Redensarten Lexikon
Mittelalter
Das ist (ja) wie im finsteren (finstersten) Mittelalter! Dieser Ausruf bezieht sich auf die Rückständigkeit bestimmter Bräuche und Sitten der heutigen Gesellschaft. Die Redensart kann in dieser Form erst im 19. Jahrhundert entstanden sein, da der Begriff Mittelalter bis dahin in der deutschen Sprache nicht vorhanden war. Wieland spricht noch vom mittleren Zeitalter, von der Mittelzeit oder von mittleren Zeiten. In der deutschen Sprache erschien das Wort Mittelalter literarisch 1809 im Titel eines geschichtlichen Werkes: ›Die kürzeste und bündigste Charakteristik des Mittelalters deutscher Nation‹ (von Campe). Goethe benutzt neben Mittelzeit auch das neugeprägte Wort ›Mittelalter‹. Jedoch ist die Zeit vom 8. bis 14. Jahrhundert schon immer als finsteres Zeitalter bezeichnet worden. In der Periode der Renaissance belegten die Humanisten das Mittelalter mit allerlei Schimpfnamen, unter denen die Metapher der Finsternis an erster Stelle stand. Die Reformation sah im Mittelalter eine Zeit der religiösen Verfinsterung, und in der Folgezeit empfand man das Mittelalter als eine Epoche religiösen und kulturellen Verfalls. Das Jahrhundert der Aufklärung bezog diese ›Finsternis‹ des Mittelalters auch auf die damalige Staatsform. Die ältere Historiographie des Mittelalters ist von Verachtung gegenüber diesem Zeitalter geprägt. Nach Meinung des Historikers Iselin z.B. füllen Barbarei, elendes Staatsrecht, Aberglaube, Dummheit, Mangel an Sitten und Abgeschmacktheit diese Jahrhunderte aus und erlauben ihm, von der »Finsternis der mittleren Zeiten« zu reden (›Über die Geschichte der Menschheit‹, Karlsruhe 1784).
Herder (›Auch eine Philosophie der Geschichte‹, Riga 1774) wendet sich erstmals gegen die bisherige Betrachtungsweise des Mittelalters durch die Aufklärung, kann sich jedoch in der Folgezeit selbst nicht ganz von dem althergebrachten Gemeinplatz lösen; so auch Goethe, der zwar eine anerkennende Haltung vor allem gegenüber der Baukunst des Mittelalters einnimmt, über eine mittelalterliche Malerei jedoch urteilt: »das Werk steht ... auf dem eingeschränkten düstern Pfaffenschauplatz des medii aevi«.
Wurde die Formel seit der Renaissancezeit eher als Kampfparole gebraucht, um die neuen Ideale von den alten abzugrenzen, so ist heute daraus eine Redensart entstanden, die sich generell auf alles Rückständige beziehen kann.
Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter: in dieser Redensart steht der Begriff Mittelalter allein für die angebliche Verfinsterung und Rückständigkeit dieser Zeit; vermutlich ist auch sie erst im 19. Jahrhundert aufgekommen, wahrscheinlich in Anlehnung an die oben zitierte Redensart vom ›finsteren Mittelalter‹ , da man mit beiden Redensarten dieselben Umstände kritisieren will.
Dem Mittelalter den Vortritt lassen (u.ä.): der Begriff Mittelalter dient hier zur Umschreibung von Personen mittleren Alters. In der Literatur des 17. Jahrhunderts ist in demselben Sinne ›medium aevum‹ belegt; heute ist die Redensart scherzhaft gemeint.
• L. VAGA: Das Schlagwort vom ›finsteren Mittelalter‹ (Neudruck der Ausgabe Brünn 1932, Aalen 1978).
Das ist (ja) wie im finsteren (finstersten) Mittelalter! Dieser Ausruf bezieht sich auf die Rückständigkeit bestimmter Bräuche und Sitten der heutigen Gesellschaft. Die Redensart kann in dieser Form erst im 19. Jahrhundert entstanden sein, da der Begriff Mittelalter bis dahin in der deutschen Sprache nicht vorhanden war. Wieland spricht noch vom mittleren Zeitalter, von der Mittelzeit oder von mittleren Zeiten. In der deutschen Sprache erschien das Wort Mittelalter literarisch 1809 im Titel eines geschichtlichen Werkes: ›Die kürzeste und bündigste Charakteristik des Mittelalters deutscher Nation‹ (von Campe). Goethe benutzt neben Mittelzeit auch das neugeprägte Wort ›Mittelalter‹. Jedoch ist die Zeit vom 8. bis 14. Jahrhundert schon immer als finsteres Zeitalter bezeichnet worden. In der Periode der Renaissance belegten die Humanisten das Mittelalter mit allerlei Schimpfnamen, unter denen die Metapher der Finsternis an erster Stelle stand. Die Reformation sah im Mittelalter eine Zeit der religiösen Verfinsterung, und in der Folgezeit empfand man das Mittelalter als eine Epoche religiösen und kulturellen Verfalls. Das Jahrhundert der Aufklärung bezog diese ›Finsternis‹ des Mittelalters auch auf die damalige Staatsform. Die ältere Historiographie des Mittelalters ist von Verachtung gegenüber diesem Zeitalter geprägt. Nach Meinung des Historikers Iselin z.B. füllen Barbarei, elendes Staatsrecht, Aberglaube, Dummheit, Mangel an Sitten und Abgeschmacktheit diese Jahrhunderte aus und erlauben ihm, von der »Finsternis der mittleren Zeiten« zu reden (›Über die Geschichte der Menschheit‹, Karlsruhe 1784).
Herder (›Auch eine Philosophie der Geschichte‹, Riga 1774) wendet sich erstmals gegen die bisherige Betrachtungsweise des Mittelalters durch die Aufklärung, kann sich jedoch in der Folgezeit selbst nicht ganz von dem althergebrachten Gemeinplatz lösen; so auch Goethe, der zwar eine anerkennende Haltung vor allem gegenüber der Baukunst des Mittelalters einnimmt, über eine mittelalterliche Malerei jedoch urteilt: »das Werk steht ... auf dem eingeschränkten düstern Pfaffenschauplatz des medii aevi«.
Wurde die Formel seit der Renaissancezeit eher als Kampfparole gebraucht, um die neuen Ideale von den alten abzugrenzen, so ist heute daraus eine Redensart entstanden, die sich generell auf alles Rückständige beziehen kann.
Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter: in dieser Redensart steht der Begriff Mittelalter allein für die angebliche Verfinsterung und Rückständigkeit dieser Zeit; vermutlich ist auch sie erst im 19. Jahrhundert aufgekommen, wahrscheinlich in Anlehnung an die oben zitierte Redensart vom ›finsteren Mittelalter‹ , da man mit beiden Redensarten dieselben Umstände kritisieren will.
Dem Mittelalter den Vortritt lassen (u.ä.): der Begriff Mittelalter dient hier zur Umschreibung von Personen mittleren Alters. In der Literatur des 17. Jahrhunderts ist in demselben Sinne ›medium aevum‹ belegt; heute ist die Redensart scherzhaft gemeint.
• L. VAGA: Das Schlagwort vom ›finsteren Mittelalter‹ (Neudruck der Ausgabe Brünn 1932, Aalen 1978).