Redensarten Lexikon
närrisch
Einen zum Narren haben (oder halten): ihn zum besten haben, ihn aufziehen, foppen; eigentlich: ihn als Narren behandeln. Die Geschichte des Narren beginnt mit der alten Sitte, sich zur Unterhaltung bei Gastmählern Lustigmacher zu halten. Schon in dem ›Symposion‹ des Xenophon (um 430 bis etwa 354 v. Chr.) kommt ein solcher Lustigmacher vor, und im Rom der Kaiserzeit waren die Scurrae an den Tafeln der Großen ganz gewöhnlich. In Deutschland kommen berufsmäßige Narren zur Zeit der Kreuzzüge auf. Nicht bloß an fürstlichen Höfen wurden Narren gehalten (Kunz von der Rosen bei Maximilian I., Klaus von Ranstat bei Kurfürst Friedrich dem Weisen), sondern fast von jedem adligen Herrn. Witze auszuteilen und einzustecken war ihre Aufgabe. Diese ›Hofnarren‹ trugen eine eigentümliche Kleidung: auf dem geschorenen Kopfe saß die Narrenkappe (Gugel, latein. cucullus), eine runde Mütze mit Eselsohren und einem Hahnenkamm, einem ausgezackten Streifen roten Tuches, das von der Stirn bis zum Nacken lief. Um den Hals trugen sie einen breiten Kragen wie später noch der Hanswurst auf Messen und Jahrmärkten, und an Kappe, Gürtel, Ellenbogen, an den Knien und Schuhen waren Schellen befestigt, um die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Soll nun, wie das Sprichwort sagt, der Narr einem König gleich sein, so darf ihm das Zepter nicht fehlen; er führte es in der Gestalt des Narrenkolbens, anfangs nichts als ein Rohrkolben, der spöttisch auch ›Narrenzepter‹ hieß; später brachte man oben einen Narrenkopf mit herausgestreckter Zunge als Verzierung an, ⇨ Marotte. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert wurden von einzelnen Herrschern sogar witzige Gelehrte anstelle der Hofnarren verwendet; so ließen sich Taubmann am sächsischén Hof (mit der amtlichen Bezeichnung als ›kurzweiliger Rat‹) und Gundling unter Friedrich Wilhelm I. am preußischen Hof ›zum Narren halten‹, vgl. englisch ›to make a fool of a person‹: niederländisch ›jemand voor de gek houden‹. Schweizerisch ›eim de narre mache‹, umsonst arbeiten, von jemandem sich ausnutzen lassen, entsprechend rheinhessisch, ›jemandem den Aff' machen‹. Das Gegenteil besagt die ebenfalls in der Schweiz, aber auch in anderen Mundarten übliche Redensart ›e Narr i sin Sack sin‹, auf seinen eigenen Nutzen bedacht sein, trotz aller Narrheit; hochdeutsch Er ist ein Narr in seinem Sack.
Die Gestalt des Narren hat nicht nur der Dichtung (Brant, Murner, Hans Sachs) vielfache stoffliche Anregung geboten, sondern ist auch der Anlaß zu zahlreichen volkstümlichen Redensarten geworden: Der Narr muß ein Abzeichen haben sagt man von einem, der immer etwas Absonderliches haben will; rheinhessisch sprichwörtlich: ›Jedem Narr gefällt sei Kapp‹, jeder hat seine Eigenheit, die er liebt.
Ein (Bücher-)Narr sein: sich nur noch mit Lesen beschäftigen. Nach diesem Muster werden mehrere Komposita gebildet, die alle die übertriebene Liebe oder Beschäftigung eines Menschen mit einer Sache bezeichnen, wie z.B. ›Kinder-Narr‹ oder ›Pferde- Narr‹, die noch im Sprachgebrauch sind.
