Redensarten Lexikon
preußisch
So schnell schießen die Preußen nicht: die Sache geht nicht so schnell wie erwartet, nur keine Aufregung und Übereilung! Die Wendung wird zur Beruhigung gebraucht, wenn man das rasche Vorgehen eines anderen fürchtet oder wenn man glaubt, durch Zögern und überlegtes Abwarten dem Gegner Vorteile einzuräumen. Ein zur Eile Angetriebener kann die Wendung aber auch zu seiner Entschuldigung gebrauchen, wenn es anderen nicht schnell genug geht.    Die Redensart hat zweifellos einen bestimmten, aber bisher noch nicht gefundenen literarischen Ursprung (vgl. Büchmann). Trotzdem seien hier einige Erklärungsversuche aufgeführt: Der neuesten Datums stammt von A. Meder. Doch er wiederholt nur eine der ältesten Versuche, diese Redensart zu erklären: »Hier könnte man die recht einleuchtende Erklärung anbieten, die Franz Schnabel in seinen Vorlesungen gab: Diese Redensart sei aufgekommen, nachdem in der preußischen Armee das Zündnadelgewehr eingeführt worden sei, das sehr viel schneller schoß als alle bisherigen Gewehre und zu einem guten Teil auch den Ausgang des Krieges von 1866 entschied: »So schnell schießen nicht einmal die Preußen«. (Dieser Meinung ist auch Karl M. Klier, S. 88). Nach Fr. Seiler dagegen stammt die Redensart »aus der Zeit der preußischen Zauderpolitik vor Bismarcks Auftreten« (Deutsche Sprichwörterkunde, S. 35). Als 1875 die französischen Zeitungen zur Revanche gegen Deutschland aufriefen und Frankreich stark aufrüstete, schrieben auch deutsche Zeitungen über eine drohende Kriegsgefahr. Bismarck wurde deshalb auch von einem englischen Journalisten befragt, ob die deutschen Eroberungspläne etwa die Ursache der französischen Nervosität seien. Er antwortete darauf beruhigend: »So schnell schießen die Preußen nicht!«
   Eine südbadische Sentenz beschreibt anschaulich die Schnelligkeit der Preußen: »Bis mir Wurscht g'sait han, het se der Preuß schu g'fresse«.
   Will man in Süddeutsclland und in der Schweiz aber auch in Sachsen und in Holstein sagen: ›Werden Sie nur nicht grob‹, so heißt es: ›Werden Sie nur nicht preußisch‹. Auch ein Hochmütiger wird mit ›Er ist preußisch‹ abgetan.
   Nicht preußisch miteinander sein: kein gutes Verhältnis haben (Schoeps, S. 168).
   ›Das ist zum Preußisch werden‹ ist in Sachsen ein Ausruf der Verzweiflung (Schoeps, S. 168).
   Preußischer als die Preußen sein: Päpstlicher als der Papst sein, Papst.
   »Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben« dichtete Joh. Bernhard Thiersch (1794-1855) zu Ehren des Geburtstags Wilhelms III. am 3. August 1830
(Büchmann).
   »Ich wollte es wäre Nacht und die Preußen kämen«, soll Sir Arthur Wellesley, Herzog von Wellington (1769-1852) in der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815 ausgerufen haben.
   Die französische Redensart ›travailler pour le roi de Prusse‹ soll ihren Ursprung davon haben, daß zur Zeit Friedrich Wilhelms I. im preußischen Heer am 31. des Monats kein Sold ausbezahlt worden sei, man also an diesem Tage dem König umsonst dienen mußte. Deshalb soll ›pour le roi de Prusse‹ den Sinn von ›pour rien‹ bekommen haben. Wenn ein Sachse einen anderen mit den Worten warnt: ›Du kriegst was aus der preußischen Kriegskasse‹, so droht er mit einer Ohrfeige.

• K. HIRSCH: De spreekwijze: voor den koning van Pruisen arbeiden, in: De Toekomst 15 (1871), S. 127; G.M. KUEFFNER: Die Deutschen im Sprichwort (Heidelberg 1899), S. 66ff.; R.M. KLIER: Eine Redensart aus den Kriegszeiten (so schnell schießen die Preußen nicht), in: Das deutsche Volkslied 44 (1942), S. 88; A. MEDER: So schnell schießen die Preußen nicht, in: Blätter für Deutschlehrer (1979), S. 89.
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