rechten: gegen jemanden in einem Streitfall vor Gericht gehen.
• J.G. FICHTNER. Dissertatio Juridica de Cereo Juris Naso, seu Vulgari Dicterio Jus habere Cereum Nasum, Das Recht habe eine wächserne Nase; respondente J.F. Puchelbergero (Altdorfii 1724); A.C. DORN: Programma in quo veritatem paroemia: Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemeines Recht inquirit (Kiel 1748); A.L. REYSCHER: Die Überlieferung der Rechte durch Rechtssprichwörter, in: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaften 5 (1841), S. 189-209; G. LOHN: Deutsches Recht im Munde des Volkes, in: ders.: Drei rechtswissenschaftliche Vorträge (Heidelberg 1888), S. 143; A. DE COCK: Spreekwoorden en zegswijzen, afkomstig van oude gebruiken en volkszeden, in: Volkskunde 10 (1897/98), S. 67-223; C. KOEHNE: Handwerkerrecht in Rechtssprichwörtern., in: VSW 15 (1919), S. 64-71; W. SCHMIDT: Redensarten des deutschen Rechtslebens, in: Zeitschrift des allgemeinen deutschen Sprachvereins 34 (1919), S. 199-263; D.E. BOND: The Law and Lawyers in English Proverbs, in: American Bar Association Journal 21 (1935), S. 724-727; D.E. BOND: Englisch legal Proverbs, in: Publications of the Modern Language Association 51 (1936), S. 921-935; O. URBACH: Deutsches Recht im deutschen Sprichwort, in: Muttersprache 52 (1937), S. 230-234; F. BEYERLE: Sinnbild und Bildgewalt im älteren deutschen Recht, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (germanistische Abteilung) 58 (1938), S. 788-807; K. SPIRO: Alte Rechtssprichwörter und modernes Privatrecht, in: Zeitschrift für Schweizerisches Recht 69 (1950), S. 121-142; W. WEIZSÄCKER: Volkund Staat im deutschen Rechtssprichwort in: Aus Verfassungs-und Landesgeschichte. Festschrift zum 70. Geburtstag von Th. Mayer (Lindau 1954/55), Band I, S. 305-329; J.W. HEDEMANN: Aus der Welt der Rechtssprichwörter, in: Das deutsche Privatrecht in der Mitte des 20. Jahrhunderts, in: Festschrift für Heinrich Lehmann (Berlin 1956), Band 2, S. 131-142; W. EBEL: Über Redensarten und Recht, in: Moderna Språk 56 (1962), S. 21-32; A. ERLER: Artikel ›Jus primae noctis‹, in Handbuch zur deutschen Rechtsgeschichte II, Spalte 498.