Er ist ein Narr in Folio: er ist ein großer Narr, d.h. eigentlich ein Narr von größtem Format; ›Folio‹ ist ein Fachausdruck für ein großes Buchformat, bei dem die Seite von einem halben Bogen (folium) gebildet wird. Von dem Prediger Abraham a Sancta Clara haben wir ein ›Centifolium Stultorum in Quarto, oder hundert ausbündige Narren in Folio‹ (1709), in dem solche Begriffe auftauchen, denn »Alphabetisch geordnete 100 Narrenbeschreibungen vom ›Abergläubischen Narren‹ bis zum ›Zeitungs-Narren‹ behandeln ... sünd- und lasterhafte Verhaltensweisen«. Einen Narren an jemandem (oder auch an etwas) gefressen haben: in lächerlicher Weise dafür eingenommen, verliebt sein. Die alte Vorstellung, daß ein Alberner einen kleinen dämonischen Narren leibhaft in seinem Innern stecken habe, hat zunächst die Redensart geschaffen: ›Einen Narren im Leibe haben‹, ›Einen Narren gefressen haben‹. Murners ganze ›Narrenbeschwörung‹ (1512) erklärt sich ja so: Er will versuchen, »die narren von den lüten zu bringen« (1,7). Freilich weiß er, wie ihn seine Gegner deswegen verhöhnen, legt aber doch selbst einem von ihnen die Worte in den Mund (2,40):
Darum muß ich mein buch (Bauch)
zerlachen, Das er die sach wil underston,
Und hat selbs wol zwölf legion,
Als vil das ichs nit zelen mag,
Und meeret sich von tag zu tag;
Die alten machen jung in dir.
In der ›Mühle von Schwyndelßheim‹ (V. 609;) erklärt Murner:
Wer hohen zorn nit kan vergessen,
Der hat auch rohe narren fressen.
Hans Sachs hat einen Schwank ›Der Narrenfresser‹ und ein Fastnachtsspiel ›Das Narrenschneiden‹ geschrieben; in dem Spiel schneidet der Arzt einem Kranken die Narren der Hoffart, des Geizes, des Neides, der Unkeuschheit, der Völlerei, des Zorns, des Scheltens usw. aus dem Leibe heraus. Vgl. auch im Englischen ›he ought to be cut (oder: bored) for the simples‹.
Wie Smith-Heseltine (S. 125) bemerkt, beinhaltet diese Redensart im Englischen ein Wortspiel: ›simple‹ als Narr und gleichzeitig: »›simples‹ being medicinal herbs«. Seit 1650 ist die Redensart im Englischen belegt; 1738 gebraucht sie auch Swift: »Indeed Mr. Neverout, you should be cut for the simples«. Zu der jetzt geläufigen Form hat die Redensart wohl nur erweitert werden können, als man bereits an ihren eigentlichen Sinn nicht mehr dachte; ›einen Narren an jemandem gefressen haben‹ – das ist, wörtlich genommen, Unsinn, es soll aber der Sinn darin liegen: ein Narr sein in Beziehung auf jemanden: in ihn ›vernarrt‹ sein. In der ›Zimmerischen Chronik‹ (16. Jahrhundert) steht die einfache alte Redensart noch neben der jüngeren (II, 466): »Die zeit er aldo verharret und von der schönen Rellingern gehört, da hat er ainsmals den narren gefressen und von iretwegen ain söllichs panketieren angefangen, das sich menigclichen darob verwundert hat« und (III, 581): »Der hat den narren gleichergestalt an dieser von Barr gefressen«.
Mit einem Narren schwanger sein: verrückt sein; auch in derselben Bedeutung: Dem Narren übers Säcklein kommen; schwäbisch ›Er ist em Narre überm Säckle gwese‹, elsässisch ›em Narre üwers Säckle gerote‹ (geraten).
Vom Narren gestochen werden: sich von der Narrheit anstecken lassen; (bairisch ›es sticht einen der Narr‹, ebenso schwäbisch ›den hat der Narr gschtoche‹), ist zu erklären als Vermengung von Redensarten wie: ›Der Schalk schlägt ihm in den Nacken‹ und ›Ihn sticht der Hafer‹, ⇨ Schalk, ⇨ Hafer.
Den Narren stechen (bohren): jemandem durch eine Geste andeuten, daß man ihn für blöd hält.
Narrenfreiheit genießen: von allen Zwängen befreit sein, tun und lassen können, wozu man Lust hat; im Schwäbischen auch: ›Narrenrecht‹.
