Redensarten Lexikon
Mücke
Sich über die Mücke (Fliege) an der Wand ärgern: sich über die geringste Kleinigkeit aufregen. Jean Paul 1795 im ›Quintus Fixlein‹: »Wenn uns oft die Mücke an der Wand irren kann, so sollten uns auch die Mücken wie den Domitian belustigen oder wie einen noch lebenden Kurfürsten beköstigen«. Ähnlich auch in den Mundarten, z.B. rheinisch ›den hennert de Mücke an der Wand‹; hessisch ›mich ärjert heit die Mick an de Wand‹; saarländisch ›de krakehlt met de Mücken an der Mauer‹; elsässisch ›die Muck(e) a dr Wand verdrießt (irrt) ne‹; schwäbisch ›er kann d'Muck an der Wand nicht leiden‹, wobei zu bedenken ist, daß Mücke in manchen Mundarten zur Bezeichnung der Fliege gebraucht wird. Französisch ›il est sensible (tendre) aux mouches‹, oder ›il se fâche pour une mouche qui lui passe devant les yeux‹ (beide Redensarten nicht mehr gebräuchlich).    Aus einer (jeder) Mücke einen EIefanten machen, Elefant: etwas stark übertreiben, etwas Unbedeutendes über alle Maßen aufbauschen. Schon griechisch: ›elepant' ek myias poiein‹ (Lukian. ›Encomium muscae‹, 12). Im Neugriechischen sagt man sowohl: ›ekamen thn myigan elepanta‹ als auch: ›ekamen ton pyllon kamhlon‹ = er machte den Floh zum Kamel (Strömberg, S. 38). In lateinischer Form bei dem Humanisten Erasmus von Rotterdam: »Elephantum ex musca facis«. Grimmelshausen stellt im ›Simplicissimus‹ (III, 289) die Redensart mit einer anderen zusammen: »Woraus ich lernete, daß die Verwunderung aus der Unwissenheit entstehe und daß man aus der Muck einen Elephanten macht, ehe man weiß, daß der Berg nur eine Mauß gebären werde«. Wie dieser letzte Vergleich aus dem klassischen Altertum stammt (Horaz, ›Ars poetica‹, V. 139), so sagten die Römer im gleichen Sinne auch: »arcem facere e cloaca« = aus einer Kloake eine Burg machen (Cicero); »e rivo flumina magna facere« = aus einem Bach große Ströme machen (Ovid); im Deutschen kommt auch vor: ›Aus einem Maulwurfshaufen einen Berg machen‹; ›Aus einem Schnall (= Schnippen mit den Fingern) einen Donnerschlag machen‹; ›Aus einem Furz einen Donnerschlag machen‹; vgl. französisch ›faire une montagne de tout‹ (wörtlich: aus allem einen Berg machen).
   Im Schwäbischen sagt man: ›Nach der Muck schlagen und den Elefanten springen lassen‹, etwas Unwichtiges wichtig nehmen. Diese Redensart ist schon bei Luther belegt: »das ich anzeige die verkerte meinung deren, die mucken fahen und elephanten lassen faren«. Schweizerisch bedeutet: ›Er hebet d'Mugg und lod d'Märe laufe‹, er läßt sich einen großen Gewinn eines kleinen Vorteils wegen entgehen. ›Mücken richten, Kamele schonen‹, die Kleinen hängen und die Großen laufen lassen.
   Mücken seigen und Kamele verschlucken: in Kleinlichkeiten peinlich genau sein und es dabei in wichtigen Dingen nicht genau nehmen. ›Seigen‹ ist die ältere Form für ›seihen, durchseihen‹. Die Redensart beruht auf Mt 23, 24: ›Ihr verblendete Leiter, die ihr Mücken seiget und Kamele verschlucket‹. So auch in den Mundarten, z.B. rheinisch: ›Mücken seihn on Kameel schlucken‹. Von einem, der von Natur aus grob ist, sich vor anderen aber feiner Umgangsformen bedient, sagt man hessisch ›Er kann vörr'n Lüen Muggen sugen un in öwrigen kann'n Elefanten schluggen‹. Bei Burkard Waldis (1495-1557) heißt es: »Man sieht jezt leider in grossen sachen durch die finger, laufft vbers grass, stosst sich ans gräger, gross kamelthier sie gantz verschlucken vnd weichen doch die kleinen mucken«. Während Mücke hier überall etwas sehr Kleines meint, bedeutet es in anderen Wendungen ›Einfall‹, ›Gedanke‹ ( Grille). Doch ist dafür die unumgelautete oberdeutsche Form ›Mucken‹ = Launen gebräuchlicher, die in dieser Bedeutung seit Hans Sachs belegt ist (›Fastnachtsspiele‹, 38,81):

   Mein Fraw die treibt gar seltzam mucken
   Vnd zepfft mich an mit diesen stucken,
   Das ich sol tragen das heiss Eyssen,
   Mein vnschuld hie mit zu beweisen,
   Das ich nie brochen hab mein Eh.

Das hat seine Mucken: das hat seine Schwierigkeiten. Als Fortsetzung der angeführten Redensart findet man: Einem die Mucken vertreiben: einen wieder zur Vernunft bringen. Ebenso in den Mundarten: obersächsisch ›ich wer dr schon de (ine) Mucken austrei'm‹. Elsässisch ›dem hai mr d Mucke us m Chopf tribe‹. Mücke (die Mücke) machen: flüchten, davongehen. Zisch die Mücken!: scher dich fort! Laß uns in Ruhe
   Der mundartliche Vergleich ›Lästig wie Clo-Mücke‹ (Mainz) wird oft noch durch den Zusatz verdeutlicht ›ma wird se ach net los‹.
   Noch mit den Mücken fliegen: noch ungeboren sein; schwäbisch ›Er is no mit de Mucke g'floge‹.
   Mücken fangen: müßig sein, nichts zu tun haben.

Aus der Mücke einen Elefanten machen. Karikatur von Haitzinger, 79. Aus: Badische Zeitung., vom 4.X.1979, S. 4.

Aus einem Elefanten eine Mücke machen. Karikatur von Haitzinger, vom 27.IV.88. Aus: Badische Zeitung., vom 28.IV.1988, S. 4.
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