Redensarten Lexikon
Ratte
Auf die Ratte spannen: scharf aufpassen; eigentlich: wie der Hund (die Katze) vorm Loch auf die zu fangende Ratte. Das ist für die Ratte: das ist umsonst, nichts wert. Anders: Die haben für die Ratten: sie haben mehr, als sie selbst aufessen können, sind wohlhabend.
Eine Ratte im Kopfe haben: einen tollen Gedanken haben, etwas närrisch sein; niederdeutsch ›däm löpet en Ratt im Koppe herüm‹.
Von einem Menschen ohne allen Verstand sagt man: ›Man wird tote Ratten mit ihm fangen‹.
Wie eine Ratte schlafen: sehr fest schlafen; eigentlich: Schlafen (auch schnarchen) wie ein Ratz. ›Ratz‹ ist die oberdeutsche Form von Ratte, dann auch Bezeichnung für verwandte Tiere wie Iltis, Murmeltier, Siebenschläfer usw. Das Murmeltier ist als Langschläfer bekannt (vgl. französisch ›dormir comme une marmotte‹ (auch: ›dormir comme un loir‹, wie ein ⇨ Siebenschläfer schlafen), während die Ratte weder in Winterschlaf verfällt noch sich durch tiefen Schlaf auszeichnet, im Gegenteil nachts sehr munter herumrennt. Bereits Johann Fischart (1546 bis 1590) kennt die Redensart. Eine moderne Bildung hieraus ist ›Ratzen‹, tief schlafen. Eine Ratte (auch Ratze) schieben: beim Kegeln nichts treffen: Die Kugel geht wie eine Ratte zwischen Eckkegel und Bande hindurch (⇨ Pudel).
Von einem, der anderen Rat erteilt, sich selbst aber nicht helfen kann, sagt man: ›Andern will er Ratten fangen, und ihn selbst fressen die Mäuse‹. Schlesisch ist bezeugt: ›A wil andern Ratten fangen und konem (kann ihm) salber kene Moise fangen‹; auch rheinhessisch für einen Projektemacher: ›Er fängt gar anderen Leut die Ratten und sich selbst kei Mäus'‹.
Die Ratten verlassen das sinkende Schiff ein alter Seemannsglaube – wird in übertragener Bedeutung gesagt, wenn Schmeichler und Schmarotzer sich zurückziehen, sobald die Glücksumstände sich ändern: vgl. den Holzschnitt von 1533: Ratten und Schmeichler verlassen das einstürzende Haus. Der Seemann weiß, daß die Ratte nicht erst das sinkende Schiff verläßt, sondern daß sie oft schon Tage vorher ins Meer springt, wenn sie Anzeichen einer Katastrophe (Untergang, Explosion, Vergiftung) spürt. Die Ratten ertrinken lieber auf offener See, als daß sie mit dem Schiff untergehen. Daher ist ihre Flucht für die Besatzung eine große Warnung, denn sie hat einen handfesten Grund: da das eindringende Salzwasser in die unteren Schiffsräume das Leben den Ratten unmöglich macht, gehen sie eben von Bord. Für den Seemann ist dies ein Zeichen, daß Wasser in den Schiffsrumpf eindringt. Vgl. lateinisch ›Cum ruinae imminent, mures migrant‹, siehe Abbildung.
Rattenkönig heißt eigentlich die Erscheinung, wenn mehrere Ratten, mit den Schwänzen verfilzt, aneinanderhängen; bildlich: eine ganze Menge von Fehlern, Mißverständnissen und dergleichen, die sonst nur vereinzelt auftreten.
Im Tierbuch von Gesner (1563) bezeichnet ›Rattenkönig‹ noch eine große Ratte, die sich vom Raub anderer Ratten nährt; später heißt so die Gruppe alter Ratten, die sich mit den Schwänzen verwirrt hat und von den Jungen verpflegt wird.
Die Wendung gilt heute als veraltet und wird meist ersetzt durch die Wendung Rattenschwanz von...: eine große Folge von zusammenhängenden Fragen und Problemen usw.