Einen am Narrenseil führen: seinen Scherz mit ihm treiben, ihn mit leeren Worten hinhalten. Auf dem Holzschnitt zu Kapitel 13 von Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ hält Venus einen Gauch, einen Esel, einen Affen und drei Narren an Seilen. sie sagt von sich:
An mynem seyl ich draffter (hin und her) yeig (jage)
Vil narren, affen, esel, geüch,
Die ich verfuer, betrueg und leych (täusche).
Das Narrenseil ist das Seil, woran die Narren geführt werden; ursprünglich sind es die Gestalten der verschiedenen Laster und Torheiten, auch der Teufel, die die Narrenwelt am Seile hinter sich herziehen. In der ›Zimmerischen Chronik‹ (IV, 327) klagt ein betrogener Liebhaber:
Dieweil sie mich gefiert am narrensail,
Wie ain affen an ainer ketten.
In den ›Räubern‹ (II, 3) kreuzt Schiller die Redensart mit der ähnlichen Wendung ›Einen an der Nase herumführen‹, indem er Spiegelberg die Worte in den Mund legt: »Wir führen sie (die Polizei) erbärmlich am Narrenseil herum«. In den gleichen Zusammenhang gehört wohl die aus Zwickau bezeugte Redensart: ›Heute hab'ch emal en Narren loofen lassen‹, ich habe mir etwas Besonderes zugute getan.
Er ist ein Narr auf eigne Hand; die Wendung beruht auf Goethes Gedicht ›Den Originalen‹, worin es am Schluß heißt: »Ich bin ein Narr auf eigne Hand«.
Narren um Christi willen sein: asketisch lebende Menschen, die zur Besiegung ihrer Eitelkeit den Verlust ihres Verstandes vortäuschen, um sich der Vereinsamung und auch Mißhandlungen aussetzen zu können. Von der Kirche wurde diese heilige Narrheit anerkannt; ursprünglich ist dies eine rein morgenländische Erscheinung gewesen. In Rußland gelangte die heilige Narrheit im 16. Jahrhundert zu höchster Blüte. Der Ausdruck Narr in Christo entstammt dem Titel des 1910 erschienenen Romans von Gerhart Hauptmann (1862-1946) ›Der Narr in Christo Emanuel Quint‹; zugrunde liegt 1 Kor 4,10: »Wir sind Narren um Christi willen«.
Da könnte man doch närrisch werden: da könnte man sich aufregen, verrückt bzw. zornig werden. ›Närrisch sein‹ wurde in früheren Jahrhunderten auch für jede Form von (Geistes-) Krankheit gebraucht, aber auch für Bösartigkeit; schwäbisch ›narret werden‹ meint: in Zorn geraten.
• FLÖGEL: Geschichte der Hofnarren (1784); NICK: Die Hof- und Volksnarren (Stuttgart 1861); EBELING: Zur Geschichte des Hofnarren F. Taubenborn (Leipzig 1883); DERS.: Die Kahlenberger; zur Geschichte der Hofnarren (Berlin 1893); OSWALD: Stultorum infinitus est numeros, in: American Notes and Queries 8, 1 (1892), S. 132; O. MÖNKEMÖLLER: Narren und Toren in Satire, Sprichwort und Humor, 2. Auflage (Halle 1912); M. HELD: Das Narrenthema in der Satire am Vorabend und in der Frühzeit der Reformation (Diss. Marburg 1945); H. HANCKEL: Narrendarstellungen im Spät-Mittelalter (Diss. Freiburg 1952); R. GRUENTHER: Die ›Narrheit‹ in Sebastian Brants ›Narrenschiff‹, in: Neophilologus 43 (1959), S. 207ff.; P. HAUPTMANN: Artikel ›Narren um Christiwillen‹, in: Religion in Geschichte und GegenwartIV (3. Auflage 1960), Spalte 1308; W. KAYSER: Das Groteske in Kunst und Dichtung (Hamburg 1960); B. KÖNNEKER: Wesen und Wandlung der Narrenidee im Zeitalter des Humanismus. Brant-Murner- Erasmus (Wiesbaden 1966); O.F. BEST: Über die Dummheit der Menschen (München 1979); Narrenfreiheit. Beiträge zur Fastnachtsforschung (Tübingen 1980); S. POLEY (Hrsg.): Unter der Maske des Narren (Stuttgart 1981); W. MEZ-
GER: Hofnarren im Mittelalter (Konstanz 1 981); DERS.: Narrenidee und Fastnachtsbrauch. Studien zum Fortleben des Mittelalters in der europäischen Festkultur (= Konstanzer Bibliothek 15) (Konstanz 1991).
