Redensarten Lexikon
Pulver
Das Pulver nicht erfunden haben: beschränkt, dumm, einfältig sein; vgl. französisch ›n'avoir pas inventé la poudre‹.    Jobst Sackmann, Pfarrer zu Limmern bei Hannover (um die Zeit 1686-1720), sagt in einer plattdeutschen Predigt über die Erfindung des Schießpulvers: »Is dat ene Kunst, dat men enen dot schütt? Jo, ick kant nig gnog seggen, dat so en Stück Schelms, so en liederlick Mönk dat Pulver het utdacht, wenn et noch en Soldat odder dapper Kriegsmann dan hadde, so wull ick daer noch nich van seggen«. Diese Schelte bezieht sich auf Berthold Schwarz, der in Freiburg, wo sein Denkmal steht, das Schießpulver bei alchimistischen Versuchen hergestellt haben soll.
   Bertholdus Niger muß – nach neueren Forschungen – als historische Person betrachtet werden, die die erste Hochdruckwaffe herstellte. Vor 1370 hatte es nur Niederdruckwaffen gegeben. Bertholds Erkenntnis lag darin, daß er beobachtete, welch ungeheuren Druck hocherhitzte, eingeschlossene Gase entwickeln können. Berthold selbst stammte aus der Stadt Konstanz, lebte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts als Magister artium an der Universität Paris. Er beschäftigte sich mit der alchimistischen Kunst und entdeckte die Sprengwirkung eines Pulvergemischs aus Schwefel, Salpeter und Holzkohle. Das ›Große vollständige Universal-Lexikon‹ (Leipzig – Halle 1732-54) schreibt 1741 über Berthold: »Schwartz ... hieß sonst Constantin Angklitzen, war zu Freyburg in Deutschland um die Mitte des 14. Jahrhunderts gebohren, und seiner Profeßion nach zu Mayntz ein Münch, und hat die Erfindung des Schießpulvers und der Büchsen 1330 wider sein Vermuthen zu Stande gebracht ... Im übrigen haben einige vorgegeben, daß endlich Kayser Wentzel den Schwartz wegen dieser seiner Erfindung 1388 lebendig habe verbrennen lassen«.
   In Ifflands ›Jägern‹ von 1785 (II,5) sagt Anton zu Friederike: »Ich habe wenig, vornehm bin ich nicht, es kann auch sein, daß ich das Pulver nicht erfände – aber soviel gesunden sinn, als man fürs Haus braucht, traue ich mir zu«. Karl Gutzkow hat die Redensart zu einem Haupttreffer in der Szene des Tabakskollegiums in seinem Lustspiel ›Zopf und Schwert‹ (1844) benutzt. Da entgegnet der Erbprinz von Bayreuth auf die Frage, was der Alte Dessauer erfunden habe: »Das Pulver kann's nicht sein, denn das hat schon Herr von Seckendorf erfunden«. Scherzhaft wird der durch die Redensart ausgedrückte Tadel auch in gemilderter Form geäußert: ›Er hat bei der Erfindung des Pulvers im Nebenzimmer gesessen‹.
   Sein Pulver verschossen haben: nichts mehr leisten können, am Ende der Kräfte angelangt sein, auch: sich sexuell verausgabt haben, impotent sein.
   Ein Beispiel für die erotische Bedeutung dieser Redensart ist die zweite Strophe eines Jägerliedes aus Unterfranken: ›Ich bin ein lustiger Jägersknecht‹:

   Was ein Jäger haben soll,
   hab' ich wohl;
   all' mein' Taschen, die sein voll.
   Schönes Pulver, Blei und Kugel
   schieß ich so fix
   aus meiner Büchs
   nach diesem Vogel.
   (R.W. Brednich: Erotische Lieder [Frankfurt/M. 1979], S. 84-85).

Sein Pulver trocken halten: seine Reserven zurückhalten, auf der Hut sein, seine Kräfte nicht vorzeitig vergeuden. Im Kriegsbuch von Margret Mead steht der Aufruf: ›Haltet Euer Pulver trocken‹. Die Redensart kann auch erotische Bedeutung erhalten: mit seiner Potenz sparsam umgehen (Borneman: Sex im Volksmund).
   Kein Pulver riechen können: feige sein.
   Keinen Schuß Pulver wert sein: nicht das geringste wert sein; bezieht sich auf den Tod durch Erschießen, der als weniger schimpflich und entehrend gilt als der Tod durch Erhängen etc. Auf dem Pulverfaß sitzen: in gefährlicher Lage sein; vgl. französisch ›tonneau de poudre‹.
   Auf das Arzneipulver bezieht sich die obersächsische Redensart ›dummes Pulver (ein)nehmen‹, sich dumm stellen, Verständnislosigkeit heucheln.
   Jemandem Maschinenpulver verabreichen: meint salopp, jemanden vergiften. Im Volksglauben gibt es die Vorstellung, daß, Pulver ins Essen und Trinken gemischt, mutig mache (Handbuch des Aberglaubens VII, Spalte 382-383).

• H. HANSJAKOB: Der schwarze Berthold (Freiburg 1891); F.M. FELDHAUS: Was wissen wir von Berthold Schwarz?, in: Zeitschrift für historische Waffenkunde 4 (1906/08), S. 66 und 113f.; H.J. RIECKENBERG: Berthold Schwarz, in: Neue deutsche Biographie 2 (1955); H. Biedermann: Handlexikon der magischen Künste (München – Zürich 1973), S. 60- 61; W. GERD KRAMER: Berthold Schwarz: Erfindung, Lebenszeit und Bedeutung, in: Schau-ins-Land 93 (1975), S. 63-82.}

Das Pulver (nicht) erfunden haben. Relief am Denkmal des Berthold Schwarz, Freiburg i. Br..
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