Redensarten Lexikon
Rang
Einem den Rang ablaufen: ihm zuvorkommen, ihn überflügeln. Der eigentliche Sinn der Redensart ist: einem Läufer, der einem ein Stück voraus ist, dadurch zuvorkommen, daß man die Krümmung, die er macht (den ›Rank‹, verwandt mit ›renken‹, vgl. ›Ranke‹), vermeidet, sie auf einem geraden Wege abschneidet; wie man heute von ›krummen Wegen‹ oder von ›krummen Touren‹ redet, auf denen man erschleicht, was auf geraden nicht zu erreichen ist; vgl. auch unser modernes: ›Die Kurve schneiden‹ in übertragener Bedeutung. Im eigentlichen Sinne begegnet nicht nur das Wort, sondern die ganze Redensart in Hadamar von Lebers ›Jagd‹, einem allegorischen Gedicht des 14. Jahrhunderts. Der Dichter behandelt unter der Form einer Jagdallegorie das ritterliche Liebeswerben: Um einem edlen Wilde nachzujagen, reitet der Minnejäger aus, an der Hand das Herz führend, das ihn auf die rechte Fährte bringen soll. Ihn begleiten Hunde mit Namen wie Treue, Glück, Lust, staete (Beständigkeit) usw. Auch die Blicke werden als schnelle Windhunde dargestellt. Da wird nun u.a. erzählt, wie er ›Blicke‹ auf das edle Wild gehetzt habe, und es heißt an der betreffenden Stelle:
   Der snelle wint (Windhund) mit schricken (Sprüngen)
   hât im vil mangen ranc doch ab genomen;

d.h. durch Sprünge geradeaus ist der Hund dem Wilde, das in Bogen läuft, nahe gekommen. So noch Grimmelshausen im ›Simplicissimus‹ (Band I, S. 207): »Weil sie mich noch endlich zu überwinden verhoffte, verlegte sie ihm alle Pässe und lieffe ihm alle Räncke ab«. Die Form Rang, die in dieser Redensart mit dem militärischen Fachausdruck Rang (s.u.) nichts zu tun hat, findet sich auch 1542 bei O. Schade in ›Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit‹ (1856-58, I, S. 57):

   Sint dem fromen man zu frü auf die kerwei kumen.
   Haben jm also einen rang abgelaufen.

Die Abweichung des Weges von der geraden Richtung heißt in süddeutschen Mundarten auch ›die Reib‹ oder ›die Reiben‹. ›Die Reib zu kurz nehmen‹ bedeutet: mit dem Wagen eine zu schnelle Wendung machen. Auch ›Rib‹ kommt vor. Alliterierend verbindet man nun ›Rib und Renke‹ und meint damit listige Anschläge, Kniffe, und während man in Norddeutschland sagt: ›den Rank ablaufen‹, heißt es in Süddeutschland nicht selten: ›die Reib (oder: die Rib) ablaufen‹.
   Auch die Wendung Ränke schmieden: Listen aussinnen, weist auf die ursprüngliche Bedeutung von ›Rank‹ = Wendung, Krümmung hin. In der neuhochdeutschen Schriftsprache ist nur die Mehrzahl ›Ränke‹ in diesem Sinne noch gebräuchlich, während in süddeutschen Mundarten noch Ausdrücke begegnen wie: ›Was habt's denn wieder für'n Rank angefangt?‹ ›Mit Ränken und Schwänken‹, mit List und Tücke; z.B. in dem redensartlichen Vergleich: ›Er ist so voller Ränke und Schwänke als ein Ei voll Dotter‹.
   Das mit ›Ring‹ verwandte ›Rinken‹ in der gleichbedeutenden Redensart Rinken gießen wird von Joh. Agricola (Nr. 35a) folgendermaßen erklärt: »Rinken seind krum, vnnd man bleibt offt drinnen behangen. Also gießen Rincken, die mit allerley büberey vmbgehen, andere leut damit zu betriegen, vmb jres genieß willen«. Im ›Narrenschiff‹ von Sebastian Brant (19,68) heißt es:

   Wer wol redt, der redt dick zu vil
   Vnd musz auch schiessen zu dem zil,
   Werfen den schlegel verr vnd wit
   Vnd rincken giessen zu widerstrit.

Rang und Namen haben: eine hohe Stellung im bürgerlichen Leben innehaben und innerhalb eines Kreises bekannt sein. so sagt man z.B. bei größeren Festen: alles, was Rang und Namen hatte, wurde eingeladen. Das Wort ›Rang‹ erscheint hier in seiner zweiten Bedeutung, nämlich im Sinne von Reihenfolge, Stufe in allgemein anerkannter Ordnung. Es erscheint zunächst als französisches Lehnwort in der Soldatensprache des 30jährigen Krieges und bedeutete Reihe, Ordnung. Jemandem den Rang streitig machen: jemanden von seiner Position verdrängen wollen.
   Den Rang nicht kriegen, aufzustehen: der Lust nachgeben, liegenbleiben; nicht die nötige Motivation zum Aufstehen besitzen.

• E. THIELE: Luthers Sprichwörter-Sammlung, Nr. 129, S. 141ff.; RICHTER-WEISE, Nr. 158, S. 173ff.; ANON: Ränke schmieden, in: Sprachdienst 3 (1959), S. 107-109; L. RÖHRICH und G. MEINEL: Redensarten aus dem Bereich der Jagd und der Vogelstellerei, S. 317f.
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