Narrensamen. Holzschnitt aus Murners ›Narrenbeschwörung‹, 1512: Narrensamen.
Narrenkappe. Holzschnitt aus Sebastian Brants ›Narrenschiff‹, 1494: Der Hofnarr vor Kaiser und Papst.
Einen Narren an jemandem gefressen haben. Holzschnitt aus Thomas Murners ›Mühle von Schwindelsheim und Gredt Müllerin Jahrzeit‹, 1515: ›Ein rohen narren fressen‹.
Narrenschneiden. Zeitgenössischer Holzschnitt (Mitte 16. Jahrhundert) zu dem Fastnachtsspiel ›Das Narrenschneiden‹ von Hans Sachs, aus: Drei Fastnachtsspiele von Hans Sachs, Insel-Bücherei Nr. 46, Leipzig o.J.S. 5.
Einen am Narrenseil führen. Holzschnitt, Brant: Narrenschiff von 1494, zum Kapitel ›Von buolschafft‹.
Die Gestalt des Narren hat nicht nur der Dichtung (Brant, Murner, Hans Sachs) vielfache stoffliche Anregung geboten, sondern ist auch der Anlaß zu zahlreichen volkstümlichen Redensarten geworden: Der Narr muß ein Abzeichen haben sagt man von einem, der immer etwas Absonderliches haben will; rheinhessisch sprichwörtlich: ›Jedem Narr gefällt sei Kapp‹, jeder hat seine Eigenheit, die er liebt.
Ein (Bücher-)Narr sein: sich nur noch mit Lesen beschäftigen. Nach diesem Muster werden mehrere Komposita gebildet, die alle die übertriebene Liebe oder Beschäftigung eines Menschen mit einer Sache bezeichnen, wie z.B. ›Kinder-Narr‹ oder ›Pferde- Narr‹, die noch im Sprachgebrauch sind.
Er ist ein Narr in Folio: er ist ein großer Narr, d.h. eigentlich ein Narr von größtem Format; ›Folio‹ ist ein Fachausdruck für ein großes Buchformat, bei dem die Seite von einem halben Bogen (folium) gebildet wird. Von dem Prediger Abraham a Sancta Clara haben wir ein ›Centifolium Stultorum in Quarto, oder hundert ausbündige Narren in Folio‹ (1709), in dem solche Begriffe auftauchen, denn »Alphabetisch geordnete 100 Narrenbeschreibungen vom ›Abergläubischen Narren‹ bis zum ›Zeitungs-Narren‹ behandeln ... sünd- und lasterhafte Verhaltensweisen«. Einen Narren an jemandem (oder auch an etwas) gefressen haben: in lächerlicher Weise dafür eingenommen, verliebt sein. Die alte Vorstellung, daß ein Alberner einen kleinen dämonischen Narren leibhaft in seinem Innern stecken habe, hat zunächst die Redensart geschaffen: ›Einen Narren im Leibe haben‹, ›Einen Narren gefressen haben‹. Murners ganze ›Narrenbeschwörung‹ (1512) erklärt sich ja so: Er will versuchen, »die narren von den lüten zu bringen« (1,7). Freilich weiß er, wie ihn seine Gegner deswegen verhöhnen, legt aber doch selbst einem von ihnen die Worte in den Mund (2,40):
Darum muß ich mein buch (Bauch)
zerlachen, Das er die sach wil underston,
Und hat selbs wol zwölf legion,
Als vil das ichs nit zelen mag,
Und meeret sich von tag zu tag;
Die alten machen jung in dir.
In der ›Mühle von Schwyndelßheim‹ (V. 609;) erklärt Murner:
Wer hohen zorn nit kan vergessen,
Der hat auch rohe narren fressen.
