Redensarten Lexikon
Palmesel
Er ist aufgeputzt wie ein Palmesel sagt man von einem, der sich allzuviel auf seine Schönheit einbildet und sich schmückt und ziert. Der redensartliche Vergleich geht zurück auf den religiösen Volksbrauch, in der Palmsonntagsprozession den Einzug Jesu in Jerusalem, wie er Mt 21 geschildert wird, zu spielen, indem man einen Esel, geschmückt mit Grün und den frühen Blumen dieser Jahreszeit, mitführte. Auf dem Palmesel mußte dabei ein junger Kleriker oder Pilger als Darsteller Jesu reiten und ›in Jerusalem einziehen‹. Den Beteiligten kam es immer mehr auf den weltlichen Prunk eines echten Barockschauspiels und die eigene Zurschaustellung als auf eine demütige Nachfolge Jesu in der Prozession an, wie der redensartliche Vergleich zeigt, der übertriebenen Schmuck verurteilt. Der lebendige Esel wurde schon früh durch einen holzgeschnitzten ersetzt, wie er noch in verschiedenen Museen zu sehen ist. Palmesel als Liturgierequisiten sind schon seit dem 10. Jahrhundert bezeugt.    Jedoch wurden wahrscheinlich zuerst Reliefdarstellungen von Jesus auf dem Esel bei Prozessionen mitgeführt; der Gebrauch von Plastiken wird frühestens um 1200 vermutet. Der Ausdruck der Christusfigur schwankt bei den ältesten Plastiken zwischen herrschaftlicher Kaiserdarstellung (München) – was der Redensart am ehesten entspricht – und leidvollem Aussehen (Zürich, Berlin).
   Bei den acht aus dem 14. Jahrhundert erhaltenen Skulpturen herrscht der königliche Typus vor. In den folgenden Jahrhunderten werden berühmte Künstler mit Schnitzarbeiten beauftragt, um die Figur so prunkvoll wie möglich zu gestalten. Im 19. Jahrhundert wurden wenige, fast nur die historisch überlieferten Modelle wiederholende Palmesel verfertigt.
   Mißbräuche mit dieser Figur führten seit der Reformation und noch mehr in der Zeit der Aufklärung zu scharfer Kritik. Der Schriftsteller Johann Georg Jacobi (1740-1814) beschrieb den Brauch der Ministranten in Baden, an einer bestimmten Stelle der feierlichen Prozession ihre Meßgewänder über den Kopf zu ziehen und sie auf den Weg des Palmesels zu legen. Derjenige, der zuletzt damit fertig wurde, wurde ein ganzes Jahr lang ›Palmesel‹ genannt.
   In der Gegenwart ist der Palmesel fast völlig aus dem Kirchenbrauch verschwunden, nur die Redensart erinnert noch an den vergessenen alten Sinnbezug.
   Ein rechter Palmesel sein: ein tölpischer Mensch sein, der sich wie der hölzerne Palmesel – bildlich gesprochen – überall herumziehen läßt und nicht bemerkt, was um ihn herum passiert (Wander III, Spalte 1169). Ein Palmesel ist aber auch derjenige, der am Palmsonntag zu spät kommt, der verschlafen hat oder der zuletzt mit seinen Palmen zur Weihe kommt.

• A. MITTERWIESER: Der Palmesel und die Palmprozession in Bayern, in: Bairischer Heimatschutz 30 (1934), S. 67-69; L. KRETZENBACHER: ›Aufputzt wie ein Palmesel ...‹, in: Heimat im Volksbarock (Klagenfurt 1961), S. 81-84; J.A. VON ADELMANN: Christus auf dem Palmesel, in: Zeitschrift für deutsche Volkskunde 63 (1967), S. 182-200; E. LIPSMEYER: Jahreslaufbrauchtum. Palmsonntag – Christus und Palmesel, in: Volkskunst 12 (1989) Heft 1, S. 50-58.}

Aufgeputzt wie ein Palmesel. Christus auf der Eselin reitend. Holzplastik, alpenländisch, frühes 16. Jahrhundert, Österreichisches Museum für Volkskunde. Wien.

Palmesel. ›Palmprocessie te Amsterdam‹. Aus: C. Cath. van de Graft: Palmzondag (Folkloristische Studies), Utrecht 1938. Abbildung 8.
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