Redensarten Lexikon
Osterhase
Der (Oster-)Has(e) hat g(e)legt. Mit diesen Worten wird am Ostermorgen den Kindern die Suche nach den versteckten Ostergeschenken und insbesondere nach den bunt bemalten Ostereiern freigegeben. Die Kinderfabel von dem Eier legenden Osterhasen schaltet – ähnlich wie bei anderen Brauchfiguren (Nikolaus, Christkind, Julklapp, Knecht Ruprecht) – zwischen dem Beschenkten und dem Geber noch eine Mittelsperson ein, die unerkannt bleibt. Es handelt sich um eine Scherzfiktion, um einen ›Brauch ohne Glaube‹, denn natürlich glaubt kein Kind im Ernst, daß ein Hase Eier legen könne. Der Osterhase hat sich erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgesetzt, obwohl die Frühbelege weiter zurückreichen. Das erste literarische Zeugnis für den Eier legenden Hasen findet sich in einer Schrift des Heidelberger Arztes Georg Frank von 1682, worin er sich über die häufigen Erkrankungen nach dem reichlichen Genuß von ›Haseneiern‹ äußert. sein Anliegen ist ein medizinisches. So berichtet Frank von verschiedenen Fällen, in denen der übermäßige Genuß hartgekochter Ostereier bei Jung und Alt schwere Magen- und Darmstörungen hervorrief: Da büßte ein Franziskaner auf Ostern an den von ihm gesammelten Ostereiern das Leben ein. Ein anderer hatte »zur österlichen Zeit ein rothes Ey gantz wollen hineinschlucken, es ist aber das Ey zu gross und sein Halß zu klein gewesen, dass er alsobald daran ersticket«. Und in diesem Zusammenhang kommt der Arzt auch auf den Osterhasen zu sprechen. Er schreibt u.a.: »Man macht dabei einfältigen Leuten und kleinen Kindern weis, daß der Osterhase diese Eier ausbrüte und sie im Garten verstecke«.    Wenn auch heute der Osterhase in Deutschland allgemein bekannt ist, so ist das nicht immer so gewesen. In Tirol spricht man daneben von der Ostereier legenden ›Osterhenne‹. In Oberbayern, Österreich, Thüringen und Schleswig-Holstein war es der Hahn, in Hannover der Fuchs, an der holländischen Grenze der Ostervogel oder Kranich. Daneben heißt es in Thüringen auch, der Storch sei es gewesen. In manchen Gegenden der Schweiz bringt der Kuckuck die Ostereier. In Oberbayern wurde auch vereinzelt das Osterlamm als Eierbringer bezeichnet. In den Vogesen wie auch in Kärnten sagt man: Wenn die Glocken am Gründonnerstag verstummen, sie seien nach Rom geflogen, um die Ostereier zu holen. Wenn sie dann am Karsamstag zurückkehren, werfen sie die Eier beim Vorüberfliegen ins Gras, wo die Kinder sie suchen müssen. Interessanterweise findet man in Italien keinen Osterhasen.
   Auch dort, wo zu Ostern bestimmte Gebäcke hergestellt werden, ist der Osterhase ungemein beliebt: Brote und Kuchen in Gestalt eines Hasen, wobei dem Hasen häufig ein Osterei in das Hinterteil eingebacken wird. Ebenso häufig ist daneben das Osterlamm als geformtes Backwerk. Und vielleicht ist der Osterhase überhaupt erst als ein Mißverständnis aus der Osterlammdarstellung hervorgegangen. Dies läßt sich allerdings nicht mit Sicherheit beweisen. Vielleicht sind mit Osterhase und Osterei auch unbewußt einfach zwei Fruchtbarkeitssymbole – Ei und Hase – zusammengebracht worden. Mythische Vorbilder des Osterhasen sind jedenfalls nicht anzunehmen. Dagegen beziehen viele Witze, Karikaturen, insbesondere aber auch Ostergruß-Bild-Postkarten ihre Komik aus dem fiktiven Dreiecksverhältnis Hahn – Huhn – Hase, wobei der Henne aufgrund der bemalten oder gefärbten Eier ein ehebrecherisches Verhältnis zum Osterhasen unterstellt wird. So gewinnen die Erwachsenen der scheinbar eher harmlosen Kinderfabel noch eine erotische, manchmal auch skatologische Perspektive ab. Erwähnt sei etwa der Freiburger Maler und Illustrator Wilhelm Wohlgemut (1870-1942), der zeigt, wie Menschen in Hasengestalt sich verhalten müßten, wenn sie Eier legen wollten. Schon ein launiges Gedicht von Eduard Mörike beschreibt das Verhältnis von Osterei und Osterhase:

   Die Sophisten und die Pfaffen
   Stritten sich mit viel Geschrei:
   Was hat Gott zuerst erschaffen,
   Wohl die Henne? Wohl das Ei?

   Wäre das so schwer zu lösen?
   Erstlich ward ein Ei erdacht:
   Doch weil noch kein Huhn gewesen,
   Schatz, so hat's der Has' gebracht.

• H. HEPDING: Ostereier und Osterhase, in: Hessische Blätter für Volkskunde 26 (1927), S. 127-147; A. BECKER: Osterei und Osterhase (Jena 1937); V. NEWALL: An Egg at Easter. A Folklore Study (London 1971); A. DUNDES: The Crowing Hen and the Easter Bunny. Male Chauvinism in American Folklore, in: Interpreting Folklore (Bloomington/Ind. 1980), S. 160-175; K. GÖBEL: Das Summenformel-Spiel. Zur Stellung eines Wettspiels zwischen Osterbrauch und Rechenbuchillustration (Kulturhistorische Forschungen 8) (München 1987).}

Ostereier suchen. Illustration aus: Einsiedler-Kalender 1852, Kal. Inv. 1508. Aus: Kalender-Bilder: Illustration aus schweizerischen Volkskalendern des 19. Jahrhunderts (= Führer durch das Museum für Volkskunde und Schweizerisches Museum für Volkskunde, Basel), Basel 1978, S. 61, Abbildung 102.
Osterhase. Illustration von Wilhelm Wohlgemut.

Osterhase. Zeichnung von Wilhelm Busch.
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