Hans Sachs hat einen Schwank ›Der Narrenfresser‹ und ein Fastnachtsspiel ›Das Narrenschneiden‹ geschrieben; in dem Spiel schneidet der Arzt einem Kranken die Narren der Hoffart, des Geizes, des Neides, der Unkeuschheit, der Völlerei, des Zorns, des Scheltens usw. aus dem Leibe heraus. Vgl. auch im Englischen ›he ought to be cut (oder: bored) for the simples‹.
Wie Smith-Heseltine (S. 125) bemerkt, beinhaltet diese Redensart im Englischen ein Wortspiel: ›simple‹ als Narr und gleichzeitig: »›simples‹ being medicinal herbs«. Seit 1650 ist die Redensart im Englischen belegt; 1738 gebraucht sie auch Swift: »Indeed Mr. Neverout, you should be cut for the simples«. Zu der jetzt geläufigen Form hat die Redensart wohl nur erweitert werden können, als man bereits an ihren eigentlichen Sinn nicht mehr dachte; ›einen Narren an jemandem gefressen haben‹ – das ist, wörtlich genommen, Unsinn, es soll aber der Sinn darin liegen: ein Narr sein in Beziehung auf jemanden: in ihn ›vernarrt‹ sein. In der ›Zimmerischen Chronik‹ (16. Jahrhundert) steht die einfache alte Redensart noch neben der jüngeren (II, 466): »Die zeit er aldo verharret und von der schönen Rellingern gehört, da hat er ainsmals den narren gefressen und von iretwegen ain söllichs panketieren angefangen, das sich menigclichen darob verwundert hat« und (III, 581): »Der hat den narren gleichergestalt an dieser von Barr gefressen«.
Mit einem Narren schwanger sein: verrückt sein; auch in derselben Bedeutung: Dem Narren übers Säcklein kommen; schwäbisch ›Er ist em Narre überm Säckle gwese‹, elsässisch ›em Narre üwers Säckle gerote‹ (geraten).
Vom Narren gestochen werden: sich von der Narrheit anstecken lassen; (bairisch ›es sticht einen der Narr‹, ebenso schwäbisch ›den hat der Narr gschtoche‹), ist zu erklären als Vermengung von Redensarten wie: ›Der Schalk schlägt ihm in den Nacken‹ und ›Ihn sticht der Hafer‹, ⇨ Schalk, ⇨ Hafer.
Den Narren stechen (bohren): jemandem durch eine Geste andeuten, daß man ihn für blöd hält.
Narrenfreiheit genießen: von allen Zwängen befreit sein, tun und lassen können, wozu man Lust hat; im Schwäbischen auch: ›Narrenrecht‹.
Einen am Narrenseil führen: seinen Scherz mit ihm treiben, ihn mit leeren Worten hinhalten. Auf dem Holzschnitt zu Kapitel 13 von Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ hält Venus einen Gauch, einen Esel, einen Affen und drei Narren an Seilen. sie sagt von sich:
An mynem seyl ich draffter (hin und her) yeig (jage)
Vil narren, affen, esel, geüch,
Die ich verfuer, betrueg und leych (täusche).
Das Narrenseil ist das Seil, woran die Narren geführt werden; ursprünglich sind es die Gestalten der verschiedenen Laster und Torheiten, auch der Teufel, die die Narrenwelt am Seile hinter sich herziehen. In der ›Zimmerischen Chronik‹ (IV, 327) klagt ein betrogener Liebhaber:
Dieweil sie mich gefiert am narrensail,
Wie ain affen an ainer ketten.
In den ›Räubern‹ (II, 3) kreuzt Schiller die Redensart mit der ähnlichen Wendung ›Einen an der Nase herumführen‹, indem er Spiegelberg die Worte in den Mund legt: »Wir führen sie (die Polizei) erbärmlich am Narrenseil herum«. In den gleichen Zusammenhang gehört wohl die aus Zwickau bezeugte Redensart: ›Heute hab'ch emal en Narren loofen lassen‹, ich habe mir etwas Besonderes zugute getan.