Weitere, mit Ratte‹ gebildete Komposita haben mit dem Tier nichts mehr gemein. So sagt man zu einem ›Bücherwurm‹ auch ›Leseratte‹. ›Landratten‹ sind in der Sprache der Seeleute die Landbewohner, sie selbst sind ›Wasserratten‹, d.h. Seefahrer, Schiffer, begeisterte Schwimmer.
Wahrscheinlich ist der Begriff ›Landratte‹ eine Lehnübersetzung aus dem englischen ›landrat‹, welches schon 1596 bezeugt ist. Im England werden überhaupt – viel früher als im Deutschen – Menschen mit ›rat‹ bezeichnet.
Eine Stelle in Shakespeares ›Kaufmann von Venedig‹, die das Wort ›landrat‹ beinhaltet (I,3), wurde wörtlich ins Deutsche übersetzt. Vielleicht ist dies der Ursprung der Namen ›Wasserratte‹ (für eifrige Schwimmer), ›Leseratte‹ usw. Sie lautet: »... but ships are but boards, sailors but men, there be land- rats, and water-rats, water-thieves, and land-thieves, (I mean pirats)«.
• A. GITTEE: Ratten, in: Volkskunde 2 (1889), S. 175; O. KELLER: Die antike Tierwelt, Band 1 (Leipzig 1909), S. 203-207; R. RIEGLER: Deutsche Redensarten, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 23 (1909), S. 526; K BECKER und H. KEMPER: Der Rattenkönig (=Beihefte der Zeitschrift für angewandte Zoologie 2) (Berlin 1964); S. KRÜGER: Die Figur der Ratte in literarischen Texten. Eine Motivstudie (FrankfurtM., Bern, New York, Paris 1989).}
Die Ratten (und Schmeichler) verlassen das einstürzende Haus (das sinkende Schiff). Holzschnitt von 1553, in: Guillaume de la Perrière: La Morosophie, Lyon 1553, Nr. 95, aus: Henkel und Schöne, Spalte 599.
Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Karikatur von Haitzinger, 88. Aus: STERN, Nov. 1988.
Einen ganzen Rattenschwanz hinter sich herziehen. Karikatur von Haitzinger, vom 26.X.87. Aus: DER SPIEGEL, vom 2.XI.1987.
Eine Ratte im Kopfe haben: einen tollen Gedanken haben, etwas närrisch sein; niederdeutsch ›däm löpet en Ratt im Koppe herüm‹.
Von einem Menschen ohne allen Verstand sagt man: ›Man wird tote Ratten mit ihm fangen‹.
Wie eine Ratte schlafen: sehr fest schlafen; eigentlich: Schlafen (auch schnarchen) wie ein Ratz. ›Ratz‹ ist die oberdeutsche Form von Ratte, dann auch Bezeichnung für verwandte Tiere wie Iltis, Murmeltier, Siebenschläfer usw. Das Murmeltier ist als Langschläfer bekannt (vgl. französisch ›dormir comme une marmotte‹ (auch: ›dormir comme un loir‹, wie ein ⇨ Siebenschläfer schlafen), während die Ratte weder in Winterschlaf verfällt noch sich durch tiefen Schlaf auszeichnet, im Gegenteil nachts sehr munter herumrennt. Bereits Johann Fischart (1546 bis 1590) kennt die Redensart. Eine moderne Bildung hieraus ist ›Ratzen‹, tief schlafen. Eine Ratte (auch Ratze) schieben: beim Kegeln nichts treffen: Die Kugel geht wie eine Ratte zwischen Eckkegel und Bande hindurch (⇨ Pudel).
Von einem, der anderen Rat erteilt, sich selbst aber nicht helfen kann, sagt man: ›Andern will er Ratten fangen, und ihn selbst fressen die Mäuse‹. Schlesisch ist bezeugt: ›A wil andern Ratten fangen und konem (kann ihm) salber kene Moise fangen‹; auch rheinhessisch für einen Projektemacher: ›Er fängt gar anderen Leut die Ratten und sich selbst kei Mäus'‹.
