Redensarten Lexikon
Mühle
Das ist Wasser auf seine Mühle: etwas gereicht ihm zum Vorteil, ebenso Alle Wasser auf seine Mühle leiten (richten), oder ›uf sin Mühl huse‹ (Elsässisch), auf seinen Vorteil bedacht sein; niederländisch ›Dat is koren (water) op zijn molen‹, französisch ›C'est de l'eau à mon moulin‹. Beide Redensarten gehen auf die Technik des Wassermüllers zurück, wie sie schon der Holzschnitt aus Thomas Murners ›Mühle von Schwyndelßheim‹ (1515) zeigt mit den Worten:
   Der Müller findt man wahrlich viel,
   Die alle Wasser uff ir mühl
   Richten, das es rusch do here,
   Ob sunst niender kein tropffe wäre.

Literarisch auch bei Lohenstein (›Arminius‹): »Es ist nichts seltzames fremdes Wasser auff seine Mühle leiten«; dann auch bei Schiller in den ›Räubern‹ (III,2): »Das ist Wasser auf unsere Mühle, Hauptmann!« Goethe schreibt (Weimarer Ausgabe 25, 1, 14): »Dichter und Bildner beide beschäftigen sich an einer Quelle, und jeder sucht, das Wasser nach seiner Seite, zu seinem Vorteil hinzulenken«.
   Etwas ist Wind auf jemandes Mühle: die Ansichten desjenigen werden bestätigt und gefördert.
   Das ist noch in der Mühle: das ist noch nicht abgeschlossen, noch nicht fertig; bei Johann Fischart im ›Bienenkorb‹ (97a) in der Form: »Darum muß folgen,... daß etwas anders auf der mülen ist, dann man uns sagen will«.
   Jemandes Mühle steht niemals still: jemand redet ununterbrochen. Über einen, der viel und dauernd redet, sagt man schwäbisch ›dem geht sei Maul wie e Mühl‹. Von einem Spitzbuben, der alles mitgehen heißt, heißt es rheinhessisch ›der läßt nichts liegen als Mühlsteine und glühendes Eisen‹.
   ›Die ok irst to der molen kumt, die sal erst malen‹ ist die niederdeutsche Form des Sprichworts ›Wer zuerst kommt, mahlt zuerst‹ ( mahlen). Von einem, der unnötig laut spricht, sagt man in Hessen-Nassau ›mer meent, dau (du) werst in der Meel groß worn‹, wegen des Lärms, der in einer Mühle herrscht. Aus dem gleichen Grunde gebraucht man auch die Redensart ›in der Mühle sagt man's zweimal‹, die vor allem in Süddeutschland und Vorarlberg beheimatet ist. Man hält sie demjenigen entgegen, der beim ersten Mal nicht verstanden hat oder nicht verstehen will. Diese Redensart von der Mühle wird mit vielen Zusätzen versehen. So heißt es,

   ›In der Mühle sagt man's zweimal,
   – den Narren dreimal,
   – einem Esel dreimal,
   – alten Weibern dreimal,
   – das dritte Mal kostet's einen Kreuzer,
   – das dritte Mal schlägt man einem den Sack um die Ohren,
   – und bei den Bauern, bis man's versteh‹

Von der sprichwörtlichen Unehrlichkeit der Müller heißt es: ›In der Mühle ist das beste, daß die Säcke nicht reden können‹. Im Volksmund werden noch verschiedene Dinge als Mühle bezeichnet. Ein altes Fahrrad nennt man, wohl weil es klappert, ›Eine alte (Tret-)Mühle‹- man spricht auch von der ›Tretmühle des Alltags‹, wobei wohl im Hintergrund die Vorstellung von den Treträdern in Arbeitshäusern des 17. und 18. Jahrhunderts steht, die von Verurteilten bedient werden mußten, Tretmühle. Eine schwere Arbeit bezeichnet man als ›Knochenmühle‹.
   Jemanden durch die Mühle drehen: jemandem hart zusetzen.
   Ein Mühlrad geht einem im Kopf herum: man ist schwerfällig im Denken, verwirrt. In Goethes Faust (1790) sagt der Schüler zu Mephisto: »Mir wird von alledem so dumm, als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum«.
   Mühlstein Stein.

• E. HANDRIK: Müllersagen (Leipzig 1928): L. DE WOLF: Een molen ist duist menschen, in: Biekorf 34 (1928), S. 11-13; C. RUYTENNAN: Hij heeft een molen met een gieuw-gauw, in: Eigen Volk 8 (1936), S. 233; P. BOORSMA: Hij heeft een molen, met een hieuwhauw, in: Eigen Volk 8 (1936), S. 286; H. GLEISBERG: Beiträge zu einer Volkskunde des Müllers und der Mühle, in: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde 1 (1954), S. 157ff.; H. BAUSINGER: Müller und Mühle im Denken des Volkes, in: Schwäbische Heimat 12 (1961), S. 73-76; S. GROSSE: Die Mühle und der Müller im deutschen Volkslied, in: Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes 11 (1962), S. 8-35; W. DANCKERT: Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe (Bern – München 1963), S. 125-145; L. KRETZENBACHER: Voraussetzungen und Erscheinungsformen von Bild- und Wortzeugnissen zum mystischen Thema der »Geistlichen Mühle«, in: Bairisches Jahrbuch für Volkskunde (1983), S. 55-75.

Alle Wasser auf seine Mühle. Holzschnitt aus Thomas Murners ›Mühle von Schwindelsheim und Gredt Müllerin Jahrzeit‹. 1515.

Wasser auf seine Mühle. Karikatur von Haitzinger, 83. Aus: Badische Zeitung., 1983.
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