Er ist ein Narr auf eigne Hand; die Wendung beruht auf Goethes Gedicht ›Den Originalen‹, worin es am Schluß heißt: »Ich bin ein Narr auf eigne Hand«.
Narren um Christi willen sein: asketisch lebende Menschen, die zur Besiegung ihrer Eitelkeit den Verlust ihres Verstandes vortäuschen, um sich der Vereinsamung und auch Mißhandlungen aussetzen zu können. Von der Kirche wurde diese heilige Narrheit anerkannt; ursprünglich ist dies eine rein morgenländische Erscheinung gewesen. In Rußland gelangte die heilige Narrheit im 16. Jahrhundert zu höchster Blüte. Der Ausdruck Narr in Christo entstammt dem Titel des 1910 erschienenen Romans von Gerhart Hauptmann (1862-1946) ›Der Narr in Christo Emanuel Quint‹; zugrunde liegt 1 Kor 4,10: »Wir sind Narren um Christi willen«.
Da könnte man doch närrisch werden: da könnte man sich aufregen, verrückt bzw. zornig werden. ›Närrisch sein‹ wurde in früheren Jahrhunderten auch für jede Form von (Geistes-) Krankheit gebraucht, aber auch für Bösartigkeit; schwäbisch ›narret werden‹ meint: in Zorn geraten.
• FLÖGEL: Geschichte der Hofnarren (1784); NICK: Die Hof- und Volksnarren (Stuttgart 1861); EBELING: Zur Geschichte des Hofnarren F. Taubenborn (Leipzig 1883); DERS.: Die Kahlenberger; zur Geschichte der Hofnarren (Berlin 1893); OSWALD: Stultorum infinitus est numeros, in: American Notes and Queries 8, 1 (1892), S. 132; O. MÖNKEMÖLLER: Narren und Toren in Satire, Sprichwort und Humor, 2. Auflage (Halle 1912); M. HELD: Das Narrenthema in der Satire am Vorabend und in der Frühzeit der Reformation (Diss. Marburg 1945); H. HANCKEL: Narrendarstellungen im Spät-Mittelalter (Diss. Freiburg 1952); R. GRUENTHER: Die ›Narrheit‹ in Sebastian Brants ›Narrenschiff‹, in: Neophilologus 43 (1959), S. 207ff.; P. HAUPTMANN: Artikel ›Narren um Christiwillen‹, in: Religion in Geschichte und GegenwartIV (3. Auflage 1960), Spalte 1308; W. KAYSER: Das Groteske in Kunst und Dichtung (Hamburg 1960); B. KÖNNEKER: Wesen und Wandlung der Narrenidee im Zeitalter des Humanismus. Brant-Murner- Erasmus (Wiesbaden 1966); O.F. BEST: Über die Dummheit der Menschen (München 1979); Narrenfreiheit. Beiträge zur Fastnachtsforschung (Tübingen 1980); S. POLEY (Hrsg.): Unter der Maske des Narren (Stuttgart 1981); W. MEZ-
GER: Hofnarren im Mittelalter (Konstanz 1 981); DERS.: Narrenidee und Fastnachtsbrauch. Studien zum Fortleben des Mittelalters in der europäischen Festkultur (= Konstanzer Bibliothek 15) (Konstanz 1991).
Narrensamen. Holzschnitt aus Murners ›Narrenbeschwörung‹, 1512: Narrensamen.
Narrenkappe. Holzschnitt aus Sebastian Brants ›Narrenschiff‹, 1494: Der Hofnarr vor Kaiser und Papst.
Einen Narren an jemandem gefressen haben. Holzschnitt aus Thomas Murners ›Mühle von Schwindelsheim und Gredt Müllerin Jahrzeit‹, 1515: ›Ein rohen narren fressen‹.
Narrenschneiden. Zeitgenössischer Holzschnitt (Mitte 16. Jahrhundert) zu dem Fastnachtsspiel ›Das Narrenschneiden‹ von Hans Sachs, aus: Drei Fastnachtsspiele von Hans Sachs, Insel-Bücherei Nr. 46, Leipzig o.J.S. 5.
Einen am Narrenseil führen. Holzschnitt, Brant: Narrenschiff von 1494, zum Kapitel ›Von buolschafft‹.