Die Ratten verlassen das sinkende Schiff ein alter Seemannsglaube – wird in übertragener Bedeutung gesagt, wenn Schmeichler und Schmarotzer sich zurückziehen, sobald die Glücksumstände sich ändern: vgl. den Holzschnitt von 1533: Ratten und Schmeichler verlassen das einstürzende Haus. Der Seemann weiß, daß die Ratte nicht erst das sinkende Schiff verläßt, sondern daß sie oft schon Tage vorher ins Meer springt, wenn sie Anzeichen einer Katastrophe (Untergang, Explosion, Vergiftung) spürt. Die Ratten ertrinken lieber auf offener See, als daß sie mit dem Schiff untergehen. Daher ist ihre Flucht für die Besatzung eine große Warnung, denn sie hat einen handfesten Grund: da das eindringende Salzwasser in die unteren Schiffsräume das Leben den Ratten unmöglich macht, gehen sie eben von Bord. Für den Seemann ist dies ein Zeichen, daß Wasser in den Schiffsrumpf eindringt. Vgl. lateinisch ›Cum ruinae imminent, mures migrant‹, siehe Abbildung.
Rattenkönig heißt eigentlich die Erscheinung, wenn mehrere Ratten, mit den Schwänzen verfilzt, aneinanderhängen; bildlich: eine ganze Menge von Fehlern, Mißverständnissen und dergleichen, die sonst nur vereinzelt auftreten.
Im Tierbuch von Gesner (1563) bezeichnet ›Rattenkönig‹ noch eine große Ratte, die sich vom Raub anderer Ratten nährt; später heißt so die Gruppe alter Ratten, die sich mit den Schwänzen verwirrt hat und von den Jungen verpflegt wird.
Die Wendung gilt heute als veraltet und wird meist ersetzt durch die Wendung Rattenschwanz von...: eine große Folge von zusammenhängenden Fragen und Problemen usw.
Weitere, mit Ratte‹ gebildete Komposita haben mit dem Tier nichts mehr gemein. So sagt man zu einem ›Bücherwurm‹ auch ›Leseratte‹. ›Landratten‹ sind in der Sprache der Seeleute die Landbewohner, sie selbst sind ›Wasserratten‹, d.h. Seefahrer, Schiffer, begeisterte Schwimmer.
Wahrscheinlich ist der Begriff ›Landratte‹ eine Lehnübersetzung aus dem englischen ›landrat‹, welches schon 1596 bezeugt ist. Im England werden überhaupt – viel früher als im Deutschen – Menschen mit ›rat‹ bezeichnet.
Eine Stelle in Shakespeares ›Kaufmann von Venedig‹, die das Wort ›landrat‹ beinhaltet (I,3), wurde wörtlich ins Deutsche übersetzt. Vielleicht ist dies der Ursprung der Namen ›Wasserratte‹ (für eifrige Schwimmer), ›Leseratte‹ usw. Sie lautet: »... but ships are but boards, sailors but men, there be land- rats, and water-rats, water-thieves, and land-thieves, (I mean pirats)«.
• A. GITTEE: Ratten, in: Volkskunde 2 (1889), S. 175; O. KELLER: Die antike Tierwelt, Band 1 (Leipzig 1909), S. 203-207; R. RIEGLER: Deutsche Redensarten, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 23 (1909), S. 526; K BECKER und H. KEMPER: Der Rattenkönig (=Beihefte der Zeitschrift für angewandte Zoologie 2) (Berlin 1964); S. KRÜGER: Die Figur der Ratte in literarischen Texten. Eine Motivstudie (FrankfurtM., Bern, New York, Paris 1989).}
Die Ratten (und Schmeichler) verlassen das einstürzende Haus (das sinkende Schiff). Holzschnitt von 1553, in: Guillaume de la Perrière: La Morosophie, Lyon 1553, Nr. 95, aus: Henkel und Schöne, Spalte 599.
Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Karikatur von Haitzinger, 88. Aus: STERN, Nov. 1988.
Einen ganzen Rattenschwanz hinter sich herziehen. Karikatur von Haitzinger, vom 26.X.87. Aus: DER SPIEGEL, vom 2.XI.1987.