Redensarten Lexikon
Mittelweg
Den (goldenen) Mittelweg gehen: eine ausgleichende Lösung zu finden suchen. Die Redensart geht letztlich auf lateinisch ›aurea mediocritas‹ (Horaz, Oden II, 10, 5) zurück. In Ovids ›Metamorphosen‹ heißt es: »Medio tutissimus ibis« (auf dem Mittelweg gehst du am sichersten), woher die Redensart vom Sicheren Mittelweg stammt. Dazu auch das Sprichwort: ›In der Mitte ist das Beste‹. Auch in der Lyrik Mörikes spielt der Mittelweg eine Rolle, so etwa in dem ›Gebet‹:
   Herr! schicke was du willt.
   Ein Liebes oder Leides.
   Ich bin vergnügt, daß beides
   Aus Deinen Händen quillt.
   Wollest mit Freuden
   Und wollest mit Leiden
   Mich nicht überschütten!
   Doch in der Mitten
   Liegt holdes Bescheiden.

Von dem Maler-Dichter Mörike stammt auch eine Zeichnung zum Mittelweg.
   Vgl. französisch ›trouver le juste milieu‹ (wörtlich: die sichere Mitte finden).
   In dem ›Lied vom gehorsamen Mädchen‹ greift Frank Wedekind die Formel vom goldenen Mittelweg auf, um die bürgerlichen Moralvorstellungen seiner Zeit zu kritisieren. Die Befolgung des unbestimmten Rates der Mutter:

   Verlier dich von dem Lebenspfad
   Nie seitwärts ins Geheg.
   Geh immer artig kerzengrad'
   Den goldenen Mittelweg

wird dem Mädchen zum Verhängnis. Wedekind parodiert hier die prüde Erbauungs- und Erziehungsliteratur, wie sie gerade ›den höheren Töchtern‹ zuteil wurde. Während er zunächst die Moral des ›goldenen Mittelwegs‹ verulkt, indem er ihn in ironisch gespielter Naivität als das leibliche Ziel der erotischen Erfüllung auffassen läßt, ahmt er dann die Form des moralischen Imperativs nach, wendet aber den Inhalt ins Gegenteil.

• W. FREUND: Die literarische Parodie (Stuttgart 1981), S. 98.}

Den (goldenen) Mittelweg gehen. Zeichnung von Eduard Mörike, Schiller-Nationalmuseum Marbach.
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