Redensarten Lexikon
Ölgötze
Dastehen (oder dasitzen) wie ein Ölgötze: steif und stumm dastehen, sich regungslos verhalten. Der noch heute ganz geläufige redensartliche Vergleich begegnet zuerst 1520 bei Luther: »wen wyr ynn der kirchen seyn unter der meß, da stehn wir wie die öl götzen, wissen nichts auff zcu bringenn« (Weimarer Ausgabe IX,266). Ursprünglich sollen mit den ›Öl (berg)götzen‹ die während Christi Gebet im Garten Gethsemani am Ölberg schlafenden Jünger gemeint sein (Mt 26,43), eine Szene, die seit dem 15. Jahrhundert in Baldachinhäuschen an oder neben Kirchen (z.B. an der Sebalduskirche in Nürnberg) gern im Bilde dargestellt wurde. Allein die Herleitung des Ausdrucks Ölgötze von Öl(berg)götze ist ziemlich fraglich; während das Deutsche Wörterbuch und das Hanbuch des Aberglaubens den Ursprung des Ausdrucks in Frage stellen, gibt allein das schwäbische Wörterbuch von 1920 diese fragwürdige Erklärung.    Vor dem 16. Jahrhundert ist diese Bezeichnung nicht nachweisbar, sondern wird erst in der Reformationszeit als Spottwort gegen die Holzbilder der Katholiken oder auch gegen die mit Öl gesalbten Priester gebraucht (besonders von Zwingli). Im August 1520 wendet Luther den Spottausdruck auf die mit heiligem Öl gesalbten römischen Priester an: »das aber der Bapst odder Bischoff salbet ... mag eynen gleysner und ölgötzen machen« (Weimarer Ausgabe VI,407). In den Kämpfen der Reformationszeit wird das Schlagwort häufig gebraucht. So ist 1522 aus Augsburg bezeugt: »Dann es stat manicher ölgötz auff die Cantzel vnd wil den Luther mit seinen guten buchern außrichten«. Thomas Murner sagt im gleichen Jahr in seinem Streitgedicht ›Vom großen Lutherischen Narren‹:

   Sein es bischöff vnd prelaten,
   So nennen sie's Apostaten,
   Die priester esel vnd ölgötzen.

1529 in Joh. Agricolas ›Sprichwörtern‹ (Nr. 186) ist der Ursprung des Ausdrucks bereits nicht mehr verstanden: »Ein stock vnd ein holtz, das geferbet ist, vnd ölgetrencket, auff daz die farbe bleibe vnd vom regen nicht abgewaschen werd, ist ein ölgötze. Götze kompt von Gott, vnd ist etwas das ein bildtnis hat on leben, on seele, darumb ist ein ölgötze ein mensch, der nyrgent zu nütze ist, da wedder verstandt noch witze bey ist«. Sebastian Franck (›Sprichwörter‹ II,51) schreibt 1541: »ut Bagas stas, du stehst wie ein Klotz, Olgötze, Tielmann (Dillemann, Mann mit einer Dille), Leuchter«.
   Hans Sachs meint mit ›den Olgötzen tragen‹: demütigende Dienste (im Hause) verrichten müssen.
Ihm ist die Herkunft des Wortes noch bewußt, wenn er (z.B. 1533 in einem Fastnachtsspiel IV,477) sagt:

   Hewer will ich unverheyrat bleyben,
   Das ich mich nit thu vberweyben,
   Müst auch den ölgötzen tragen,

denn bei Prozessionen wurden mit den Kirchenheiligen auch die Gestalten der Apostel vom Ölberg im Zug mitgeführt. Diese Ölgötzen, die wohl keine besonders klugen oder willensstarken Gesichter aufwiesen (denn sie waren ja schlafend dargestellt!), waren auch als Laternen- oder Lichterträger dargestellt. Daher dürfte es kommen, wenn für Ölgötz in den Mundarten zum Teil die Bedeutung ›hölzerner Pfosten, an dem die Öllampe hängt‹ erscheint; ebenso ›Paule‹ (= Paulus) im Kärntischen: Leuchterknecht, Leuchteruntersatz. In Niederdeutschland sagt man dafür auch: ›Hei steit as en Lüchterpiep‹, ›as en Pickpahl (Pechpfahl)‹, ›as en Trangötze‹; vgl. auch Stieler, Sprachschatz, S. 687: »Ölgötze statua ex ligno, lapide vel aere facta, qualis est Petri, Johannis in monte olivarum dormientis«; Maulaffe.
   Einen ähnlichen Bedeutungswandel wie das heutige ›Öl(berg)götze‹ machte die schwäbische Redensart ›dastehen wie ein Bildstock‹ (bei Gottfried Keller: ›Wie ein Opferstock‹) durch sowie siebenbürgisch ›et es en hölzera Johannes‹, er ist steif und plump. In anderer Kürzung ist vom Ölberg auch der in älterer Studentensprache bezeugte Scheltname ›Ölberger‹ für ›Häscher‹, ›Stadtsoldat‹ abgeleitet.

• WEBINGER: Artikel ›Olgötz‹, in: Handbuch des Aberglaubens VI., Spalte 1247-1249; K. BAUMANN: Artikel ›Götzenbild‹, in: Enzyklopädie des Märchens VI., Spalte 37-42.
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